Die Bombenangriffe hinterlassen im Gazastreifen Spuren

UNO: Israel ignoriert Zivilisten und begeht Verbrechen

Mittwoch, 19. Juni 2024 | 15:42 Uhr

Von: APA/dpa

Israel hat im Gaza-Krieg nach Einschätzung des UNO-Menschenrechtsbüros beim Einsatz von präzisionsgelenkten Bomben nicht genügend auf die Schonung von Zivilisten geachtet. “Das Gebot, Mittel und Methoden der Kriegsführung so zu wählen, dass zivile Schäden vermieden oder zumindest so gering wie möglich gehalten werden, wurde bei der israelischen Bombenkampagne offenbar konsequent verletzt”, teilte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Mittwoch in Genf mit.

Menschenrechtsexpertin und Juristin Navi Pillay warf Israel Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter vor. Sie ist die Vorsitzende der vom Menschenrechtsrat eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission zur Lage in den von Israel besetzten Gebieten. Sie stellte dort am Mittwoch formell den Bericht der Kommission über die Lage in den Gebieten vor. Er war vergangene Woche veröffentlicht worden. Israel erlaube der Kommission keinen Zugang, sagte sie. Damit verletzte Israel das Recht von Opfern, auch in Israel, gehört zu werden, sagte sie.

In dem neuen Bericht über die Angriffe heißt es, Aussagen belegten, dass Israel den gebotenen Schutz von Zivilisten ignoriert habe. Das UNO-Büro zitiert etwa aus der israelischen Zeitung “Haaretz”, die im Oktober 2023 Aussagen eines Militärsprechers zitierte. Der sagte demnach, es würden zwar Genauigkeit der Ziele und das Ausmaß des Schadens abgewogen, aber “im Moment konzentrieren wir uns auf das, was den maximalen Schaden verursacht”. Ein anderer Vertreter der Streitkräfte, der sich an die islamistische Terrororganisation Hamas und die Bewohner des Gazastreifens wandte, sagte demnach: “Menschliche Bestien werden entsprechend behandelt. Israel hat eine totale Blockade über Gaza verhängt. Kein Strom und kein Wasser, nur Schäden. Ihr wolltet die Hölle, ihr werdet die Hölle bekommen.”

Das Büro hat sechs israelische Angriffe zwischen dem 9. Oktober und dem 2. Dezember 2023 im Gazastreifen untersucht. Es geht davon aus, dass dabei Bomben der Typen GBU-31, GBU-32 und GBU-39 zum Einsatz kamen, die durch Beton dringen und mehrere Etagen eines Gebäudes zerstören können. Damit seien Wohnhäuser, eine Schule, ein Flüchtlingslager und ein Markt angegriffen worden. Dabei seien mindestens 218 Menschen getötet worden. Bei einem Angriff mit vermutlich neun GBU-31-Bomben am 2. Dezember habe die Zerstörung einen Kreis mit 130 Metern Durchmesser betroffen. Darin seien 15 Wohnhäuser zerstört und 14 weitere beschädigt worden.

Nach dem Kriegsrecht, einem Teil des humanitären Völkerrechts, müssen zivile Einrichtungen bei Angriffen möglichst verschont werden. Wenn dort Kämpfer vermutet werden, muss abgewogen werden, ob die Schäden der eingesetzten Mittel nicht größer sein könnten als die erhofften Ziele. Es geht unter anderem um die Prinzipien der Unterscheidung, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit. Selbst, wenn sich einer oder mehrere Terroristen oder Beteiligte an den Massakern in Israel am 7. und 8. Oktober in einem Gebäude aufhielten, mache dies nicht eine ganze Nachbarschaft zum legitimen Ziel eines Angriffs, heißt es in dem Bericht. “Israels Methoden und Mittel, die es seit dem 7. Oktober im Gazastreifen einsetzt, einschließlich des umfangreichen Einsatzes von Explosivwaffen mit großflächiger Wirkung in dicht besiedelten Gebieten, haben nicht gewährleistet, dass sie wirksam zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden”, heißt es in dem Bericht. Es könne sich auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln.

Der Bericht kritisiert auch bewaffnete palästinensische Gruppen, die Projektile auf Israel abfeuern, die Zivilisten treffen können. Das UNO-Büro für Menschenrechte erinnert daran, dass militärisches Material oder Personen nicht in dicht bevölkerten Gebieten stationiert werden sollen.

Israel warf dem UNO-Menschenrechtsbüro wie schon oft eine antiisraelische Haltung vor. “Es besteht daher kein Zweifel daran, dass das einzige Ziel dieses thematischen Berichts darin besteht, Israel an den Pranger zu stellen und zu verurteilen, während die Hamas-Terroristen im Gazastreifen weiter geschützt werden”, hieß es in einer Stellungnahme der Botschaft in Genf. Israel bekämpfe Hamas und andere bewaffnete Gruppen, nicht die Zivilbevölkerung. Hamas verstecke sich aber absichtlich unter Zivilisten, um möglichst großen Schaden zu verursachen.

