Jubiläumsausgabe der Sensibilisierungskampagne

Muttersein ist in Südtirol immer noch mit Tabus verbunden

Donnerstag, 02. Mai 2024 | 16:54 Uhr

Ritten – In Zusammenarbeit mit mehr als zwei Dutzend Partnerorganisationen bearbeitet das Haus der Familie zum zehnten Mal in Folge jeweils in der Zeit vor dem Muttertag tabuisierte Themen rund um das Elternsein. Die Jubiläumsausgabe der Sensibilisierungskampagne MutterNacht im Mai 2024 bricht mit dem traditionellen Mutterbild in Südtirol und steht unter dem Motto „Mama will nicht mehr.“

Am 11. Mai findet am Rathausplatz in Bozen von 10.00 bis 13.00 Uhr der Aktionstag statt: Dabei wird ein Buch mit Texten von Müttern vorgestellt, findet eine Diskussion mit Müttern und Fachmenschen statt und erklären die Beteiligten, was im System geändert, wie Geschlechterrollen aufgebrochen werden müssen und welche Anerkennung es braucht, damit Mütter nicht zunehmend an und über ihre Grenzen kommen. Bei einer Pressekonferenz am 2. Mai in Bozen haben Projektleiterin Astrid Di Bella, der Direktor des Haus der Familie Elmar Vigl, Landesrätin Rosmarie Pamer, die Vorsitzende der Kammer der Hebammen Sara Zanetti, die Koordinatorin der Fachstelle Familie im Forum Prävention Christa Ladurner, der Geschäftsführer der Arbeitegemeinschaft der Jugenddienste AGJD Karlheinz Malojer und Mitglieder des Perkussionsensembles „Sissamba“ den heurigen Aktionstag am 11. Mai vorgestellt.

Mütter sehen sich enormen gesellschaftlichen Erwartungen ausgesetzt. Nach wie vor herrscht in Südtirol ein traditionelles Mutterbild, das mit zusätzlichen Aufträgen ausgestattet wurde: So sollen Mütter möglichst rund um die Uhr verfügbar sein, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, die Kinder fördern, unterstützen und gleichzeitig selbst beruflich und ehrenamtlich vielfältig aktiv sein. Den Großteil der Fürsorgearbeit leisten nach wie vor Mütter – verbunden mit viel Arbeit, wenig Gerechtigkeit und geringer (monetärer) Wertschätzung.

Die Jubiläumskampagne MutterNacht 2024 möchte ein besonderes Bewusstsein für “Mental Load” schaffen, auf die täglichen unsichtbaren Anforderungen und Herausforderungen eingehen, die Frauen abarbeiten. Die Organisator:innen der MutterNacht wollen auf die Last des Organisierens, Planens und Sorgens um die Familie von Müttern hinweisen. Wenn Mütter müde und überfordert sind oder krank werden, geht es nicht um persönliches Versagen – es geht um eine gesellschaftliche Situation, um Kritik am System.

MutterNacht/Haus der Familie

Fürsorgearbeit darf nicht zum Nullkostentarif auf Mütter abgeschoben werden. Mütter dürfen nein sagen, müssen nicht für alles zuständig sein. Die Verantwortung und die Aufgaben sollen so verteilt werden, dass es gesund für alle ist. Das Kindeswohl gehört gesamtgesellschaftlich in den Mittelpunkt gerückt. Das traditionelle Bild der Mutter – gesellschaftlich, religiös oder kulturell bedingt – dient häufig der Aufrechterhaltung patriarchaler Strukturen und unterbindet die Gleichstellung zwischen Frau und Mann. Bisher von Männern dominierte Bereiche gehören in die Verantwortung genommen: Wirtschaft muss familienfreundlich werden; Väter sollen aktive Vaterschaft leben (können). Benötigt werden professionelle Betreuungsmöglichkeiten mit fairer Bezahlung. Fürsorgearbeit braucht Zeit und Wertschätzung – auch finanzielle, wie beispielsweise die Rentenabsicherung.

