Von: ka
Bozen/Wien – Herbert Kickl stand lange im Schatten von Jörg Haider und Heinz-Christian Strache. Als der erklärte Impf- und Maßnahmengegner während der Pandemie das Entwurmungsmittel Ivermectin als Mittel gegen das Coronavirus bewarb, wurde er zwar belächelt und von politischen Gegnern “Entwurmter” genannt, aber sein Gespür, dass bei der bunten Truppe der Impfgegner und Coronaleugner viele Stimmen zu holen seien, ließ ihn nicht in Stich.
Neben dem traditionellen FPÖ-Thema Ausländer verstand es die “soziale Heimatpartei” des Putin-Freunds Kickl mit ihrer Kritik an den Russland-Sanktionen neue Wählerschichten zu erobern, wobei sie sich die Angst vor sozialem Abstieg vieler Österreicher sowie die Sorgen der Wirtschaftstreibenden zunutze machen konnte.
Nach den Wahlen, die Kickls FPÖ mit fast 29 Prozent gewonnen hatte, wurde alles getan, um den selbst ernannten “Volkskanzler” zu verhindern. Lieber als dem Usus zu folgen, den stimmenstärksten Parteichef mit der Regierungsbildung zu beauftragen, wollte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Geburtshelfer eines “Anti-FPÖ-Dreierbündnisses” betätigen.
Heraus kam aber nur ein langes Hängen und Würgen. Die konservativen und sozialdemokratischen Wahlverlierer sowie die verhinderten Mehrheitsbeschaffer von der NEOS verhandelten zwar monatelang, aber am Ende musste selbst Karl Nehammer, der so gerne Kanzler geblieben wäre, einsehen, dass es für eine Koalition nicht reicht, nur einen gemeinsamen Feind zu haben.
Dabei wäre es aus der Sicht der ÖVP so klug gewesen, Kickl regieren zu lassen. Um endlich “Volkskanzler” zu werden, wäre er bereit gewesen, einen hohen Preis zu zahlen. Die Schwarzen hätten fast alle Schlüsselministerien einfordern und Herbert Kickl zu einem Bundeskanzler ihrer Gnaden machen können, wobei ihn die bittere österreichische Wahrheit des Sparenmüssens bald eingeholt und entzaubert hätte.
Nun kommt es jedoch zur Rache des “Entwurmten”. Die Schwarzen, die Neuwahlen fürchten müssen wie die Pest, werden weit billiger zu haben sein. Die Grausligkeiten wie die unvermeidliche Pensionsreform werden jetzt nicht nur mehr beim “Volkskanzler” hängen bleiben und in ein paar Jahren vielleicht sogar wieder vergessen sein.
Die Rache des “Entwurmten” ist eine Lehre für alle, die kommende deutsche Regierung und die nächste Südtiroler Landesregierung inbegriffen. Ein gemeinsamer Feind taugt nicht als Kitt und noch weniger als Programm. Sogenannte Brandmauern sind ohne Sinn. Populistische Strömungen gleich welcher Couleur begegnet man am besten, indem man sie in die Regierungsverantwortung nimmt. Nur wenn mit politischen Partnern eine Koalition für ein seriöses Regieren gebildet werden kann, lohnt es sich, sie in die Opposition zu drängen.
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