Von: ka
Bozen/Wien/Berlin – Die bekannt gewordenen Vorhaben, dass Deutschland seine Grenzen zu den Anrainerstaaten für den touristischen Reiseverkehr bis Mitte Juni öffnen wird, Österreich hingegen die Grenze nach Italien nicht, sorgt in Südtirol für erheblichen Aufruhr.
Österreich begründet dies – teilweise noch zu Recht – mit den Ansteckungsraten in Italien. Fürwahr gehört Italien zu den weltweit am stärksten von der Coronapandemie betroffenen Ländern, aber gerade dank des harten Lockdowns gelang es, die Anzahl der Neuansteckungen massiv zu senken und die Reproduktionszahl auf einen Wert weit unter eins zu drücken, sodass die Gefahr sich mit SARS-CoV-2 anzustecken, heute in allen drei Ländern durchaus vergleichbar ist.
Böse Zungen behaupten daher, dass hinter der fortdauernden Schließung des Brenners vielmehr der „Plan“ steckt, den Großteil der deutschen Urlauber „abzufangen“ und ihn zum Schaden der Tourismuswirtschaft Südtirols und Italiens in die österreichischen Hotels zu lenken. Diese Vermutung entbehrt nicht einer gewissen Grundlage, weil bereits seit geraumer Zeit einzelne Länder mittels bilateraler Abkommen versuchen, zum Nachteil der Konkurrenz „bevorzugte Tourismuskorridore“ zu schaffen. Dabei tut sich die Regierung Kurz, die in Deutschland kräftig dafür wirbt, nur im „sicheren Österreich“ Urlaub zu machen, ganz besonders hervor.
Zu den wichtigsten Säulen der EU gehören der offene Grenzverkehr, die Chancengleichheit und das Verhindern unlauterer Konkurrenz. Den Wert einer Gemeinschaft und ihrer Regeln sollte man gerade in der größten Krise, die den Kontinent seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs heimsucht, erkennen. Umgekehrt würde es gerade auch nach außen hin viel über eine Gemeinschaft aussagen, wenn nicht verhindert werden kann, dass einzelne EU-Mitglieder eine Epidemie dazu missbrauchen können, andere auszustechen – salopp formuliert geht es um die Wahl zwischen Solidarität und „Schlaumeiertum“.
Inzwischen ist bekannt, dass Italien seine Grenzen am 3. Juni öffnen wird. Spätestens zwei Wochen später werden wir wissen, was die Europaregion Tirol, die angebliche „Herzensangelegenheit“ und generell der Anstand und Respekt füreinander wert sind. Versagt die Europaregion Tirol in der Krise, kann man sich in Zukunft auch den Dreierlandtag, die Sonntagsreden und das ganze Drumherum sparen. Corona wird zur Nagelprobe für das Verhältnis Südtirols zu Österreich – Stichtag ist spätestens der 15. Juni.