Stand auf der Bozner Messe

Aufklären über Depression

Montag, 06. November 2023 | 15:59 Uhr

Von: mk

Bozen – Ein 250 Quadratmeter großer Bereich der Bozner Messe ist vom Südtiroler Gesundheitsbetrieb angemietet. Ungefähr ein Zehntel dieser Ausstellungsfläche ist der wichtigsten Krankheit der Welt gewidmet: der Depression. Es ist das Netzwerk psychischer Gesundheit, das heuer erstmals die vielen Besucher der Bozner Messe auch mit diesem schwierigen Thema konfrontiert. Und das Ganze ist kein Zufall: Seit 20 Jahren ist die Europäische Allianz gegen Depression unter der Leitung von Psychiatrieprimar Roger Pycha in Südtirol nachhaltig tätig.

2004 trat das Land ihr bei. Sie ist ein internationales Netzwerk aus Modellregionen in ursprünglich 16 europäischen Staaten. Die Organisatoren erhielten für fünf Jahre 30 Prozent Finanzierungen aus Brüssel und 70 Prozent aus Bozen mit dem Ziel, die Lage der Menschen, die an Depressionen leiden, zu verbessern und suizidale Handlungen zu verhindern. Das war eindrücklich in Nürnberg gelungen. Dort sanken Suizide und Suizidversuche zusammengenommen um 32 Prozent im Verlauf von drei Jahren Intervention. Die Interventionen waren viele und fanden gleichzeitig auf vier Ebenen statt: Die Ausbildung von Fachleuten, die Schulung von Schlüsselpersonen (wie Lehrern, Pfarrern, Polizisten, Journalisten, Altenpflegern), Angebote für die Risikogruppe wie Telefonberatungsdienste und Selbsthilfegruppen, und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit (siehe Grafik).

Dieser letzte Teil gelang mit der Wanderausstellung moderner Kunst „Das erschöpfte Selbst“ in den vier großen Krankenhäusern Südtirols, mit einer Plakataktion in vielen Gemeinden Südtirols jeden Herbst und jeden Frühling und mit Broschüren zum Thema in den drei Landessprachen besonders gut. Die SchirmherrInnen waren die Spitzensportlerin Antonella Bellutti, Altlandeshauptmann Silvius Magnago, Schiweltmeister Gustav Thöni und die Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Zahllose Vorträge in den Dörfern, davon viele zusammen mit Betroffenen, ergänzten die Initiative. Der Bischof und der Regierungskommissär unterstützten sie.

Die Universitäten von Hamburg und Innsbruck evaluierten den Erfolg und fanden am Ende in der Südtiroler Bevölkerung einen ausgezeichneten Kenntnisstand zur Krankheit Depression und ihrer Behandlung. Befragt wurden dabei auch sensible Berufsgruppen, bei denen man sich gerne ausweint, wie Frisöre und Barkeeper. Sie erwiesen sich tatsächlich als besonders befähigt, Depressionen zu erkennen. Vor allem aber entstand durch horizontale Vernetzung eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Psychiatrien, Hausärzten und Apothekern, mit der Verwaltung, mit Schule und Kirchen, mit den Medien, den Telefonberatungsstellen und der Selbsthilfe. Dieses Netzwerk bestand ohne jedes Budget, nur auf Idealismus gegründet, in bescheidener Weise nach dem Ende der Finanzierung fort. Es wurde 2017 durch die Sozialgenossenschaft EOS neu belebt und 2020 vom Südtiroler Gesundheitsbetrieb übernommen. in letzter Zeit gehen vor allem die Projekte „Gesunde Gemeinde, gesunde Psyche“, und „Gesunde Psyche, gesundes Land“ auch auf die diskret arbeitende Allianz gegen Depression zurück.

Depression kann jeden treffen. Aber jeder Mensch kann sich auch dagegen wehren. Auf der Bozner Messe werden Besucher spielerisch aufgefordert, das zu tun. Auf Tafeln sollen sie Antworten auf Fragen wie „Wem habe ich heute eine Freude gemacht?“ oder „Wo habe ich heute Energie getankt?“ geben. Und mit einer Erdnuss können sie Achtsamkeit üben – sie betrachten, berühren, schälen, riechen, kauen. Das Hier und Jetzt mit allen Sinnen auskosten und bejahen. Beides hilft gegen Depressionen, tut aber auch Menschen gut, die damit überhaupt nichts am Hut haben.

sabes

Bezirk: Bozen