Von: ka
Bozen – Wenige Fernsehserien wurden in Südtirol so sehr mit Kritik überhäuft wie die RAI-Krimiserie Brennero. “Brennero” wird vorgeworfen, einer “Siamo in Italia”-Mentalität Vorschub zu leisten und von Südtirol ein verzerrtes Bild zu vermitteln. Je tiefer jedoch der Zuseher in die Krimiserie eintaucht, desto bewusster wird ihm, wie stark und mutig “Brennero” ist.
Die nur auf den ersten Blick eiskalte, aber eigentlich feinfühlige Staatsanwältin Eva Kofler, die von Elena Radonicich gespielt wird, und der in Ungnade gefallene, aber glasklar denkende Hitzkopf Paolo Costa, dessen Rolle Matteo Martari wie ein maßgeschneiderter Anzug sitzt, suchen eigentlich nach dem “Monster von Bozen”, müssen aber bald erkennen, dass die blutige Spur mehrerer Morde mit dem Tod eines italienischen Soldaten zusammenhängt, dessen Sohn auf Rache sinnt. Eva und Paolo sind zwei gegensätzliche, scharf gezeichnete Charaktere, die Ecken und Kanten zeigen, sich in ihrer Ermittlungsarbeit aber perfekt ergänzen.
Bei näherem Hinsehen fällt bald auf, dass in der im dunklen Stil bekannter nordischer Krimiserien wie Kommissarin Lund – Das Verbrechen und Die Brücke – Transit in den Tod gedrehten Krimiserie “Brennero” weder die Italiener noch die Südtiroler gut wegkommen. Fast alle Protagonisten stecken sklavisch im tiefen Morast einer nie ganz verheilten Vergangenheit fest, von der sie Jahrzehnte später wieder eingeholt werden.
Der gewaltsame Tod eines italienischen Soldaten, der in den 60er-Jahren bequemerweise den “BAS-Terroristen” in die Schuhe geschoben wurde, entpuppt sich als feiger Mord, der in einer Heereskaserne von einem Leutnant begangen wurde. Das in einer italienischen Krimiserie zu zeigen, ist überhaupt nicht selbstverständlich, sondern überaus mutig.
Dass die vom ermordeten Soldaten schwangere Südtirolerin von ihrer Familie gezwungen wurde, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen und es wegzugeben – “Ich durfte es nicht einmal sehen” – wirft ein bezeichnendes, aber ehrliches Bild auf die damalige Zeit. Der vertuschte “Unfalltod” eines Homosexuellen und Greenwashing – in unserem Fall die versuchte Unterdrückung von Umweltuntersuchungsergebnissen – runden das Bild einer gelungenen Krimiserie ab.
Wer “Schönwetterserien” und einfache Filme liebt, in denen Gut und Böse fein säuberlich getrennt sind und die einen die anderen jagen, bis sie sie zur Strecke bringen, findet genug Auswahl. “Brennero” will all das nicht sein. Die RAI-Krimiserie deckt erbarmungslos die Vergangenheit auf und brennt daher sowohl Italienern als auch Südtirolern unter den Fingernägeln. In “Brennero” haben alle – selbst Eva und Paolo – Dreck am Stecken.
Die letzten Aufnahmen sind jedoch versöhnlich und öffnen die Sicht auf ein Land, das dazu bereit ist, die bösen Geister seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Dass die RAI-Krimiserie so unkonventionell ist und keine ausgetretenen Pfade benutzt, dürfte ihr Erfolgsgeheimnis sein. Es lohnt sich, sie im Streaming auf Raiplay anzusehen.
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