Weltalzheimertag

Demenz: Scham und Isolation weiterhin an der Tagesordnung  

Mittwoch, 20. September 2023 | 07:14 Uhr

Von: luk

Bozen – Am Welt-Alzheimertag versucht der Verein “Alzheimer Südtirol” (ASAA) aufzurütteln und erinnert, dass Demenz weiterhin mit Scham und Isolation einhergeht.

Im Rahmen des diesjährigen Welt-Alzheimertages organisiert der Verein Alzheimer Südtirol ASAA ab 15.00 Uhr in der Melitta Klinik Bozen einen Informationsnachmittag zur Stärkung der Lebensqualität bei der Betreuung von Demenzkranken zu Hause.

“Und es werden immer mehr! Rund 13.000 Menschen mit einem Trend nach oben. Wir nehmen zudem beunruhigende Entwicklungen auch schon bei jüngeren Semestern wahr. Denn die Fakten liegen auch in Südtirol auf der Hand: Die richtige Pflege bei Demenz ist eine komplexe Herausforderung. Denn das besondere Krankheitsbild, kann sich je nach Art und Stadium der Erkrankung sehr unterschiedlich äußern. Mit dem Fortschreiten der Demenz treten dabei immer mehr Einschränkungen auf, die jeweils gezielte Unterstützung erfordern. Aufgrund der Rückmeldung unserer Mitgliederfamilien werden circa 80 Prozent der Betroffenen Zuhause versorgt. 40 Prozent der rund 10.500 Fälle im Land von ihnen sogar bis zu ihrem Lebensende. Pflegepersonen sind zu zwei Dritteln die Ehepartner und zu einem Drittel geschieht es über Generationen hinweg (hier pflegen meist die Töchter bzw. Schwiegertöchter). Häufig werden die eigenen Emotionen und Bedürfnisse zurückgestellt um für das erkrankte Familienmitglied da zu sein. Denn trotz aller emotionalen und körperlichen Belastung, pflegen viele Angehörige bis zur eigenen Erschöpfung. Vielen fällt es schwer, Hilfe einzufordern oder anzunehmen”, so ASAA.

“Wegen der Eingebundenheit in die tägliche Versorgung und aus Scham über das Verhalten der Betroffenen, ziehen sie sich häufig aus ihren sozialen Kontakten und gesellschaftlichen Unternehmungen zurück und geraten in die Isolation”, fügt Präsident Ulrich Seitz hinzu. Das seien besorgniserregende Tatsachen. “Wir werden uns daher als Verein noch mehr wie bisher mit den Anliegen der Betroffenen auseinandersetzen”, betont Seitz. “Sehr frustrierend ist für mich derzeit mitanzusehen, dass die Pflegenden Angehörigen von allen Parteien im Lande im Wahlkampf einfach ‘weggeschwiegen’ werden. Sie haben keine Lobby, obwohl das Potential da wäre. Leider wird oft vergessen, dass wir uns schon lange nicht mehr nur um die Vereinbarkeit von Beruf  und Kinderbetreuung, sondern vielmehr ebenso um die Abstimmung von Beruf und Pflege daheim kümmern sollten.” Traurig genug, so Seitz, sei der Umstand, dass die Hälfte der Pflegenden während der Pflege psychisch oder physisch selbst erkrankt. Informationen, Beratung, Selbstpflege, emotionale Entlastung und soziale Unterstützung seien deshalb dringend notwendig. “Dabei sind Angehörige die Experten und Expertinnen für ihre eigene Situation. Denn nur sie wissen, wie sich ihre Betreuungssituation anfühlt. Empathie und Wertschätzung helfen dabei mehr als vorschnelle Urteile. Angehörige brauchen keine Bevormundung, sondern individuelle Begleitung und Beratung.”

50 Prozent der Pflegenden im Lande betreuen ihre Angehörigen schon länger als fünf Jahre, rund ein Drittel dieser Menschen ist demnach mindestens 60 Stunden in der Woche mit dieser „Aufgabe“ beschäftigt. Die Mehrheit der Pflegenden ver­nachlässige dabei die eigene Gesundheit, erinnert der Verein ASAA.

Auch die Grünen erinnern

Die Grünen sagen ebenfalls, dass man über Demenz reden müsse. “Demenz, das ist eine Familienkrankheit. Wenn ein Familienmitglied betroffen ist, dann dringt die Krankheit sehr schnell in das gesamte Familiensystem ein. Die Alltage verändern sich. Partner, Tochter, Sohn, Verwandte – das ganze Beziehungssystem einer betroffenen Person muss sich umstellen. Das ist mit viel Schmerz, Verlust, Trauer und Angst verbunden,“ erinnert die grüne Fraktionssprecherin und Spitzenkandidatin Brigitte Foppa im Zusammenhang mit dem Weltalzheimertag am 20. September.

Sie kennt das Thema aus eigener Erfahrung und unterstützt seit Jahren alle Initiativen, die zum Tabubruch gegenüber dem Thema Demenz beitragen. „Demenz ist etwas, das wir alle nicht wollen, ja, vor dem wir alle Angst haben. Es ist für viele der schlimmste Gedanke überhaupt, an das eigene Ende zu denken, vor allem wenn es, wie bei Demenz, lange dauert und mit dem Verlust der eigenen Persönlichkeit einhergeht,“ so Foppa.

Neben der Thematisierung in der öffentlichen Debatte sei es auch dringend notwendig, unterstützende Maßnahmen zu setzen. „Nachdem immer mehr Menschen immer älter werden, ist mit Zunahme von Demenz zu rechnen. Zugleich gibt es immer weniger Menschen (vor allem: Frauen), die sich der Pflege der Angehörigen widmen können, da sie selbst sehr lange im Erwerbsleben stehen. Darauf muss man sich systemisch vorbereiten. Schon jetzt aber braucht es Unterstützung für Menschen, die pflegen und begleiten. Sie brauchen flexible und modulare Angebote der Entlastung, sowohl finanziell wie zeitlich. Auszeiten aus der Pflege müssen möglich sein, ebenso darf niemand an der Seite eines Demenzkranken vereinsamen und verarmen,“ so Foppa.

Die Grünen rufen zum Weltalzheimertag zur Sichtbarmachung von Demenzkrankheiten, ihrer Enttabuisierung und der politischen Unterstützung der Betroffenen und ihrer Familien auf.

Bezirk: Bozen