Von: mk
Bozen – Der 35-jährige Youssupha Sall ist Asylwerber in Bozen. Die Flüchtlingsunterkunft, in der er untergebracht ist, wird vom Volontarius und der Sozialgenossenschaft River Equipe betreut. Ursprünglich stammt Youssupha Sall aus dem Süden Senegals in der Casamance – einem Gebiet, um das sich mehrere Machtfraktionen streiten, wo Korruption regiert und der Boden von Landminen verseucht ist. Nach Europa wollte er allerdings vor allem, um seinem Bruder zu helfen.
Youssupha Sall hat Sprachen studiert, ist verheiratet und hat drei Kinder. In seinem Land hat er Arbeit im IT-Bereich gefunden und Computer und Handys repariert. Sein Bruder Omar, der eigentlich nur sein Halbbruder ist, sieht auf dem linken Auge nichts und ist taubstumm. Nachdem ihr gemeinsamer Vater gestorben war, fingen die Probleme an. Auch auf dem rechten Auge hatte Omar plötzlich mit Sehproblemen zu kämpfen.
Aufgrund seiner Beeinträchtigung hatte Omar nie eine Schule besucht und arbeitete zeitweise als Maurer und Tischler. Die beiden Brüder verständigen sich mittels Gesten. Weil sie in Spanien Verwandte haben, planten sie ursprünglich, dorthin zu gelangen – in der Hoffnung, dass Omar bei den Verwandten Unterstützung und Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung findet.
Über Burkina Faso ging es über die Republik Niger nach Libyen und von dort schließlich nach Italien. Unter anderem war die Fahrt durch die Wüste äußerst beschwerlich. 26 Menschen waren auf einen Pickup gepfercht, der Fahrer hielt nur an, wenn er müde war, und es gab wenig zu essen und zu trinken. „Allein hätte es mein Bruder nicht geschafft“, erklärt Youssupha. Dann die gefährliche Überfahrt über das Meer.
Als die Brüder in Italien angekommen sind, wickelten sie sofort alle Formalitäten ab, um nach Spanien zu gelangen. Doch die Bürokratie ist die träge. In der Zwischenzeit erhielt Omar allerdings ärztliche Versorgung. Mittlerweile sieht er auf dem rechten Auge wieder gut.
In Bozen fühlt sich Youssupha wohl. Er hat die Sprache gelernt und auch Informatik-Kurse auf der Universität absolviert. Er besteht darauf, sich zu bedanken und erwähnt ausdrücklich die Namen von Andres Pietkiewicz von Volontarius, Anna Maria Molin vom Verein „Scioglilingua“ und Silvia Golino von der Caritas.
Laut Aussagen der Ärzte wäre Omar ohne ärztlichen Eingriff in ein paar Monaten völlig erblindet. Jeden Tag schickt Youssupha über WhatsApp ein Foto an seine Familie. Sein Heimweh ist groß. Eines Tages möchten die beiden Brüder in den Senegal zurückkehren. In der Zwischenzeit arbeiten sie als Freiwillige in der Flüchtlingsunterkunft und helfen Neuankömmlingen, sich zurechtzufinden.
„Ich sage ihnen immer, wie wichtig es ist, die Sprache zu lernen und die Schule zu besuchen. Das sollte Pflicht sein. Wir erhalten Essen und ein Dach über den Kopf, um den Rest müssen wir uns selbst kümmern: lernen, arbeiten, sich korrekt verhalten“, betont Youssupha. Bald werden er und sein Bruder nach Spanien aufbrechen, Italien verlässt Youssupha mit einem Gefühl der Dankbarkeit.