Anglizismen vermeiden, aber Lebendigkeit zulassen – ein Kommentar

Bitte nicht übertreiben!

Donnerstag, 20. April 2023 | 02:40 Uhr

Von: ka

Rom – Ein Gesetzesvorstoß von Fratelli d’Italia, der das Italienische vor Anglizismen schützen soll, lässt in Italien die Wogen hochgehen. Fabio Rampelli, Parteikollege von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der sich seit jeher darum bemüht, die Staatssprache vor einem Übermaß von zumeist aus dem Englischen stammenden Fremdwörtern zu schützen, möchte Übertretungen in Zukunft hart bestrafen lassen.

Auf den ersten Blick stimmt die Richtung. Viele Menschen, darunter auch viele Südtiroler, nehmen Anstoß daran, dass ihre Muttersprache – darunter besonders in der Wirtschafts- und Geschäftswelt – immer häufiger mit englischen Fremdwörtern wie „Marketing“, „Meeting“, „Human Resources“, „Customer Service“ oder „Business Partner“ und ähnlichen Begriffen durchsetzt ist. Hinzu kommen Anglizismen, die aus der Politik – wie etwa „Jobs Act“ – oder den „Socials“ stammen.

Jene, die viel im Netz unterwegs sind, stoßen oft auf Wörter wie unter anderem „Influencerin“ oder „posten“. Richtig interessant wird es dann für die einsamen Herzen, die „online“ einen neuen Partner oder auch nur ein sexuelles Abenteuer suchen. Ihre „Mobile-Dating“-Seite fest im Blick, hoffen sie auf ein „Match“. Die, die weniger gefallen, werden einfach „weggeswiped“. Wer Pech hat, wird nach einem kurzen Zusammensein einfach „geghostet“.

Facebook/Fabio Rampelli

Kurz, eine Ansammlung munter zusammengewürfelter Anglizismen kann nicht nur jeden Text unlesbar machen, sondern auch zur Verarmung der Muttersprache – ganz gleich, ob Deutsch oder Italienisch – führen. Auf der anderen Seite ist ein maßvoller Einzug von Fremdwörtern unerlässlich, um eine Sprache lebendig zu halten. Dazu genügt die Betrachtung, wie viele ursprünglich lateinische, griechische und auch aus dem Orient stammende Begriffe im Laufe der letzten Jahrhunderte das Deutsche und das Italienische im wahrsten Sinne des Wortes befruchtet haben. Selbst einige aus dem Deutschen stammende Wörter wie „Blitzkrieg“ und „Hinterland“ haben ihren Weg nach Italien gefunden. „Fare blau“ hingegen ist ein aus dem Deutschen stammender typischer Begriff, den nur hierzulande lebende Italiener kennen.

Diese wenigen Wörter, die lange Zeit brauchten, um Eingang in die andere Sprache zu finden, stehen heute aber einer echten Flut von Anglizismen gegenüber. Um einer Überflutung fremdartiger, aber anscheinend „cooler“ Begriffe entgegenzuwirken, ist es daher besser, auf Anglizismen möglichst zu verzichten.

Dies sollte aber ein gemeinsam verfolgtes Vorhaben der Muttersprachler und der von ihnen gelesenen Medien sein und nicht eine von einem Gesetz auferlegte Pflicht, die im Falle der Nichtbeachtung Strafen von bis zu 100.000 Euro vorsieht. Die Absicht des Gesetzesvorstoßes von Fratelli d’Italia mag nobel sein, aber man kann es auch übertreiben.

 

Bezirk: Bozen