Neue Forschungsergebnisse bestätigen Jahrhunderte altes Wissen

7.000 Schritte täglich gegen Depression

Samstag, 15. Februar 2025 | 10:12 Uhr

Von: mk

Bozen – Der Hirnforscher Sir John Eccles brachte es auf den Punkt, als er sagte: Es gibt zwei Wege zur Intelligenz – Sprache und Bewegung. Bei der Heilung seelischer Störungen geht man seit mehr als 100 Jahren den ersten Weg sehr konsequent: Sigmund Freud hat die Kur mit Worten, die Psychotherapie, über die ganze Welt verbreitet. Noch viel länger aber ist bekannt, dass Bewegung das Denken fördert, dass im Gehen Lösungen und Einfälle leichter kommen. Dies erklärt der Brixner Primar Roger Pycha, Italien-Koordinator der European Alliance Against Depression.

Die alten griechischen Philosophen benutzten dazu in der brütenden Hitze die Stoa, die schattige Wandelhalle, und die Schule der daraus entstehenden Denker nennt man Stoiker. Sie haben das römische Kaiserreich als Philosophen auf dem Thron und später das christliche Mittelalter so wesentlich geprägt wie keine andere Denkergemeinschaft, von Epiktet über Seneca bis Marc Aurel.

Fernöstliche Meditationstechniken haben seit Tausenden von Jahren Bewegungsmuster oder Haltungen aufgespürt, die Entspannung, Kraftaufnahme, Versenkung und Verschmelzung mit der Welt fördern. Daraus sind für uns als Teilnehmer der Leistungs- und Informationsgesellschaft Nischen entstanden, die wir nützen können, um aus der Hektik des Alltagslebens und aus dem sozialen Stress auszusteigen – zumindest zeitweise schafft man das über Yoga oder Qui Gong oder holotropes Atmen.

In der modernen Psychologie ist Bewegung eine Form der Kommunikation, die tiefer in den Menschen eindringt als Sprache es kann, wobei Sprache letztlich auch aus Bewegung von Zunge, Mundhöhle und Kehlkopf entsteht. Die Körpersprache eines Menschen ist ein sehr genauer Hinweis auf sein seelisches Befinden, und körperliche Übungen wirken unmittelbar auf das Seelenleben zurück. Im Ausdauersport macht man sich diese gegenseitige Beeinflussung zu Nutze, indem Bewegungsmuster die Gedanken und Ziele von Menschen ordnen, und die zielgerichteten Ideen das körperliche Durchhaltevermögen steigern. Marathonläufer entwickeln einen Ablauf, den sie sehr lange durchhalten können, und übertragen diese Zähigkeit auf das Ziel, 42 km ohne Pause zurückzulegen. Auch der Belastungssport arbeitet damit, dass untypische Bewegungen so gut eingeübt werden, dass damit außerordentliche Ziele erreicht werden können – beim Gewichtheben, Weitsprung oder Autorennen etwa.

Dass Bewegung die Welt verändert, wissen die Menschen auf der Bühne: Schauspieler, Tänzerinnen, Clowns bringen Menschen zum Staunen, Weinen und Lachen, weil Emotionen sehr leicht hervorgerufen werden, wenn man die Bewegung anderer Menschen beobachtet – das macht auch die große Faszination von Film und Fernsehen aus.

Die moderne Psychiatrie arbeitet mit kleinsten Bewegungsabläufen – unseren täglichen Schritten – und untersucht, wie wir damit dem größten Leiden der Menschheit, der Depression, begegnen können. Eine soeben im JAMA Network open publizierte Studie aus Spanien (Universidad Castilla – La Mancha) hat fast 100.000 Menschen untersucht, und Unglaubliches entdeckt: Mindestens 7.000 Schritte am Tag reduzieren deutlich das Risiko, an Depression zu erkranken, wenn es mehr sind, wird der Schutz noch stärker.

Smartphones haben diese Schrittzähler eingebaut, sodass jeder sich selbst leicht überprüfen und coachen kann, und notfalls einige Schritte zulegt, um das Ziel zu erreichen. Diese Schrittzahl fördert die Ausschüttung von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin im Gehirn, und verbessert die Stimmung. Depressiv Erkrankte leiden allerdings an Energiemangel und raffen sich kaum zu viel Bewegung auf. Auch da gibt die Studie Auskunft: Bereits ab 5.000 Schritte täglich sind positive Auswirkungen zu erwarten. In kleinen Schritten also zu größeren Erfolgen.

Bezirk: Bozen

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