In der Aussprache über den Bericht der Untersuchungskommission zu den Vorgängen in den besetzten Gebieten überließ die israelische Botschafterin in Genf das Wort der Mutter einer Geisel. Meirav Leshem Gonens Tochter Romi (23) wurde am 7. Oktober von Terroristen in den Gazastreifen entführt. Sie warf der Kommission vor, sexuelle Gewalt gegen Entführte nicht genügend berücksichtigt zu haben. Alle sollten zusammen gegen Terroristen kämpfen, es müsse mehr für die Geiseln getan werden, sagte sie, und an die Adresse des Präsidenten des Rates: “Bitte helfen Sie mir, dass ich meine Tochter wieder in den Arm nehmen kann.”

Kommentare

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15 Kommentare auf "UNO: Israel ignoriert Zivilisten und begeht Verbrechen"


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N. G.
N. G.
Kinig
9 Tage 4 h

“… muss abgewogen werden, ob die Schäden der eingesetzten Mittel nicht größer sind als die erhofften Ziele”

Von Netanyahu wurde jedes Mal erklärt es wären Terroristen getötet worden. Ja, aber wieviele denn und wieviele im Verhältnis zu den zivilen Opfern.

Was in Israel passiert hat mit Verteidigung nichts zu tun!

josef.t
josef.t
Superredner
9 Tage 3 h

Wo Religionen regieren, werden immer die größten Verbrechen
an Menschen verübt !

N. G.
N. G.
Kinig
9 Tage 2 h

@josef.t Stimmt!

pfaelzerwald
9 Tage 43 Min

Eigentlich müsste sich die UNO auch mit den von Russland eingesetzten Bomben gegen die Zivilbevölkerung befassen. Warum das wohl nicht gemacht wird????

josef.t
josef.t
Superredner
8 Tage 21 h

Dort sind ja genug westliche amerikagetreue Talkshows die berichten
und Journalisten im Land unterwegs ?

Hustinettenbaer
8 Tage 17 h

@pfaelzerwald
“Eigentlich” hätte
– sich die UNO auch mit den von den USA eingesetzten Bomben gegen die Zivilbevölkerung befassen müssen.
– die US-Justiz so hart durchgreifen müssen, wie bei mörderischen Zivilisten.

Dann hätten die Vereinigten Staaten zwar auch den Korea-, Vietnam-, Afghanistan-, Anti-Terror-Krieg verloren. Aber mit einer relativ weißen Westen.

Frankreich in Algerien…

Das Wegschauen der UNO, die schmutzige West-Weste – nach WK II – reibt uns Putin genüsslich unter die Nase.

Frank
Frank
Universalgelehrter
8 Tage 7 h

@Hustinettenbaer Kleine Ergänzung, in Vietnam haben sie verloren, in Afghanistan faktisch auch.

Es ist ja schön und gut, daß seit Wochen keine Nachrichtensendung ohne die “russischen Gleitbomben” stattfindet, aber jede gelenkte Präzisionsbombe ist eine Gleitbombe, auch amerikanische, …, die in diversen Konflikten zum Einsatz kommen.

N. G.
N. G.
Kinig
8 Tage 6 h

@Hustinettenbaer

Doolin
Südtirol Fan
Ortler Nord

Würden eine Kritik in dieser Form weit von sich weisen wenn sie in Zusammenhang mit der Ukraine stünden und dich als Propagandist Russlands bezichtigen.

pfaelzerwald
8 Tage 6 h

@Hustinettenbaer
“Eigentlich”muss man den Eindruck haben, dass sich hier doch recht viele tummeln, die grundsätzlich (!) negativ zu Israel und/oder USA stehen.

Hustinettenbaer
8 Tage 4 h

@pfaelzerwald
Ja.
“Tummeln”, kritisieren, ist eine Sache, trollen eine andere.
Zur Zeit sehe ich überwiegend Pro-Israel, -Quästor, Anti-Putin-,-Ausländer, -Bären-Köder. Hab ich was vergessen ?
Egal. Angelziel ist:
1. negative Emotionen auslösen, 2. Streit eskalieren, 3. Mobben (lassen).

Hustinettenbaer
8 Tage 3 h

@N. G.
Ich wurde schon der dollsten Sachen bezichtigt: “Nazi” (Holländer), “verjudet” (mein Alter Herr), “Holländer” (Belgier), “Saufratz” (Lehrer), “rotgrünversiffter Gutmensch”…

Da kommt´s jetzt auch nicht mehr drauf an.

Aurelius
Aurelius
Kinig
9 Tage 1 h

Israel schießt schon lange über das Ziel hinaus

Tita-Nina
Tita-Nina
Grünschnabel
8 Tage 17 h

Abgesehen das im Krieg die Zivilbevölkerung am meisten leidet und Krieg allgm. Verurteilt werden muss, sollte man sich in der Gazaregion aber auch fragen wieviele der Kinder, Frauen, Alten sind von der Hamas als Schutzschilder missbraucht und dabei gestorben?

Dolomiticus
Dolomiticus
Universalgelehrter
8 Tage 6 h

Schon klar. Mit diesem blindwütigen Vorgehen verspielen sie sich viele Sympathien weltweit…

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