Jede dritte Ehe geht in die Brüche

Cartabia-Reform: Das müsst ihr bei einer Scheidung nun beachten

Dienstag, 14. März 2023 | 07:00 Uhr

Von: mk

Bozen – Rund eine von drei geschlossenen Ehen geht in Südtirol mittlerweile in die Brüche. Die Dauer der Ehen beträgt laut Daten des ASTAT im Durchschnitt 17 Jahre. Mit der Reform von Ex-Justizministerin Marta Cartabia, die am 1. März in Kraft getreten ist, sollen Scheidungsverfahren vereinfacht werden. Dies bestätigt auch Rechtsanwältin Isabel Brunner, die Präsidentin der lokalen Sektion der Nationalen Beobachtungsstelle für Familienrecht in Südtirol ist. Im Interview mit Südtirol News erklärt sie, worauf man in Zukunft bei Scheidungen achten muss.

Südtirol News: Welche Neuerung beinhaltet die Cartabia-Reform für Trennungen und Scheidungen?

Isabel Brunner: In erster Linie hat die Cartabia-Reform die Verfahrensbestimmungen für alle Familienrechtsverfahren vereinheitlicht, was die Arbeit vereinfacht. In den strittigen Verfahren müssen die Parteien nun bereits bei der Einleitung des Verfahrens sämtliche Anträge und die diesbezüglichen Beweismittel vorbringen. Das heißt, der Richter hat bereits bei der ersten Verhandlung ein nahezu vollständiges Bild der familiären und vermögensrechtlichen Situation der Partner. Gleichzeitig mit der Trennung kann nun auch die Scheidung beantragt werden, wobei für die Behandlung des Scheidungsantrags das Trennungsurteil rechtskräftig sein muss und die gesetzlichen Fristen (sechs Monate ab der einvernehmlichen Trennung, zwölf Monate ab der gerichtlichen Trennung) abgelaufen sein müssen.

Neuigkeiten gibt es ja auch bei den Kindern.

Die minderjährigen Kinder werden durch die Reform mehr in den Mittelpunkt gestellt: Sie werden vom Gericht angehört, wenn sie das zwölfte Lebensjahr vollendet haben, aber auch, wenn sie jünger und zur Meinungsbildung fähig sind. Außerdem kann der Richter den Minderjährigen von Amts wegen einen Sonderkurator zur Seite stellen bzw. die minderjährigen Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Ernennung eines solchen zur Wahrung der eigenen Rechte und Interessen beantragen.

Wie bewerten Sie die Neuerungen?

Dadurch, dass der Richter bereits bei der ersten Verhandlung eine nahezu vollständige Kenntnis der Situation der Parteien hat, wird er in vielen Fälle imstande sein, eine Entscheidung ohne eine weitere Beweisaufnahme zu treffen, was klarerweise mit weniger Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Der Nachteil besteht darin, dass die Anwaltskosten für die Parteien in der Anfangsphase nun höher sein werden, da die Einleitung des Verfahrens, verbunden mit dem Vorbringen sämtlicher Anträge und Beweise, einen hohen Arbeitsaufwand mit sich bringt.

Wie schaut die Situation in Fällen aus, bei denen nur ein Partner die Trennung will?

Daran hat sich durch die Cartabia-Reform nichts geändert. Will nur ein Partner die Trennung bzw. Scheidung, kann er jederzeit den Antrag bei Gericht einbringen.

Sehen Sie bei der Umsetzung der Reform in Südtirol Probleme?

Wir haben das Glück, dass die Familiensektion am Landesgericht Bozen effizient und zügig arbeitet. Wie bei jeder Reform kann es anfänglich zu Verzögerungen kommen, aber in der Regel ist es lediglich eine Frage von Zeit, bis sich der übliche Arbeitsrhythmus wieder einstellt.

Trotzdem wird eine “Scheidung in 24 Stunden” in der Realität wohl nicht möglich sein?

Im Falle eines einvernehmlichen Antrags sieht das Gesetz die Festsetzung einer Verhandlung für das persönliche Erscheinen der Parteien (die auch in schriftlicher Form abgehalten werden kann) und die Weiterleitung der Akte an den Staatsanwalt für dessen Stellungnahme vor. Infolge der Verhandlung wird das Verfahren zur Entscheidung einbehalten, und es ist noch die notwendige Zeit für das Abfassen und die Hinterlegung des Urteils hinzuzufügen. In einem strittigen Verfahren hingegen sind die Zeiten noch länger, da zwischen der Hinterlegung des Antrags und der ersten Verhandlung ein Zeitraum von 90 Tagen liegt. Wie gesagt, infolge der Reform kann der Richter bereits bei der Erstverhandlung das Verfahren zur Entscheidung einbehalten, da ihm ein Großteil der Beweismittel vorliegt. Für die Hinterlegung des Urteils sind jedoch weitere 60 Tage vorgesehen. Sollte der Richter hingegen der Ansicht sein, weitere Beweismittel aufnehmen zu müssen, kann sich das Verfahren über Monate – wenn nicht Jahre – hinausziehen. Kurzum, es wird in keinem Fall möglich sein, ein Urteil in 24 Stunden zu erhalten. Auch in einem einvernehmlichen Verfahren wird ein abschätzbarer Zeitraum von einigen Monaten (in der Regel zwischen zwei und vier) notwendig sein.

Falls man eine Scheidung anstrebt: Worauf sollten die Betroffenen nach Inkrafttreten der Reform besonders achten?

Für die Betroffenen hat die Cartabia-Reform eine nicht unwesentliche Änderung in Bezug auf die Offenlegung der vermögensrechtlichen Situation der Partner eingeführt: Die Parteien müssen im Fall von Unterhaltsanträgen nicht nur mehr die Steuererklärungen, sondern die gesamte Dokumentation betreffend das Vermögen – so z.B. auch die Kontoauszüge – der drei vorausgegangen drei Jahre hinterlegen. Vor der Reform war ein Antrag an den Richter für die Offenlegung notwendig, wenn die andere Partei die Unterlagen nur teilweise vorlegte. Dies gilt auch für die Trennungen und für die Verfahren betreffend außerhalb der Ehe geborene Kinder.

Bezirk: Bozen