Von: mk
Bozen – Rund um Weihnachten und Silvester nehmen sowohl Alkoholkonsum als auch depressive Verstimmungen zu. Das wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von HANDS aus mehr als 40-jähriger Erfahrung. Der Verein HANDS begleitet jährlich in ganz Südtirol rund 1.500 Menschen mit Alkohol-, Medikamenten- und Glücksspielproblemen. Die mit zu viel Alkohol verbundenen sozialen Probleme, die klinischen Pathologien von schädlichem Konsum, die negativen Folgen von missbräuchlichem Verhalten, die damit zusammenhängenden Abhängigkeiten und Risiken seien allgemein bekannt, sagt die HANDS-Mitarbeiterin Marcella Minotti. Doch der Alkoholkonsum mache in den Weihnachtsfeiertagen keinen Urlaub – im Gegenteil. Die Festtage wirken sich nicht nur auf alkoholabhängige Menschen negativ aus, sondern auf die gesamte Bevölkerung.
Über Weihnachten und Neujahr steigt der Alkoholkonsum um 29 Prozent, Depressionen nehmen um 25 Prozent zu. Acht von zehn Menschen in Italien geben an, während der Weihnachtsfeiertage einigermaßen oder extrem gestresst zu sein; sechs von zehn Italienern berichten von Angstsymptomen. Jede zehnte Person, die die Polizei während der Weihnachtsfeiertage 2022 auf Alkohol getestet hat, wurde in Italien positiv getestet, 60 Prozent dieser positiv Getesteten waren jünger als 27 Jahre. 9,7 Prozent der Verkehrsunfälle sind auf Alkohol zurückzuführen. Die Strafen wegen Trunkenheit am Steuer machten im Jahr 2022 genau 36 Prozent aller Gesamtstrafen aus. In Südtirol gehört die Zahl der Einweisungen in die Notaufnahme aufgrund von alkoholbedingten Problemen im Vergleich zu anderen italienischen Provinzen zu den höchsten.
Marcella Minotti ist Psychologin und Psychotherapeutin in der HANDS-Ambulanz in Bozen. „Die Weihnachtstage sollten eigentlich Freude und Gelassenheit mit sich bringen“, sagt sie. Doch werden diese Tage schnell zu einer schwierigen, stressigen und potenziell riskanten Zeit. Die HANDS-Mitarbeiterin nennt verschiedene Gründe, die über Weihnachten zu erhöhtem Alkoholkonsum führen können. Besonders schwierig seien zwei Umstände, die zwar unterschiedlich und dennoch eng miteinander verknüpft sind: Einerseits geht es um das soziale und gesellige Umfeld der Weihnachts- und Neujahrstage; andererseits empfinden Menschen Einsamkeit, Melancholie, Stress und Traurigkeit. Gesellschaftliche Anlässe und Zusammenkünfte nehmen während der Festtage zu. Die Konsumschwelle von Alkohol steigt. Es wird als „normal“ betrachtet, ein paar mehr Gläser Wein, Bier oder Spirituosen zu trinken. Daneben werden Menschen mit dem „Weihnachtsblues“ konfrontiert, auch „Weihnachtsdepression“ genannt.
„Es handelt sich dabei um eine Störung, die Traurigkeit, Angst, Schlaflosigkeit, Weinkrämpfe, negative Gedanken und Anhedonie mit sich bringt“, erklärt Marcella Minotti. Mit Anhedonie ist der Verlust der Fähigkeit gemeint, in Situationen Freude zu empfinden, die früher Freude bereitet haben. Die Wahrnehmung dieser negativen Gefühle und der damit verbundene Stress veranlassen Betroffene oft dazu, alkoholische Substanzen als Betäubungsmittel und Selbstmedikation zu verwenden. Der Teufelskreis verstärke sich, erklärt die Psychologin und Psychotherapeutin: „Ich trinke, weil ich mich schlecht fühle. Ich fühle mich schlecht, weil ich trinke.“
Nicht vergessen werden sollten in dieser Zeit jene Menschen, die sich wegen Alkoholabhängigkeit in Behandlung befinden und während der Weihnachtsfeiertage mit Gefühlen wie Scham, Unzulänglichkeit, Einsamkeit, Angst, Unsicherheit und unerfüllbaren Erwartungen kämpfen. Marcella Minotti erklärt: „Alkoholabhängige Menschen müssen mit dem sozialen Druck umgehen, Alkohol zu konsumieren und mit den damit einhergehenden inneren und äußeren Stressfaktoren fertig werden, die sie schnell zu einem Rückfall in den Alkoholkonsum treiben.“
Die HANDS-Mitarbeiterin nennt Tipps, die Menschen den Umgang mit Alkohol, Partys und Weihnachtsblues erleichtern und unterstützend wirken sollen, die Weihnachtszeit mit einer angemessenen, gesunden und richtigen Einstellung zu bewältigen.
Das Einmaleins gegen zu viel Alkohol in der Weihnachtszeit
Zunächst sollte man sich auf einen mäßigen und verantwortungsvollen Alkoholkonsum (ein Glas pro Mahlzeit) konzentrieren. Dabei kann man sich die Risiken und negativen Folgen eines übermäßigen oder missbräuchlichen Konsums bewusst machen (gesundheitliche Probleme, akute Alkoholvergiftung, Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer, Streit in der Familie und anderes mehr).
In den kleinen Alltagsdingen sollte man zudem mehr Fürsorge für sich selbst übernehmen. Hilfreich sind weiters das Befolgen eines gesunden Lebensstils und das Beibehalten einer positiven, konstruktiven innere Einstellung.
Das gelingt unter anderem, indem man persönliche Erwartungen und gesellschaftlichen Druck reduziert. Man sollte sich selbst im Positiven wie im Negativen akzeptieren und versuchen, die Weihnachtsferien so zu leben, wie man es selbst möchte, und nicht nach dem, was von außen an uns herangetragen wird.
Kleine Momente zu genießen, erhöht das Wohlbefinden ebenfalls. Gleichzeitig sollte man die eigenen Emotionen annehmen, auch wenn Sie traurig oder melancholisch sind. Man muss sich deshalb nicht schlecht fühlen oder danach streben, fröhlich zu scheinen, um dem Kontext zu entsprechen.
Wer an gesellschaftlichen Ereignissen teilnimmt, sollte dabei die eigenen Grenzen respektieren und lernen, Nein zu sagen zu dem, was einem unangenehm ist.
Stärkend wirkt auch, wenn man in der Gegenwart verweilt und Gedanken an die Vergangenheit beiseitelegt. Verlorenes sollte man aufgeben und Ängste vor der Zukunft und vor dem los, was passieren könnte, loslassen.
Alkoholische Getränke lassen sich oft durch alkoholfreie Getränke und andere Alternativen ersetzen. Man kann auch neue Wege zum Feiern finden und neue Symbole und Rituale für sich selbst, für und mit en Lieben, Freundinnen und Freunden entwickeln.