Schweres Zugunglück in Bozen

Darum haben sie die Gleise überquert – 26-Jähriger für hirntot erklärt

Mittwoch, 08. November 2023 | 16:37 Uhr

Von: mk

Bozen – Ein Zugunglück am Dienstagabend in Bozen hat für Schlagzeilen gesorgt. Zwei Marokkaner, die die Bahngleise überquerten, wurden auf der Höhe der Gobetti-Straße gegen 21.00 Uhr von einem Schnellzug Freccia Rossa erfasst und schwerstens verletzt. Bei beiden handelte es sich um Obdachlose.

Wie die Vereinigung Bozen Solidale mitteilt, sind die beiden Männer Mohammed und Awad. Während Mohammed in Lebensgefahr schwebte, ist der Gesundheitszustand von Awad zwar ernst, aber nicht kritisch. Beide wurden ins Bozner Krankenhaus gebracht. Mohammed ist inzwischen von den Ärzten für hirntot erklärt worden. Für ihn gibt es kaum noch Hoffnung.

Der Unfall hat sich nur in geringer Entfernung zum Kälteschutzzentrum im Ex Alimarket ereignet.

Mohamed hat sich an die Vereinigung bereits vor rund einen Monat gewandt. Er wollte nicht mehr auf der Straße schlafen, er hatte Angst und fürchtete sich vor der Kälte. Der Verein konnte für ihn nicht viel tun. Immerhin wurden den jungen Marokkaner ein Zelt und Lebensmittel aufgetrieben.

Mohammed und Awad hatten Unterschlupf im Dickicht auf der anderen Seite der Zuggleise gefunden, bevor es zu dem Unglück kam. „Mohammed ist ein weiteres Opfer der schlechten Aufnahmebedingungen in Südtirol“, kritisiert Bozen Solidale. Personen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, würden im Stadtzentrum nicht geduldet.

Mohammed stand seit Wochen auf der Warteliste des Kälteschutzzentrums. „Die Liste ist lang und umfasst 100 bis 200 Personen“, erklärt der Verein. Also habe er sich gemeinsam mit Awad in der Zwischenzeit „unsichtbar“ gemacht. „Im Stadtzentrum hätte ihnen die Räumung ihres Lagers gedroht oder sie wären von Aasgeiern fotografiert worden, die lediglich Aufmerksamkeit suchen“, schreiben die Vertreter von Bozen Solidale.

Der Verein warnt seit Monaten davor, dass rund 100 Obdachlose die Nächte im Freien verbringen würden – auch jetzt, wenn es kälter wird. Seit Jahren habe man nach langfristigen Einrichtungen verlangt. Auch die Entscheidung, im Gebäude in der Pacinottistraße in Bozen im ehemaligen Sitz des Inpdap eine außerordentliche Notunterkunft einzurichten, sei dem Verein zufolge viel zu spät gefallen. Bereits im Dezember 2022 ist in Bozen ein junger Obdachloser aus Ägypten erforen.

Der Verein bemängelt, dass Obdachlose in Südtirol zu wenig Unterstützung erfahren. Gleichzeitig würden Rechtsparteien fremdenfeindliche Kampagnen auf dem Rücken von Migranten austragen. Auch die Entscheidung, ein Abschiebezentrum in Südtirol zu errichten, kritisiert der Verein.

Im Einsatz standen bei dem Unfall zwei Notarzteinsatzfahrzeuge des Weißen und Roten Kreuzes, die Feuerwehr, drei Rettungstransportwagen, die Eisenbahnpolizei sowie die Staatspolizei, die die Ermittlungen aufgenommen hat.

Der Zugverkehr wurde durch den Unfall unterbrochen und konnte erst gegen 22.30 Uhr wieder aufgenommen werden. Während Awad 35 Jahre alt ist, hat Mohammed erst am 5. November seinen 26. Geburtstag gefeiert.

Bezirk: Bozen