Von: mk
Bozen – Eine moderne Kinderpsychiatrie-Psychotherapie ist lange das Stiefkind des Gesundheitswesens in Südtirol gewesen. Darauf weisen die Vereinigungen Ariadne und Lichtung hin, die stets von der Wichtigkeit einer solchen Einrichtung überzeugt waren.
Zur Geschichte: Unter Landesrat Otto Saurer musste erst die Erwachsenenpsychiatrie entstehen und erstarken. Kinder wurden behandelt und betreut, auch von Kinderpsychiatern, aber verteilt auf verschiedene Fächer und sicher nicht zureichend. So war die Kinderpsychiatrie in Bozen ein Teil der Pädiatrie und Kinderneurologie. In Meran gehörte sie zum Rehadienst, in Brixen entstand 1997 das private Therapiecenter im Südtiroler Kinderdorf und in Bruneck baute Dr. Markus Huber zeitgleich eine kinderpsychiatrische Ambulanz im Inneren der Erwachsenenpsychiatrie auf. All diese Konstruktionen waren als vorläufig gedacht – bis zur Verselbständigung und Vereinheitlichung des wichtigen Faches.
Der bedeutsamste Anstoß kam schließlich von sozialer Seite, als Barbara Pizzinini 2005 die Leitung der Jugendlicheneinrichtung „Villa Winter“ in Bruneck übernahm. Ihr gelang es, Primar Roger Pycha zu einer engen Zusammenarbeit mit der Villa Winter zu überzeugen, die wieder auf den Schultern des Kinderpsychiaters Dr. Markus Huber lastete. Dieser nahm in der Folge auch Jugendliche an der Erwachsenenpsychiatrie Bruneck auf (es gab nichts Besseres im ganzen Land), leitete zusätzlich die Kinderpsychiatrieambulanz Bruneck, das Therapiecenter in Brixen und unterhielt enge Kontakte zu seiner Ausbildungsstätte, der Kinderpsychiatrie Innsbruck. Damit war ein erstes grenzüberschreitendes Netzwerk entstanden, das nur zu klein war, um ganz Südtirol aufzufangen.
Barbara Pizzinini wies den Verantwortlichen von Politik und Gesundheitswesen nach, dass der Landesregierungsbeschluss aus dem Jahr 2000 zwar vier Ambulanzen und eine Abteilung für Kinderpsychiatrie im Land vorsah, aber den wichtigen dritten Bereich der Rehabilitationseinrichtungen, in denen Jugendliche oft Jahre lang therapiert und begleitet werden sollten, schlichtweg vergessen hatte. Ihren und den Bemühungen von Herbert Denicolò ist es zu verdanken, dass bis zum Jahr 2007 dieser Fehler von einem neuen Landesregierungsbeschluss korrigiert werden konnte, und insgesamt 34 Rehabilitationsplätze – gut aufs Land verteilt – ausgewiesen werden konnten.
Pizzinini selbst eröffnete dank der Sozialgenossenschaft EOS die Villa Sommer mit neun Plätzen für Jugendliche im Süden Bozens und eröffnete 2010 die Fachambulanz für Kinderpsychiatrie EOS in Bruneck. Diese Ambulanz war und ist die einzige in Südtirol, die alle beteiligten Berufsbilder unter einem Dach, für Kinder und Eltern gut erreichbar im Zentrum der Stadt, anbietet. Sie wird heute von Verena Pescollderung geleitet. Barbara Pizzinini wurde vom damaligen Sanitätsdirektor Oswald Mayr ermuntert, eine privat funktionierende Kinderpsychiatrie-Abteilung zu planen. Es kam dann doch anders. Ihre Pläne wurden eins zu eins im Krankenhaus Meran von den Kinderpsychiatern Donatella Arcangeli und Lorenzo Bassani verwirklicht.
In den letzten Jahren haben sich Schwierigkeiten angesammelt, die in Covid-Zeiten jetzt noch deutlicher zutage treten. Kein flächendeckender Bereitschaftsdienst in Südtirol, ungenügende Einbindung in das Netzwerk Psychischer Gesundheit, keine Regelung für Krisen-Interventionslösungen bei Kindern unter zwölf Jahren, keine Übergaberegelung von Patienten an die Erwachsenenpsychiatrie und ungenügende Deutschkenntnisse an der Station in Meran sind nur einige der organisatorischen Mängel, die in Zukunft dringend zu beheben sind.
Jetzt wird die Primarstelle für das landesweite Netzwerk für Kinderpsychiatrie vom Gesundheitsbetrieb, auch auf Betreiben der Vereinigungen Lichtung und Ariadne, endlich ausgeschrieben. Nach neun Jahren Übergangszeit wird ab Ende April das langsam wachsende Fachgebiet von einer Fachfrau oder einem Fachmann geleitet werden.
„Das ist ein großer Schritt nach vorne in Planung und Versorgung. Die Fachpersonen werden dringend benötigt, wobei die Integration von Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen mit Behandlungsverantwortung im multiprofessionellem Team auf Augenhöhe mit Übernahme verschiedener Dienste wie Nachtdienst, Bereitschaftsdienst, Aufnahmedienst und Wochenenddienst ausschlaggebend sein wird“, erklären die Vereinigungen Lichtung und Ariadne.