Für Insta-Story das Leben riskieren

Alpen als Lunapark? – 19 Tote im Sommer in Südtirols Bergen

Freitag, 15. September 2023 | 08:05 Uhr

Von: mk

Bozen – Vom E-Bike-Boom bis hin zur Suche nach dem perfekten Fotomotiv für ein Selfie auf Instagram – neben klassischen Wanderern und Bergfreunden suchen immer mehr Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen in ihrer Freizeit nach Erholung und Abwechslung in der Höhe. Obwohl Südtirols Bergwelt durch ihre Schönheit besticht, hat der Trend aber auch Schattenseiten. Das zeigt sich unter anderem an der Zahl der tödlichen Bergunfälle.

Allein in den Sommermonaten Juni, Juli und August zählt die Südtiroler Bergrettung 19 Unglücksfälle in den Bergen, bei denen eine Person ums Leben gekommen ist, wie Präsident Giorgio Gajer Medien gegenüber erklärt. Auch die Zahl der Einsätze vom 1. Juni bis 13 September insgesamt ist von 530 im selben Vorjahreszeitraum auf 606 heuer angestiegen.

An erster Stelle stehen nach wie vor Ausflügler, die zu Fuß unterwegs sind und Hilfe benötigen. Doch E-Bike-Fahrer liegen ihnen dicht auf den Fersen. Viele empfinden die mittels Batterie erleichterte Fahrt zur Hütte oder auf den Gipfel zwar als angenehm, unterschätzen allerdings oft das Tempo, das an E-Bike bei der Abfahrt zurück ins Tal gewinnt. Gleichzeitig sind die E-Bikes nicht auf geteerten Straßen, sondern bestenfalls auf Forstwegen unterwegs, was zusätzliche Beherrschung erfordert. Häufig lohnt es sich deshalb, gemeinsam mit erfahrenen Bergradlern unterwegs zu sein.

Zwar können auch bei Wanderungen zu Fuß oder Exkursionen auf dem Klettersteig erfahrene Menschen ums Leben kommen, doch nicht selten sind gerade jene Personen in Unfälle verwickelt, die ihre Kräfte überschätzen oder die schlecht ausgerüstet sind. Klassisches Beispiel: Badeschlappen und Sandalen auf einer Höhe von über 2.000 Metern.

„Viele nutzen das Internet als einzige Quelle, um sich vor einem Ausflug über ihr Ziel zu informieren und glauben sie, selbst die unwegsamsten Orte erreichen zu können“, erklärt der Präsident der Bergrettung im Trentino, Walter Cainelli. Er spart dabei auch nicht mit Kritik am Tourismusmarketing im Trentino. „Das Marketing ist ansprechend, es werden die schönsten Gipfel gezeigt, was auch richtig ist. Doch das bedeutet nicht, dass all diese Ort für jeden erreichbar sind.“ Die Landschaft mag für ein Foto im Netz zwar perfekt sein, doch auf dem Weg dorthin sollte man es vermeiden, das eigene Leben zu riskieren. Es brauche ein Bewusstsein über die eigenen Grenzen und Demut. „Wer wenig Erfahrung hat, sollte sich vor einer Tour an einen Experten wenden“, so Cainelli

Dass die sozialen Netzwerke und Smartphones unser Verhalten in den Bergen beeinflussen, zeigt nicht nur Suche nach dem perfekten Motiv für ein Selfie auf Instagram und Co, die viele antreibt. Immer öfter erleben Bergretter, wie Schaulustige einen Rettungseinsatz mit dem Handy filmen, um daraus dann etwa eine Story für Instagram zu basteln und diese zu veröffentlichen. „Es hat immer mehr den Anschein, dass der Berg zum Lunapark wird“, gibt Cainelli zu bedenken. Viele hätten das Bedürfnis, ihre alpinen Erfahrungen in den Social Medias quasi in Echtzeit zu teilen.

Wie Gajer erklärt, treffe dies sowohl auf den Sommer als auch auf den Winter zu: „Wir setzen unterdessen unsere Präventionskampagne fort, um zu erklären, wie man den Berg meistert, wie man Routen plant, wie wichtig es ist, Wetterberichte und Schwierigkeitsgrade zu berücksichtigen und mit der passenden Ausrüstung ausgestattet zu sein.“ Bleibt nur zu hoffen, dass es auch bei den Betreffenden ankommt.

Bezirk: Bozen