Symptome, Risiken und Prävention

Corona-Sommer 2024: Anstieg der Fallzahlen auch in Südtirol

Donnerstag, 18. Juli 2024 | 11:00 Uhr

Von: Ivd

Bozen – Seit einigen Wochen steigen die Corona-Infektionszahlen in ganz Europa wieder an. Prof. Dr. Christian Wiedermann, Forschungskoordinator des Südtiroler Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health, erläutert die Hintergründe und gibt wichtige Empfehlungen, wie man sich und andere im Sommer 2024 schützen kann.

Gründe für den Anstieg der Corona-Zahlen

Der derzeitige Anstieg der Corona-Zahlen ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Neue, ansteckendere Virusvarianten verbreiten sich schneller. Viele Menschen haben ihren Impfschutz nicht aufgefrischt – das erhöht die Anfälligkeit. Sommerliche Tätigkeiten und größere Veranstaltungen mit Menschenansammlungen fördern zudem die Verbreitung des Virus.

„Wir erleben derzeit eine Corona-Sommerwelle. Ähnliche Entwicklungen wurden in anderen Regionen beobachtet, wo Sommeraktivitäten und Reisen die Ausbreitung fördern. Auch in Südtirol tragen diese Faktoren zur Zunahme der Corona-Infektionen bei“, betont Prof. Dr. Christian Wiedermann, Ex-Primar für Innere Medizin am Krankenhaus Bozen, Klinischer Pharmakologe und Koordinator der Forschungsprojekte des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen.

Wenig Interesse an Corona trotz zunehmender Infektionen

Trotz steigender Fallzahlen ist das öffentliche Interesse an Corona schwach ausgeprägt „Nach über drei Jahren Pandemie sind viele Menschen diesbezüglich müde und betrachten das Virus als Teil des normalen Alltags. Diese Normalisierung führt dazu, dass die Bedrohung weniger ernst genommen wird. Zudem hat die Verfügbarkeit von Impfstoffen und einer wirksamen Behandlung das Gefühl der Sicherheit erhöht, weshalb viele glauben, gut geschützt zu sein und ein geringes Risiko für eine schwere Erkrankung zu haben“, sagt Wiedermann.

Corona-Symptome im Sommer 2024

Seltsame Kopfschmerzen, Müdigkeit und Fieber können auf COVID-19 hinweisen, haben aber auch andere mögliche Ursachen. „Diese Symptome ähneln oft Erkältungs- und Grippeviren, sodass Hausärzte abwägen, ob ein Corona-Test nötig ist“, erklärt Prof. Wiedermann. „Paxlovid wäre ein wirksames Mittel für Risikopatienten in den ersten fünf Tagen der Infektion. Aber schon während der Corona-Pandemie wurde es nicht in gewünschtem Maße genutzt“, unterstreicht Wiedermann allerdings.

Neue Corona-Varianten

In diesem Sommer zirkulieren mehrere neue COVID-19-Varianten, besonders die Flirt- und KP.3-Variante. „Die Flirt-Variante, erstmals in den USA identifiziert, verbreitet sich schnell weltweit und verursacht mildere bis moderate Symptome“, erläutert Wiedermann. Die KP.3-Variante zeigt eine hohe Übertragungsrate und ähnliche Symptome wie frühere Omikron-Varianten. Beide Varianten führen zu einem schnelleren Anstieg der Infektionszahlen. „Obwohl die Symptome oft mild bleiben, ist Wachsamkeit, insbesondere für Risikopatienten, wichtig“, unterstreicht Prof. Christian Wiedermann.

Zuverlässigkeit der Corona-Tests bei neuen Varianten

Die Flirt- und die KP.3-Variante scheinen weniger gut von den aktuellen Antigen-Schnelltests erkannt zu werden, was zu einer höheren Anzahl falsch-negativer Ergebnisse führen kann. „Das heißt, dass eine Corona-Infektion trotz eines unauffälligen Testergebnisses vorliegen kann“, erklärt Prof. Wiedermann. Dies macht vermehrte PCR-Tests notwendig, um genaue Diagnosen stellen zu können.

