Von: mk
Bozen – In Europa nehmen die Keuchhusten-Infektionen beunruhigend zu. Das gilt auch für Südtirol. „Allein in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres hat Südtirols Sanitätsbetrieb mehr als 100 Fälle der hochansteckenden Krankheit verzeichnet“, sagt Dr. Giuliano Piccoliori, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. Der Arzt für Allgemeinmedizin beantwortet die wichtigsten Fragen zu Keuchhusten, gibt Ratschläge zur Vorbeugung und informiert über Behandlungs- und Impfmöglichkeiten.
Was ist Keuchhusten? Gibt es typische Symptome?
Keuchhusten – auch als Pertussis oder Stickhusten bekannt – ist eine sehr ansteckende Infektion der Atemwege, verursacht durch das Bakterium Bordetella pertussis. Die Krankheit verläuft in drei Stadien:
· Katarrhalisches Stadium: Es ähnelt einer Erkältung mit Symptomen wie Schnupfen, roten und tränenden Augen, Halsschmerzen, leichtem Husten und Fieber. Dieses Stadium dauert ein bis zwei Wochen. Bei sehr kleinen Kindern können kurze Atemaussetzer auftreten.
· Konvulsives Stadium: Intensiver und unkontrollierbarer Husten, verbunden mit Atembeschwerden, Erbrechen und bei kleinen Kindern möglichen Atempausen und blauer Hautfarbe. Dieses Stadium kann ein bis sechs Wochen oder länger dauern.
· Erholungsstadium: Beginnt normalerweise innerhalb von vier Wochen und zeigt eine allmähliche Verbesserung der Symptome. Hustenanfälle können jedoch noch viele Wochen oder Monate andauern.
Zu den schwerwiegendsten Komplikationen bei Keuchhusten gehören Entzündungen der Lunge, Ohreninfektionen und selten neurologische Störungen, die Krampfanfälle und Hirnschäden verursachen können. „Etwa ein Viertel der betroffenen Kinder entwickelt eine Lungenentzündung, was zu Atembeschwerden führt“, erläutert Dr. Giuliano Piccoliori.
Wie stark haben die Keuchhustenfälle in den letzten Jahren zugenommen?
2024 wird voraussichtlich das schlimmste Jahr für Keuchhusten seit 2016. Europaweit wurden 2023 über 25.000 Fälle registriert und in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 mehr als 32.000 Fälle – das ist ein Anstieg von mehr als dem Zehnfachen im Vergleich zu 2022 und 2021. Es gab auch 19 Todesfälle: elf bei Säuglingen, acht bei Über-60-Jährigen.
Italien registriert seit Jänner 2024 einen 800-prozentigen Anstieg der Spitalseinweisungen im Vergleich zum Vorjahr. Es mussten drei Todesfälle bei Neugeborenen verzeichnet werden – alle jünger als drei Monate. In Südtirol wurden in den letzten sechs Monaten mehr als 100 Infektionen gemeldet. „Dieser Anstieg ist alarmierend und zeigt eine Wiederkehr der Krankheit nach Jahren mit einer niedrigen Anzahl neu auftretender Erkrankungen. Das betont die Notwendigkeit, die Präventionsmaßnahmen zu verstärken und die Impfung gegen Keuchhusten in Südtirol voranzutreiben“, betont Dr. Giuliano Piccoliori.
Was sollten Eltern unternehmen, wenn sie vermuten, dass ihr Kind Keuchhusten hat? Was sollten Erwachsene beim Auftreten von Symptomen tun?
Eltern sollten mit ihren Kindern den Kinderarzt aufsuchen, Erwachsene sollten ihren Hausarzt konsultieren. „Der Arzt wird aufgrund der Symptome Keuchhusten vermuten. Die Diagnose erfolgt in den ersten drei bis vier Wochen mit einem Nasenabstrich und später mit einer Blutuntersuchung“, erläutert Dr. Piccoliori und betont, „dass es entscheidend ist, frühzeitig zu handeln, um die Symptome zu erkennen und die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.“
Welche Medikamente werden zur Behandlung von Keuchhusten verwendet?