Mütter werden mit der MutterNacht am Tag vor dem Muttertag ermutigt, ihre Grenzen zu erkennen, sie zu kommunizieren und gemeinsam aktiv zu werden. Dabei werden auch Ressourcen und Anlaufstellen für professionelle Unterstützung vorgestellt. Offene Gespräche über Gefühle, Bedürfnisse und Erwartungen rücken in den Mittelpunkt. Es ist notwendig, familiäre Rollenverteilungen zu überdenken und eine gerechte Verteilung der familiären Aufgaben zu fordern.

Ein Buch mit persönlichen Geschichten und Erfahrungen soll Verständnis schaffen, zeigt Best-Practice-Erfahrungen auf, beleuchtet die täglichen Herausforderungen und berichtet davon, wie es anders geht. Der aktionstag zum zehnjährigen Jubiläum hat Protestcharakter. Die Diskrepanz zwischen den Ansprüchen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Realität sei tiefgreifend und spürbar erklärt Projektleiterin Astrid Di Bella. Der Direktor des „Haus der Familie“ erklärt: „Es ist an der Zeit, flexible Arbeitsmodelle zu fördern, die den unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht werden, sei es durch Home-Office-Möglichkeiten, Teilzeitarbeit oder andere flexible Arbeitszeitmodelle.“ Und es brauche die Väter. Ein erweitertes Netzwerk von qualitativ hochwertigen und flexiblen Kinderbetreuungseinrichtungen sei außerdem notwendig, um Eltern die benötigte Unterstützung zu bieten. Bezahlter Elternurlaub sollte Standard sein, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich um ihre Familie zu kümmern, ohne finanzielle Einbußen befürchten zu müssen.

Seit zehn Jahren MutterNacht

Jeweils zur MutterNacht erschien in den vergangenen zehn Jahren ein Buch. In den zehn Büchern haben fast 300 Menschen ihre Geschichten aufgeschrieben, Fotos eingereicht und Zeichnungen angefertigt. Sie haben sich damit verstärkt den Themen gewidmet, die sie bewegen und Tabus aufgebrochen. Aus dem Thema „Ungewollt kinderlos“ ist eine Selbsthilfegruppe unter der Leitung von Karin Planker entstanden, zu den Themen wurden verschiedene Fachtagungen im Haus der Familie abgehalten. Das Netzwerk „MutterNacht“ ist inzwischen eine starke und gut verbundene Gruppe.

Von: mk

Bezirk: Salten/Schlern

Kommentare

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10 Kommentare auf "Muttersein ist in Südtirol immer noch mit Tabus verbunden"


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Paladin
Paladin
Universalgelehrter
14 Tage 20 h

Eltern sein bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Dies sollte in der Tat für Mütter und Väter zu gleich so sein.  Wichtig ist sich aber auch der wohlbemerkt gemeinsamen Verantwortung bewusst zu sein. Kinder bedeuten Verantwortung. Verantwortung für ihr Wohlergehen, ihre Erziehung, kurzum ihr Leben. Leider gibt es sehr viele Menschen die immer mehr versuchen dieser Verantwortung zu entgehen, bzw. sie auf den Staat oder die Gesellschaft abwälzen zu wollen. Der Staat und die Gesellschaft sollen und müssen Eltern und ihre Kinder unterstützen. Unterstützung bedeutet aber nicht die Verantwortung komplett zu übernehmen.

N. G.
N. G.
Kinig
14 Tage 19 h

Vollkommen Recht.
Aber es gibt genauso das andere Extrem das glaubt sie müssten nur für ihre Kinder da sein da dies das Beste wäre. Auch das ist komplett falsch!
Wenn ichs schon höre… Man müsste die ersten Jahre zu Hause bleiben, Betonung man MÜSSTE. Wieviel Kinder denn bräuchten usw…. Unsinn! Es kommt auf das wie an und auf die Mischung zwischen, für die Kinder da sein aber sie auch los lassen!

Krotile
Krotile
Universalgelehrter
14 Tage 16 h

N.G. da bin ich leider nicht ganz deiner Meinung! Die Mischung zwischen da sein und los lassen ist wichtig; aber doch nicht in den ersten Jahren!!! Es hat wohl wenig Sinn, wenn Mama oder Papa zu Hause bleiben wenn sie dies einfach nicht möchten – da ist am wenigsten den Kindern geholfen! Hast du keine Lust, ok passt – aber “wenn ich schon höre” ist DEINE Meinung – ich bin überzeugt viele Frauen würden gern daheim bei den kleinen Kindern bleiben wenn es sich finanziell irgendwie ausgehen würde!

