Die Feuerwehr hilft bei den Aufräumarbeiten

Katastrophengebiet-Status in NÖ wird teilweise aufgehoben

Donnerstag, 19. September 2024 | 17:06 Uhr

Von: apa

Der im Zusammenhang mit dem verheerenden Hochwasser über ganz Niederösterreich verhängte Status als Katastrophengebiet wird am Donnerstagabend teilweise aufgehoben. Die Entscheidung gelte ab 19.00 Uhr für die Bezirke Amstetten, Hollabrunn, Lilienfeld, Mistelbach, Scheibbs, Wiener Neustadt-Land und Waidhofen a. d. Thaya sowie für die Statutarstädte Krems, Waidhofen a. d. Ybbs und Wiener Neustadt, teilte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Tulln mit.

Problematisch seien Hangrutschungen und Vermurungen, sagte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) in einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des Landesführungsstabs. Das betreffe mindestens 40 Gemeinden. Es gebe “keine Entwarnung”. 275 Objekte waren mit Stand Donnerstagnachmittag weiterhin evakuiert, zehn Ortschaften und Dörfer nicht erreichbar. In 16 Gemeinden gebe es Probleme mit der Trinkwasserversorgung, in elf mit der Abwasserentsorgung. Alle privaten Haushalte waren dem Landesvize zufolge wieder mit Strom versorgt.

20 Dammbrüche seien durch die Feuerwehr und das Bundesheer provisorisch abgedichtet worden. Eigens gebildete Kommissionen hätten bisher 2.170 Schadensfälle in Niederösterreich aufgenommen, so Pernkopf. Der Schwerpunkt der Einsätze lag weiterhin im Tullnerfeld, in St. Pölten, im Pielachtal und im Raum Melk. Um die Sicherheit von Hängen abzuklären, sei “die Anzahl der geologischen Sachverständigen massiv aufgestockt” worden.

Etwa 3.500 Feuerwehrleute waren am Donnerstag im Einsatz, berichtete Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner. Dazu zählten 19 Züge des Katastrophenhilfsdienstes. Um Dämme an der Leitha zu schützen, seien 10.000 Sandsäcke ausgelegt und 400 Tonnen Schüttmaterial ausgebracht worden.

Für den Wiederaufbau werde es einen “langen Atem” brauchen, sagte Mikl-Leitner in der Pressekonferenz. Eine große Herausforderung werde zudem das finanzielle Volumen. Es sei viel Infrastruktur kaputt oder beschädigt, verwies die Landeshauptfrau auf Kanalisation, Trinkwasser- und Entsorgungsanlagen. Die Abfallanlage Dürnrohr stehe unter Wasser und werde wochenlang nicht benützbar sein. Selbiges sei für die “neue” Westbahnstrecke zu befürchten, wo etwa der Bahnhof Tullnerfeld überschwemmt sei.

“Ein Hochwasser-Ereignis, das in dieser Dimension flächenhaft das ganze Land überflutet, hat es bisher noch nie gegeben”, hatte Pernkopf schon am Vormittag betont. Er verwies auf 800 Schutzprojekte, die seit 2002 umgesetzt worden seien, sich bewährt und in vielen Fällen massive Schäden und großes Leid verhindert hätten. Klar sei: “Hundertprozentigen Schutz kann und wird es nie geben.”

In Fahrafeld im Triestingtal seien riesige Wassermassen durch neue Rückhaltebecken abgefangen worden, das untere Kamptal habe gehalten, Hofstetten-Grünau (Bezirk St. Pölten) habe sich bewährt, “aber auch viele kleinere Becken und Bachaufweitungen haben geholfen”, so Pernkopf. Dazu kämen die massiven Schutzausbauten an im Jahr 2002 noch meterhoch überschwemmten Donaugemeinden. Bis 2040 werde eine weitere Milliarde Euro investiert.