„Bis heute gibt es keine spezifische Therapie für Keuchhusten. Antibiotika verändern den Krankheitsverlauf nur, wenn sie in den ersten zwei Wochen begonnen werden, ansonsten dienen sie nur zur Reduzierung der Ansteckungszeit“, erklärt Dr. Piccoliori. „Bei mit Antibiotika behandelten Personen endet die Ansteckungsgefahr etwa fünf Tage nach Beginn der Therapie, während sie bei unbehandelten Personen bis zu drei Wochen andauern kann“, fügt er hinzu. Um den Husten zu lindern, werden Hustensäfte verwendet. Zudem ist es wichtig, eine ruhige und feuchte Umgebung zu schaffen, um die Symptome zu lindern.
Wie wird Keuchhusten von Person zu Person übertragen?
„Beim Husten oder Niesen einer infizierten Person werden kleine, keimhaltige Tröpfchen in die Luft freigesetzt, die von anderen eingeatmet werden können. Zur Vermeidung einer Ansteckung sollten daher der Mund bedeckt und häufig die Hände gewaschen werden. In Gegenwart anderer Personen ist das Tragen einer Maske ratsam“, erklärt Dr. Giuliano Piccoliori. Dies ist besonders wichtig in geschlossenen oder überfüllten Räumen.
Warum ist die Impfung gegen Keuchhusten wichtig? In welchem Alter sollten die Impfungen und Auffrischungen erfolgen?
„Die Impfung ist das einzige Mittel, um sich und vor allem Säuglinge vor einer lebensgefährlichen Krankheit im ersten Lebensjahr zu schützen. Auch für Erwachsene ist der Schutz wichtig, da die Hustenanfälle sehr unangenehm und langanhaltend sind“, unterstreicht Dr. Giuliano Piccoliori. Der Keuchhusten-Impfstoff ist Teil des verpflichtenden Impfplans und wird ab dem zweiten Lebensmonat mit drei Dosen im ersten Jahr verabreicht, einer vierten Dosis im Alter von fünf Jahren und einer Auffrischung zwischen elf und 18 Jahren. Bei Erwachsenen sollten die Auffrischungen alle zehn Jahre zusammen mit dem Impfstoff gegen Tetanus und Diphtherie erfolgen. „Es ist ratsam, sich bei der Hausärztin/beim Hausarzt über die Impfmöglichkeiten zu erkundigen“, sagt Piccoliori.
Warum sollten sich Schwangere gegen Keuchhusten impfen lassen?
„Neugeborene, die ein hohes Risiko für schwere Komplikationen haben, sind bis zum zweiten Lebensmonat, wenn sie geimpft werden können, nicht vor der Infektion geschützt. Die Impfung der Mutter – etwa im siebten Monat und im dritten Trimester der Schwangerschaft – überträgt Antikörper über die Plazenta, die das Neugeborene in den ersten Lebensmonaten vor einer schweren Infektion schützen“, erläutert Dr. Giuliano Piccoliori, Arzt für Allgemeinmedizin und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.
Ist der Keuchhusten-Impfstoff dauerhaft wirksam?
„Im Gegensatz zu anderen Kinderkrankheiten ist die Immunität nach einer natürlichen Infektion oder Impfung nicht dauerhaft, sondern nimmt mit der Zeit ab“, sagt Dr. Piccoliori Daher sei es von größter Wichtigkeit, den Impfkalender und die ärztlich empfohlenen Auffrischungsimpfungen einzuhalten, um einen ausreichenden Schutz gegen die Krankheit zu gewährleisten, risikogefährdete Bevölkerungsgruppen zu schützen und die Ausbreitung der Krankheit einzuschränken.