Impfschutz und Auffrischungen

Die durch Impfung und Infektion erworbene Immunabwehr aus den letzten Jahren bietet weiterhin einen guten Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen.

„Auffrischungsimpfungen sind notwendig, um den Schutz aufrechtzuerhalten und zu optimieren, besonders für gefährdete Gruppen“, betont Wiedermann. Personen, deren letzte COVID-19-Impfung oder -Infektion mehr als sechs Monate zurückliegt, sollten sich angesichts der derzeitigen Sommerwelle schützen und ihre Impfung auffrischen lassen. „Wie der Südtiroler Sanitätsbetrieb unlängst bekannt gegeben hat, sind COVID-19-Schutzimpfungen weiterhin möglich“, informiert Wiedermann. Interessierte können sich an ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin wenden, die sie bei der Impfentscheidung unterstützen. Weitere Informationen zu Impfstellen und Terminen erhalten Bürger beim Sanitätsbetrieb.

Prävention für den Sommer 2024

„Der Sommer erhöht die Risiken für die Verbreitung von COVID-19“, sagt Wiedermann. Um sich und andere zu schützen, sollten die Impfungen auf dem neuesten Stand gehalten werden.

„Bei Erkältungs- oder Grippesymptomen ist es wichtig, daheim zu bleiben und eine Maske zu tragen, wenn das Haus verlassen werden muss“, empfiehlt Wiedermann. Masken sollten in geschlossenen und schlecht belüfteten Räumen sowie bei großen Menschenansammlungen genutzt werden. „Treffen im Freien oder in gut belüfteten Innenräumen reduzieren das Infektionsrisiko erheblich. Regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren sind einfache, aber effektive Maßnahmen zur Verringerung einer Infektion“, betont Wiedermann, der darauf hinweist, Besuche bei gefährdeten Personen zu vermeiden, wenn man selbst krank ist. Nötigenfalls sollten vor dem Besuch oder beim Auftreten von Symptomen Antigen- oder PCR-Tests durchgeführt werden.

Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion

COVID-19 verändert das Immunsystem auch lange nach der Krankheit. Langzeitfolgen, auch bekannt als Long Covid, sind zu vermuten, wenn Symptome zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion weiterhin bestehen oder neu auftreten. Schwere akute Infektionen, Vorerkrankungen und höheres Alter erhöhen das Risiko für Langzeitfolgen.

„Eine aktuelle Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass Menschen, die sich von COVID-19 erholt haben, noch Monate später weniger Immunzellen und andere Wachstumsfaktoren im Blut aufweisen. Diese Veränderungen könnten erklären, warum einige Menschen Long-Covid-Symptome haben. Die Forscher denken, dass das Virus das Knochenmark, das Immunzellen produziert, langfristig schädigen kann“, erklärt Prof. Wiedermann.

Die Vogelgrippe – eine neue Herausforderung?

Laut Prof. Wiedermann hat Südtirols Gesundheitssystem wichtige Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen und Strukturen etabliert, um auf Gesundheitskrisen der (nahen) Zukunft schnell und effektiv reagieren zu können.

„Unser Gesundheitswesen ist heute besser auf potenzielle Pandemien vorbereitet als noch 2020. Die Einführung von Notfallplänen, die Verbesserung der Krankenhauskapazitäten und die ständige Fortbildung des medizinischen Personals tragen dazu bei, Südtirol pandemieresistenter zu machen“, sagt Wiedermann. Die derzeitige Ausbreitung des Vogelgrippevirus H5N1 auch unter Milchkühen in den USA erfordere ständige Wachsamkeit: „Bisher haben keine leichten Übertragungen von Mensch zu Mensch stattgefunden, aber veterinärmedizinische Kontrollen sind entscheidend, um eine weitere Verbreitung der Vogelgrippe zu verhindern“, erklärt Prof. Wiedermann. In der EU – und damit auch in Südtirol – wurden hygienische Maßnahmen verstärkt, um die Ausbreitung des Virus unter Tieren zu kontrollieren und so das Mutationsrisiko und indirekt die Übertragungen auf den Menschen zu verhindern.

Bezirk: Bozen