Von: apa
Die inzwischen schon fast zur Gewohnheit werdenden laufenden Wärmerekorde spiegeln sich auch in den heimischen Gletschern wider: Von 93 beobachteten Gletschern haben von 2022 auf 2023 bis auf einen alle an Länge verloren. Und das Ende des “Ewigen Eises” ist absehbar: “In 40 bis 45 Jahren wird Österreich weitgehend eisfrei sein”, sagte Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geografie und Raumforschung an der Universität Graz am Freitag bei einem Mediengespräch.
Den traurigen Rekord gab es im Vorjahr bei der vermutlich bekanntesten Eiszunge des Landes, der Pasterze am Fuß des Großglockners: Hier wurde ein Schwund von 203,5 Metern gemessen, wie aus dem aktuellen Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) hervorgeht. Die 203 Meter bedeuten einen Verlust von 14,03 Millionen Kubikmeter Eis, das wäre ein Würfel mit einer Kantenlänge von 241 Metern – fast die Höhe des Donauturms in Wien (252 Meter). Seit 1850 hat die Pasterze bereits eine Länge von rund drei Kilometern verloren. Und noch in diesem Jahrzehnt werde die Zunge abreißen, sagte Kellerer-Pirklbauer voraus.
Im Durchschnitt haben sich die 93 Gletscher im vergangenen Beobachtungsjahr um 23,9 Meter zurückgezogen, das ist der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte der Messungen des Alpenvereins. Noch stärker war der Rückzug 2021/22 mit 28,7 Metern und 2016/17 mit 25,2 Metern, das heißt, alle drei Höchstwerte wurden in nur sieben Jahren registriert. Der österreichweite Verlust an Eismasse betrug 2022/23 rund 600 Millionen Kubikmeter, das wäre ein Würfel mit einer Kantenlänge von 843 Metern, sagte Kellerer-Pirklbauer, der gemeinsam mit Gerhard Karl Lieb den ÖAV-Gletschermessdienst leitet.
Auch wenn der durchschnittliche Schwund vor einem Jahr höher war als im aktuellen Bericht, gab es damals keinen einzigen Gletscher, der 100 Meter oder mehr schrumpfte, 2022/23 waren es hingegen zwei: neben der Pasterze in Kärnten mit ihrem Rekordrückzug von über 200 Metern auch der Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen in Tirol mit 127 Metern. Unter den traurigen Top Ten befinden sich gleich neun Gletscher auf Tiroler Gebiet, und vier davon in den Ötztaler Alpen.
Das Ende der Gletscher in Österreich ist nach Angaben der beiden Experten nicht mehr zu verhindern. “Das System ist zu träge. Es müsste schon seit Jahren wieder erste positive Massebilanzen geben. Hier geht nichts mehr”, sagte Lieb. Tatsächlich gab es seit Mitte der 1980er-Jahre keine Gletschervorstöße mehr. Auch restriktive Klimaschutzmaßnahmen kämen bereits zu spät. Auf globaler Ebene hingegen sei noch etwas zu erreichen.
Alpenvereins-Vizepräsidentin Nicole Slupetzky forderte heute dennoch einen Schutz der Gletscher “ohne Wenn und Aber” ein. “Der alpine Raum steht permanent unter Druck, etwa durch neue Skilifte oder Zusammenschlüsse von Skigebieten. In Österreich sind nur mehr sieben Prozent der Landschaft unberührt, und die müssen wir uneingeschränkt schützen.” Lieb ergänzte:” Es geht darum, die Biodiversität zu erhalten, da gehören die Gletscher dazu.” Neben der Artenvielfalt nannte er auch noch den Aspekt der Sicherheit, denn Gletscher würden das steile Gelände teilweise abstützen.
Der Gletschermessdienst des ÖAV beobachtet seit 133 Jahren das – doch nicht – “Ewige Eis” in Österreich und misst die Längenänderungen. An einigen Gletschern werden zusätzlich Messungen der Fließgeschwindigkeiten und der Oberflächenhöhenveränderung durchgeführt, die ebenfalls eine massive Abnahme der Höhe des Eises und der Bewegungsgeschwindigkeiten zeigen. Den beiden Leitern Gerhard Karl Lieb und Andreas Kellerer-Pirklbauer wurden für den Gletscherbericht 2022/23 von 24 “Gletschermessern” 19 Berichte aus 17 Teilgebieten in 12 Gebirgsgruppen vorgelegt. Die Messungen fanden von 14. August bis 12. Oktober 2023 statt.