Innichen ist noch immer unter Schock

“Er schoss auf alles, was sich bewegte”

Montag, 19. August 2024 | 09:50 Uhr

Von: luk

Innichen – Eine ruhige Sommernacht in Innichen wurde am vergangenen Samstag in eine schreckliche Tragödie verwandelt, die das ganze Pustertal in Angst und Schrecken versetzte. Ein anonymer Zeuge beschreib die dramatischen Stunden: „Wir waren bereits im Bett, als wir kurz nach 23.00 Uhr Schüsse hörten. Sie kamen aus dem Haus gegenüber.“

Zunächst glaubte die Familie, es handle sich um Feuerwerkskörper, doch die Situation eskalierte schnell, als immer mehr Einsatzfahrzeuge eintrafen. „Die ersten waren die Feuerwehrleute“, erzählt der Zeuge. Doch anstatt eines routinemäßigen Einsatzes wurden die Freiwilligen Feuerwehrleute unvermittelt selbst zum Ziel. Schüsse zerschlugen die Windschutzscheiben ihrer Fahrzeuge, und es grenzt an ein Wunder, dass niemand verletzt wurde.

Als die Carabinieri eintrafen, fanden sie sich inmitten eines Kugelhagels wieder. Zwei ihrer Fahrzeuge wurden durchsiebt, und ein Beamter wurde von einem Querschläger leicht verletzt. „Es fühlte sich an wie ein Albtraum, als würden wir in einem Film leben“, schildert ein Anwohner gegenüber der Zeitung Alto Adige. Die Schüsse kamen aus dem obersten Stockwerk eines Wohngebäudes, in dem die Familie Kühbacher lebte.

Die Schüsse hörten erst nach 10.00 Uhr am Morgen auf, als die Spezialeinheit der Carabinieri schließlich eingriff. Die Tatwaffe war in den Händen von Ewald Kühbacher, einem der beiden Söhne der Familie, der in dieser schrecklichen Nacht seinen pflegebedürftigen Vater Hermann Kühbacher (90) und die Nachbarin Waltraud Jud (50) erschoss. „Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass Ewald, den wir aufwachsen sahen, zu so etwas fähig wäre“, sagt ein Nachbar fassungslos. Er berichtet auch davon, dass Ewald über die Jahre immer zurückgezogener lebte und es keine Gespräche mehr gab. Er habe lediglich gegrüßt und habe keinen Kontakt gesucht.

Peter Hellweger, der Präsident der Freiwilligen Feuerwehr des Hochpustertals, beschreibt die Ereignisse als „surreal“. „Es war, als wäre man in einem Film – so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie erlebt“, erzählt er. „Es war besonders schrecklich, weil unsere Feuerwehrleute, die wegen eines Gasaustritts gerufen worden waren, plötzlich unter dem Beschuss dieses Mannes standen.“

Um die schrecklichen Stunden dieser Nacht zu rekonstruieren, nahm die stellvertretende Staatsanwältin von Bozen, Federica Iovene, an einem Treffen mit den Carabinieri im Kommandogebäude von Innichen teil, das sich fast direkt gegenüber dem Tatort, aber auf der anderen Seite der Bahnlinie, befindet. Auch der Landeskommandant der Carabinieri, Oberst Raffaele Rivola, war anwesend. Beide verließen die Kaserne, ohne eine Erklärungen abzugeben.

Die Opfer

Es war ein schwarzer Tag für Innichen und das gesamte Pustertal. Das betonte auch der Bürgermeister am Sonntag in einer Aussendung. Besonders der Tod der dreifachen Mutter Waltraud Jud sorgt für Betroffenheit.

Die 50-jährige Ehefrau wohnte im Stockwerk unter der Wohnung der Kühbachers. Besorgt über den Lärm und den starken Gasgeruch, ging sie nach oben, um nach dem Rechten zu sehen. Dort stieß sie auf Ewald, der bewaffnet war. Vermutlich versuchte sie, gut auf ihren Nachbarn einzureden oder ihn zu entwaffnen, scheiterte jedoch, und Ewald erschoss auch sie. Waltraud wurde somit das zweite Opfer dieser schrecklichen Tragödie, die das ganze Dorf in Schock versetzte.

Bereits zuvor ist Hermann Kühbacher, ein 90-jähriger ehemaliger Jagdaufseher getötet worden. Er war eine angesehene Persönlichkeit in Innichen. Der pflegebedürftige Mann lebte gemeinsam mit seinem Sohn Ewald in dem Apartment im obersten Stockwerk des Wohngebäudes. Hermann Kühbacher war seit einiger Zeit dement, schwer krank und ans Bett gefesselt, was möglicherweise eine Belastung für seinen Sohn darstellte. In der Nacht auf Sonntag kam es dann offenbar zu einem Streit zwischen Vater und Sohn, in dessen Folge die Situation offenbar eskaliert ist.

Alto Adige

Bezirk: Pustertal