An der Perschling hatte ein gebrochener Damm für Überflutungen im Tullnerfeld gesorgt. Pernkopf sagte auf APA-Anfrage, dass der Damm sofort saniert werde. Das Bundesheer lege eine rund 250 Meter lange Faltstraße auf, um schweres Gerät einsetzen zu können. “Dann starten unmittelbar die Bauarbeiten, die behördlich angeordnet werden”, so der Landesvize. In Zusammenarbeit von Feuerwehr, Bundesheer und Spezialfirmen werden Spundwände auf einer Länge von 200 Metern in den Boden gerammt und von hinten mit “Big Bags” abgestützt. Danach soll das Loch trockengelegt, gestopft und der gesamte Damm stabilisiert und saniert werden. “Artenschutz endet dort, wo der Menschenschutz anfängt”, betonte Pernkopf in der Diskussion um eine durch die Donau-Kahnschnecke verzögerte Damm-Sanierung.

Für den Wiederaufbau der zerstörten Regionen werde es nicht nur einen nationalen, sondern sogar einen “europäischen Schulterschluss” brauchen, sagte Mikl-Leitner in Tulln. Das Land bietet ab sofort auch einen Versicherungsschutz für freiwillige Helferinnen und Helfer in Niederösterreich an. Menschen, die eine ehrenamtliche Tätigkeit außerhalb von Vereinen ausüben, “sind ab heute automatisch und kostenlos versichert”, so Mikl-Leitner. Das landesweite Versicherungsprodukt, das nach einer Ausschreibung bei der Niederösterreichischen Versicherung beauftragt wurde, bestehe aus einer Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Unfallversicherung.

Als “gewaltig” bezeichnete Verkehrslandesrat, LH-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) in einer Aussendung die Schäden an der Straßeninfrastruktur in Niederösterreich. Intensiven Aufräumarbeiten würden schrittweise Verkehrsfreigaben folgen. “Wir öffnen dort, wo es die Verkehrssicherheit erlaubt.” Der NÖ Straßendienst arbeite mit aller Kraft an der Wiederherstellung der Straßeninfrastruktur. So sei mittlerweile etwa die Sperre der B3 von Krems nach Persenbeug aufgehoben worden, ebenso die der B33 im Abschnitt Melk – Aggsbach Dorf.

“Der Gesamtschaden ist derzeit nur schwer abzuschätzen”, sagte Straßenbaudirektor Josef Decker. Es liefen intensive Begutachtungen, “um das genaue Ausmaß von Unterspülungen, Erdrutschen und Brückenschäden zu verifizieren”.

Lenker, die Transporte und Aufräumarbeiten infolge der schweren Unwetter im Bundesland durchführen, sind von den Lenk- und Ruhezeiten ausgenommen, informierte Landbauer zudem. Die Regelung gilt rückwirkend mit 13. September und bis 12. Oktober.

In Niederösterreich waren am Donnerstag auch mehr als 1.100 Soldatinnen und Soldaten, unter ihnen 140 Pioniere aus Salzburg, eingesetzt, um Schäden zu beseitigen und bei Aufräumarbeiten zu helfen. Zudem wurden laut Verteidigungsministerium 100 Pioniere aus der Steiermark in Marsch gesetzt. Hubschrauber des Bundesheeres transportierten demnach bisher 670 “Big Bags” mit einem Gesamtgewicht von mehr als 1.000 Tonnen, um gebrochene Dämme zu stopfen und vor dem Brechen zu sichern.

In St. Pölten standen nach Angaben des Rathauses die Stadtteile Pottenbrunn, wo u. a. drei Großpumpen im Einsatz waren, Ochsenburg und Harland im Mittelpunkt der Aufräumarbeiten, die “nach und nach systematisch bewältigt” würden. Die Feuerwehren in der Landeshauptstadt wurden am Donnerstag von zwei Katastrophenhilfszügen aus Neunkirchen unterstützt. Das Seenareal bleibt bis auf weiteres gesperrt.

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