Von: luk
Bozen – Die erste Nacht im „dormizil“ ist vorbei und reibungslos verlaufen. Das Haus wird von einer privaten Initiative geführt. 17 obdachlose Menschen haben die vergangene Nacht im Haus verbracht. Insgesamt stehen bis Ende März jede Nacht 25 Schlafplätze bereit.
Gespannt haben die Nachtdienst-Leistenden gestern Abend die obdachlosen Menschen erwartet, die nun bis Ende März 2021 ein warmes Bett im kalten Winter und ein Frühstück erhalten. Weil es Politik und Verwaltung auch heuer wieder verabsäumt haben, ausreichend menschenwürdige Schlafplätze bereitzustellen, haben die Mitglieder des vor einem Jahr gegründeten Vereins „housing first bozen EO“ das Gebäude in der Rittner Straße 25 ausgeräumt, gemalt, geputzt und eingerichtet. 25 Schlafplätze für Menschen ohne Dach über dem Kopf stehen insgesamt bereit. In der ersten Nacht haben 17 Menschen dort geschlafen. Das Haus wird in den nächsten Wochen langsam voll werden. Unterstützung durch Spenden, Hygieneartikel, Lebensmittel und Zeit ist willkommen und notwendig.
In den vergangenen Wochen wurden die obdachlosen Menschen über das Angebot in der Rittner Straße informiert. Bei Aufnahmegesprächen wurden ihnen die Regeln des Hauses erklärt. In der vergangenen Nacht konnten sie die Schlafstätte zum ersten Mal in Anspruch nehmen. Sie haben die Wärme im Haus, die Willkommens-Atmosphäre und das Frühstück genossen. Pro Stockwerk gibt es ein Gemeinschaftsbad, in jedem Zimmer schlafen zwei oder drei Menschen. So bleibt ihnen Platz, um sich zurückzuziehen und geräuschlos zu schlafen. Sigrid Bracchetti und Christian Anderlan haben den ersten Nachtdienst, Ulrike Engl, Marina Demetz und Michael Springer den ersten Frühstücksdienst geleistet.
Die Haselsteiner Familien-Privatstiftung stellt dem Verein housing first bozen EO das dreistöckige Haus für 30 Jahre bereit. Das Haus soll umgebaut werden, um wohnungs- und obdachlosen Menschen langfristig Wohnraum in kleinen Einheiten zu ermöglichen. Doch da es im Herbst so aussah, als würden im reichen Bozen im kommenden Winter mindestens 130 Menschen auf der Straße dem Erfrieren ausgesetzt sein, haben die Vertreter*innen von Bozens Zivilgesellschaft kurzfristig entschieden, das Gebäude unter dem Namen „dormizil“ im heurigen Winter als Nachtquartier zu eröffnen. Es wird ausschließlich von Freiwilligen geführt. 70 Personen haben sich bisher zu Freiwilligendiensten angemeldet. Es gibt jeweils einen zweiköpfig besetzten Nachtdienst und einen ebenfalls mit zwei oder drei Personen besetzten Frühstücksdienst. Die Bewohner*innen können das Haus abends ab 19.30 Uhr betreten, zwischen 7.30 und 8.15 Uhr frühstücken und verlassen es spätestens um 8.30 Uhr.
Den Verein „housing first bozen“ haben Magdalena Amonn, Paul Tschigg, Christian Anderlan, Sigrid Bracchetti, Norbert Pescosta, Wolfgang Aumer, Martina Schullian, Helmuth Niedermayr, Verena von Aufschnaiter und Birgit Bragagna Spornberger am 20. Oktober 2020 gegründet. Sie sind zwar froh, dass sich die Politik inzwischen dazu entschlossen hat, im Alimarket-Gebäude in Bozen Süd weitere Winternotschlaf-Plätze zur Verfügung zu stellen. Allerdings bemängeln sie, dass die obdachlosen Menschen so aus dem Stadtzentrum hinausgedrängt werden und in großen Hallen schlafen müssen. Jeder Mensch – unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Herkunft – habe ein Recht auf würdevolles Schlafen und Wohnen, sagen sie. Sie pochen darauf, dass endlich genug menschenwürdiger Wohnraum für alle Menschen geschaffen wird.
Die Führungskosten des „dormizil“ werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die Vereinsmitglieder haben Spendenpakete für jede Dicke von Brieftasche geschnürt: So kosten Strukturerhalt und Frühstück für eine Übernachtung im dormizil sieben Euro (Nachtpaket). Das Wochenpaket – sieben Nächte – ist um 49 Euro erhältlich. Ein Frühstückspaket – Frühstück für alle 25 Gäste – kostet 80 Euro. Wer die Strukturerhaltungskosten wie Heizung, Strom, Reinigung der Bettwäsche und Müll für einen Monat tragen möchte, ist eingeladen, das Wärmepaket um 460 Euro zu übernehmen. Aber auch jede andere Spende ist willkommen. Die Spendenpakete und Einzelspenden können über die Webseite www.dormizil.org abgewickelt werden. Einzahlungen sind per Banküberweisung, paypal oder Kreditkarte möglich. Ethical Banking, Raiffeisenkasse Bozen und Raiffeisen Landesbank Südtirol unterstützen den Verein finanziell und ideell.