Von: mk
Bozen – Ein Vierteljahrhundert ist nach dem Mord an Christian Waldner bereits vergangen. Der ehemaligen Landtagsabgeordnete, der am 17. Februar 1997 Reichrieglerhof bei Bozen leblos aufgefunden wurde, war durch fünf Schüsse getötet worden. Als wahrscheinliches Todesdatum wurde im Rahmen der folgenden Ermittlungen der 15. Februar festgesetzt. Nach mehreren aufsehenerregenden Prozessen ist sein ehemaliger Mitstreiter Peter Paul Rainer letztinstanzlich für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 20 und sechs Monaten Jahren verurteilt worden. Im Jahr 2013 wurde Rainer wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen. Der Mordfall zählt zu den eklatantesten in der Geschichte Südtirols.
Im Verfahren gegen Peter Paul Rainer kam es zu mehreren überraschenden Wendepunkten. Im Rahmen eines ersten dramatischen Verhörs – noch ohne Rechtsbeistand – gestand Rainer die Tat. Am nächsten Tag informierte er seine engsten Familienangehörigen jedoch, dass er unschuldig sei. Gleichzeitig führte er die Polizei zu seinem bei Sigmundskron im Wald versteckten Norinco-Jagdgewehr, das laut Staatsanwaltschaft die Tatwaffe war.
Kurz darauf bestätigte er in einem auf seinen Wunsch hin stattfindenden Fernsehinterview erneut, Christian Waldner ermordet zu haben. Als Grund gab Rainer an, dass er sein Maturadiplom gefälscht habe. Nach seiner ersten Verurteilung holte Rainer im Gefängnis von Trient die Matura nach.
Zu Beginn des Prozesses am Landesgericht Bozen widerrief Rainer sein Geständnis jedoch und beteuerte seine Unschuld, indem er sich als Opfer eines Geheimdienstkomplotts darstellte. Trotz allem wurde er vom Landesgericht Bozen am 11. August 1997 zu 22 Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, wobei der Umstand der Erpressung durch Christian Waldner als mildernder Umstand anerkannt wurde.
In zweiter Instanz sprach ihn das Oberlandesgericht Trient in Rahmen eines aufsehenerregenden Urteilspruchs am 2. Dezember 1998 wegen Mangels an Beweisen frei.
Im November 1999 ordnete das Kassationsgericht in Rom aufgrund einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bozen eine Wiederaufnahme des Verfahrens an. Am 20. Mai 2000 bestätigte das Oberlandesgericht Brescia „aus der Beweislage heraus, wegen der Geständnisse, die Details zutage brachten, die nur der Täter wissen konnte, und wegen eines erwiesenen Tatmotivs“ den erstinstanzlichen Schuldspruch des Bozner Landesgerichts.
Rainer, der in der Zwischenzeit im Ausland untergetaucht war, wurde von der österreichischen Polizei nach fast achtmonatiger Fahndung verhaftet und den italienischen Behörden ausgeliefert. Wenige Monate später schloss das Kassationsgericht den Fall endgültig ab, das Urteil war rechtskräftig.
Von den 20 Jahren und sechs Monaten saß Rainer effektiv 16 Jahre hinter Gittern ab. Grund waren ein Strafnachlass und eine Minderung der Haftstrafe wegen guter Führung. Vom Gefängnis aus versuchte er nochmals eine Revision des Prozesses vor dem Berufungsgericht in Triest zu erwirken.
Trotz mehrerer Urteile vor Gericht gestand Peter Paul Rainer seine Schuld nie ein. Wie die italienische Tageszeitung Alto Adige berichtet, hat er es auch nie für nötig befunden, der Familie des Opfers Schadenersatz zu leisten, obwohl dies gerichtlich so festgelegt worden war. Auch nach seiner Haftentlassung im Jahr 2013 hat sich daran nichts geändert.
Wie der Bruder von Christian Waldner kürzlich betonte, sitzt der Schmerz noch tief. „Wir denken jeden Tag an Christian. Wir haben keinen Jahrestag nötig. Der Mord an Christian bleibt eine offene Wunde, auch wenn 25 Jahre vergangen sind“, erklärt Rupert Waldner laut Alto Adige. Gemeinsam mit seiner Familie führt er die bekannte Privatklinik “Villa Melitta”.
Laut dem Bruder des Opfers habe Peter Paul Rainer auch nie Reue gezeigt. „Er hat uns nie kontaktiert, er hat nie auch nur ein Anzeichen gemacht, wenigstens die Absicht zu haben, die Entscheidung des Gerichts zu respektieren und unsere Familie zu entschädigen. Das sollte gesagt werden, auch wenn wir es nicht auf das Geld abgesehen haben“, erklärt Rupert Waldner.
Der Familie stünde laut Urteil eine Entschädigung von über 250.000 Euro zu. Allerdings haben die Angehörigen auf weitere rechtliche Schritte verzichtet, um das Geld einzufordern. „Vor Jahren haben wir lediglich Peter Paul Rainer gefragt, ob er uns ein Fünftel seines Verdiensts überweist, sobald er aus der Haft entlassen ist“, betont Rupert Waldner. Doch dies sei nie geschehen. Laut Alto Adige lebt Rainer heute in der Gegend von St. Pölten und gilt offiziell als mittellos.