Von: mk
Bozen – Nach dem Corona-Skandal beim Fleischbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in Güterloh steigt auch bei uns die Unsicherheit. Rund sechs Prozent des Schweinefleisches in Südtirol stammt vom deutschen Großschlachter.
Südtiroler Konsumenten fragen sich, ob man Tönnies-Fleisch bedenkenlos verzehren kann oder ob die Gefahr besteht, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.
Grundsätzlich geben die Virologen Entwarnung. Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor Hygienezentrum Bioscientia beschrieb gegenüber RTL das Risiko, sich durch Fleisch anzustecken als vernachlässigbar, da diese „eher über Atemwege und Aerosole übertragen“ werden.
Auch die Ernährungswissenschaftlerin Sabine Klein, die bei der Verbraucherzentrale NRW für das Thema Fleisch zuständig ist, hält den Verzehr des Fleisches aus Tönnies-Betrieben in Rheda-Wiedenbrück für „unbedenklich“.
Der Epidemiologe Timo Ulrichs rät hingegen zu Vorsicht. Gegenüber RTL erklärte er: „Die Gefahr bei einer Kontamination von Oberflächen, also auch von den Oberflächen des hergestellten Fleisches, ist natürlich gegeben, weil man weiß, dass das Virus sich auf Oberflächen länger halten kann.“ Er warnt davor, das Fleisch roh zu verzehren.
Über 1.550 Mitarbeiter infiziert
Nachdem sich über 1.550 Mitarbeiter eines Schlachthofs des Fleischverarbeiters Tönnies mit dem Virus infiziert hatten, zog das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen Konsequenzen aus dem größten einzelnen Corona-Ausbruch in Deutschland. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet verhängte am Dienstag einen Lockdown über den gesamten Kreis Gütersloh mit rund 370.000 Menschen.
Schnell wurde auf die oft prekäre Wohnsituation der Billiglöhner aus Osteuropa hingewiesen, die für den Betrieb arbeiten und sich mit zu vielen Kollegen viel zu kleine Wohnungen teilen.
Überproportional viele der Infizierten arbeiten außerdem in den sogenannten Zerlegehallen – also den stets gekühlten Hallen, in denen das Fleisch zerteilt wird. Offenbar stellen diese Hallen einen sehr guten Nährboden für das Virus dar.
Virologe Prof. Dr. Friedemann Weber von der Justus-Liebig-Universität in Gießen sagte im Gespräch mit dem WDR, in solchen Fleischverarbeitungsbetrieben sei das Klima optimal für eine Übertragung des Virus: „Die Luft ist runtergekühlt, die Leute arbeiten unter Stress und nah beieinander, man schreit sich auch mal an.“
Dadurch gelangen besonders viele Atemtröpfchen in die Luft. Die sich bildenden Aerosole könnten sich laut derzeitiger Annahme des Robert-Koch-Instituts in geschlossenen Räumen länger in der Luft halten als im Freien.
Untersuchungen zufolge wirken sich die niedrigen Temperaturen auch auf die Lebensdauer der Viren vorteilhat aus. Das Virus überlebt demnach in den fast auf Kühlschrank-Temperatur heruntergekühlten Hallen länger als bei höheren Temperaturen.
Trägt Klimaanlage Mitschuld?
Der Corona-Ausbruch im Fleischbetrieb Tönnies könnte auch auf die Luftkühlung im Zerlegebetrieb zurückgehen, schreibt tagesschau.de.
Hygiene-Experte Martin Exner vom Universitätsklinikum Bonn erklärte auf einer Pressekonferenz, dass seiner Einschätzung nach die Klimaanlage in der Schweinezerlegung eine besondere Rolle spielt. Um für die nötige Lebensmittelhygiene zu sorgen, würden die Räume, in denen Mitarbeiter die Tiere zerlegen auf etwa sechs bis zehn Grad gekühlt.
Die Luft aus der Schweinezerlegung werde in einer Klimaanlage aus Hygienegründen gekühlt und wieder in den Raum zurückgeleitet, ohne aufbereitet und ohne mit ausreichend Frischluft angereichert zu werden.
Falls ein Mitarbeiter erkrankt ist und das neuartige Coronavirus in die Luft gelangt, wird es demnach durch die Klimaanlage breit in der Arbeitshalle verteilt. Mögliche Aerosole, also feinste Tröpfchen, über die Viren übertragen werden, würden so in Bewegung gehalten.