Von: mk
Bozen – Die jüngsten Entwicklungen zeigen es deutlich: Es gibt infektiöse Freundschafen, Bekanntschaften, Chöre, Vereine, Feiern, Wirtshausaufenthalte und Alkoholgenüsse. Wir müssen ein Kapitel unseres Sozialverhaltens etwas präziser schreiben, für ein weiteres halbes Jahr zumindest.
In der Freizeit wollen wir entspannen. Da schieben wir lästige Coronaregeln von uns. Nikolaus und Weihnachten sollen uns vergessen lassen, dass ein Virus auf ansteckbare Menschen wartet. Wir wollen ja nur unseren Kindern und uns selbst Gutes tun. Wir trinken vielleicht ein bisschen mehr Prosecco oder Rotwein, Schnaps oder Bier, und fühlen uns gleich freier. Dann verletzen wir Regeln heimlich einfach leichter. Es gibt wohl niemanden, der nicht riskiert hat anderen zu nahe zu kommen. Der sich nicht später fragt, ob das richtig war oder zu gefährlich.
Inzwischen wissen wir auch aus einer Südtiroler Befragung, an der Roland Keim als wissenschaftlicher Experte des Netzwerks PSYHELP beteiligt war: Öfter steckt sich an, wer länger als eine Stunde täglich draußen verbringt, wer mehr Individualsport betreibt. Das passt auf den ersten Blick nicht zusammen mit dem, was wir über das Virus wissen. Auf den zweiten Blick aber ganz exzellent, wenn wir das ergänzen, was wir über Menschen wissen. Menschen, die sportlich sind und viel Zeit im Freien verbringen, sind vermutlich auch sozial sehr aktiv, sind kommunikativ und treffen andere Leute. Vermutlich nicht immer im sicheren Abstand.
Was die Studie aber vor allem aussagt, immer nur laut Befragung Betroffener: Wer ein Meter Abstand oder weniger eingehalten hat, hat sich häufiger infiziert. Wer zwei Meter gewählt hat, lebt sicherer. Dürfen wir einen größeren Abstand einfordern, als die Landesregierung vorschreibt? Klarerweise gebietet die medizinische Vernunft eher zwei Meter, ganz präzise 1,8 m durchschnittliche Streubreite. Klarerweise gebieten Schulnotwendigkeiten, den Abstand zwar genügend, aber möglichst gering zu halten. Klar gebieten Tourismus und Gastronomie, möglichst viele Gäste auf möglichst kleinem Raumunterzubringen. Nur sicher sollte das Ganze halt auch noch sein.
„Wir haben das Recht, auch mehr Sicherheit als die gesetzlich vorgeschriebene walten zu lassen. Wir dürfen, gerade als Risikopopulation (Ältere, mit Vorerkrankungen) und als Angstbesetzte (mit Phantasie für den schlimmsten Fall) dazu stehen, dass wir uns überall die Maske wünschen, wo Menschen nahe zusammen kommen, und dass größere Abstände als nur einen Meter eingehalten werden. Gerade in Innenräumen, gerade bei geringer Lüftung. Gehen wir doch aus von Masken, die viele Tage lang getragen werden, von uns oder von anderen. Und ändern wir aktiv, unsere Vorsicht entschuldigend, nur bittend, unser eigenes Sozialverhalten und ein bisschen das der anderen (Die Kritik an dem der anderen ist leichter, sie muss aber besonders vorsichtig erfolgen). Wenn mein Kollege in der Kantine mir bedeutet, ich stünde jetzt ohne Maskenschutz auf, ist mir das vielleicht im ersten Augenblick lästig. Im zweiten ist es eine Hilfe für den ganzen Saal. Dutzende solcher Beispiele durchziehen den Alltag“, erklären Roger Pycha, Sabine Cagol, Francesca March als PR-Beauftragte von PSYHELP. Auffordernde Zivilcourage sei gefragt.
„Bisher haben wir als beste Waffe gegen das Virus die Vorbeugung. Vorbeugung bedeutet verändertes Verhalten, und Verhalten ändern wir rein psychisch. Damit unsere Psyche das leisten kann, benötigen wir genügend gute Stimmung (sonst sind wir zu bedrückt und energetisch geschwächt) und genügend verlässliche Information (sonst wissen wir nicht, wie handeln). Beides können wir uns verschaffen. Das erste durch gegenseitige Aufmunterung. Das zweite durch die vernachlässigte Immuni-App. Sie trägt den richtigen Namen, und hilft tatsächlich wie eine Immunisierung, wenn 60 Prozent der Bevölkerung mitspielen. Wir dürfen die besten Spiele in Krisenzeiten nicht verlernen“, erklären Pycha, Cagol und March.