N. G.
N. G.
Kinig
14 Tage 5 h

@Krotile Ich kenne genauso viele Frauen die gerne ihr eigenes Geld verdienen möchten. Das einzige was die sich wünschen sind flexible Arbeitszeiten und Kinderkrippen. Denn beides wird nicht geboten und Plätze sind sowieso eher Mangelware.
Meine Erfahrung ist, kenne fast keine Frau die nicht arbeiten möchte und lieber bei den Kindern wäre. Dabei spielt Geld gar keine Rolle, sie möchten sich nicht auf Hausfrau und Muttet reduzieren lassen.

N. G.
N. G.
Kinig
14 Tage 20 h

Wie wahr! Südtirols Vorstellungen von Mutter sein, der damit verbundene Druck dem Frauen ausgesetzt sind ist altbacken und mittelalterlich. Wie sehr sich das äußert sieht nan an manchen Ausagen von Frauen, Müttern die das leider verinnerlicht haben und nicht wissen was Mutter sein eigentlich bedeutet denn nach außen hin erklären sie genau die Richtigkeit diese Vorurteile!

ebbi
ebbi
Kinig
14 Tage 18 h
Dieser Artikel zeigt das Dilemma auf, in denen sich die Gesellschaft heute befindet. Frauen sollen Kinder kriegen, arbeiten, den Haushalt wuppen, Partnerin und attraktiv sein und (und das wurde im Artikel vergessen) sich auch um die eigenen alternden Eltern kümmern. Und die Wirtschaft und die Politik und die Gesellschaft sollten, müssten…. Dieses Gerede haben wir ja mittlerweile schon Jahre, und was hat sich bisher geändert? NICHTS. Kleinkinder und Babys werden in kindliche Frühbetreuung gegeben (und nein, ich bin kein Fan davon), Mütter rackern sich weiter ab, bis zum Bourn-Out – und glaubt mir, es gibt einige die davon betroffen sind… Weiterlesen »
Krotile
Krotile
Universalgelehrter
14 Tage 16 h
ebbi – so seh ich das auch! Kinderkrippe werden aus dem Boden gestampft weil eine Familie heute mit einem einzigen einfachen Gehalt nicht mehr über die Runden kommt – Frau muss dazuverdienen! und sich um Haushalt und Kinder kümmern und dabei noch top aussehen! Hat man das Glück, dass sich das daheim bleiben ausgeht, heißt es “die tut nichts, ist nur daheim” . Dass sich Frau in diesem Fall um die Kinder selber kümmert während die anderen in der Krippe betreut werden zählt dann nicht! Betreut jemand in der Kita mein Kind ist das Arbeit – betreue ich es selbst,… Weiterlesen »
schnegge
schnegge
Superredner
14 Tage 16 h

@ ebbi und genau da sollte der staat mithelfen! migranten oder ” faule” die nicht arbeiten gehen wollen bekommen tagesgeld und beiträge aber eine mutter die jahrelang gearbeitet hat und zuhause bleibt um sich um den nachwuchs zu kümmern bekommt höchstens 2 jahre arbeitslosengeld. und dann fragt sich frau meloni und gefolge warum die geburtenrate jährlich sinkt!!!

N. G.
N. G.
Kinig
14 Tage 5 h

@Krotile Erstrns, Frauen müssen nicht alles unter einen Hut bringen, im besten Fall haben sie nen modern denkenden Partner mit dem sie das teilen können.. Zweitens, wenn 2 Betreuer 10-15 Kinder beaufsichtigen dann ist das für den Staat nun mal billiger als ne Frau dafür zu “bezahlen” das 1-3 betreut.
Auserdem, das alkes sunf vorgeschoben Gründe um erklähren zu eilkrn warum Frau kein Kind will. Dafür gibt es andere Gründe!

Homelander
Homelander
Universalgelehrter
14 Tage 5 h

Familie ist heute leider nicht mehr so, wie es früher war… Auch hier hat wieder die Politik auf kompletter Ebene versagt…

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