Von: mk
Bozen/Leifers – Weil sie in den Körper gelangen und sich nicht von selbst abbauen, nennen Forscher sie auch „Ewigkeits-Chemikalien“. PFAS (Per- und polyfluorierte Chemikalien) kann man weder sehen, noch riechen oder schmecken. Trotzdem sind sie in vielen Gegenständen des täglichen Gebrauchs enthalten. Nun hat die Umweltorganisation Greenpeace in einer überregionalen Studie die potenziell gesundheitsschädlichen Stoffe im Trinkwasser nachgewiesen und die Ergebnisse auf einer interaktiven Karte veröffentlicht. Auch in Südtirol fielen Proben positiv aus.
Die Palette der Alltagsprodukte, in denen PFAS vorkommen, ist breit und reicht von antihaftbeschichteten Pfannen über Backpapier, Zahnseide, Make-Up, Outdoor-Kleidung bis hin zu Verpackungen. Laut Greenpeace-Analyse sind die chemischen Verbindungen in Italien im Trinkwasser weit verbreitet – mit mindestens drei positiven Proben für jede Region. Eine Ausnahme bildet das Aostatal, wo nur zwei Proben entnommen wurden.
Hohe Werte konnten hingegen in der Lombardei – vor allem in Mailand – und in zahlreichen Gemeinden im Piemont nachgewiesen werden, wie etwa in Turin und Novara sowie in einigen Gemeinden im Gebiet von Alessandria, aber auch in Bussoleno im Susa-Tal.
Auch im Veneto, das bereits vorher als eine der am stärksten kontaminierten Regionen in Europa bekannt war, ist die Konzentration hoch. Dies gilt laut Greenpeace auch für Gemeinden, die außerhalb der “roten Zone” liegen. Betroffen sind Arzignano, Vicenza, Padua und Rovigo.
In der Emilia-Romagna wurden positive Proben in Ferrara, Comacchio und Reggio Emilia entnommen. Während in Ligurien die Städte Genua, Rapallo und Imperia betroffen sind, konnte in der Toskana in Arezzo, Lucca und Prato PFAS im Trinkwasser nachgewiesen werden. In 206 von 260 untersuchten Wasserproben wurde mindestens eine der beobachteten Substanzen nachgewiesen.
Wie Greenpeace mitteilt, sind in ganz Italien 79 Prozent der zwischen September und Oktober 2024 in 235 Städten in allen italienischen Regionen gesammelten Trinkwasserproben positiv auf PFAS getestet worden. Der am häufigsten vorgefundene Stoff war Perfluoroctansäure (PFOA), die als krebserregend gilt. Sie konnte in 47 Prozent der Proben nachgewiesen werden. Die kurzkettige Verbindung Trifluoracetat (TFA), die in 104 Proben in erhöhter Konzentration entdeckt wurde, liegt mit 40 Prozent an zweiter Stelle. Moleküle der als potenziell krebserregend geltende Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) fanden sich hingegen in 58 Proben (22 Prozent).
Obwohl in einigen Regionen in Italien die Belastung durch PFAS im europäischen Vergleich besonders hoch ist – wie etwa zum Teil im Veneto und im Piemont –, seien flächendeckende Trinkwasserkontrollen bisher nicht vorgesehen, kritisiert Greenpeace.
Anfang 2026 tritt in Italien die EU-Richtlinie 2020/2184 in Kraft, die gesetzliche Grenzwerte vorschreibt. Die auf EU-Ebene festgelegten gesetzlichen Parameter würden jedoch von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in Frage gestellt, weshalb die Europäische Umweltagentur (EEA) erst kürzlich Bedenken geäußert habe, erklärt Greenpeace. Demnach könnten die derzeitigen Grenzwerte noch zu viel Spielraum lassen, um die Gesundheit von Menschen ausreichend zu schützen. Aus diesem Grund hätten bereits zahlreiche EU-Länder wie Dänemark, die Niederlande, Deutschland, Spanien und Schweden, aber auch die belgische Region Flandern sowie die USA niedrigere Höchstwerte festgelegt.
Konzentration in Südtirol
Im Trentino-Südtirol wurden die Substanzen in vier von vier Trinkwasserproben nachgewiesen. Richtet man sich nach den von der EU festgelegten Grenzwerten, ist die PFAS-Konzentration allerdings niedrig und liegt unter zehn Nanogramm pro Liter. In Bozen und in Leifers wurden in den Proben 1,4 Nanogramm Perfluoroctansäure pro Liter nachgewiesen.
Schaut man jedoch auf die gesamte Palette der Substanzen, die Greenpeace untersucht hat, verändert sich das Bild. Auch TFA, das als das weltweit am meisten verbreitete PFAS gilt, wurde laut Greenpeace in Proben aus Leifers, Trient und Riva entdeckt. Die persistente Substanz ist noch weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Aufgrund ihrer Eigenschaften kann sie in Kläranlagen mit den derzeit gängigsten Aufbereitungsverfahren aus dem Wasser nicht entfernt werden.
Die Gemeinde Castellazzo Bormida in der Povinz Alessandria wies diesbezüglich den höchsten Wert auf (539,4 Nanogramm pro Liter), gefolgt von Ferrara (375,5 Nanogramm pro Liter) und Novara (372,6 Nanogramm pro Liter).
Verbot gefordert
Greenpeace fordert die Regierung in Rom zum Handeln auf. „Noch heute gibt es in unserem Land kein Gesetz, das die Verwendung und Produktion von PFAS verbietet“, kritisiert Giuseppe Ungherese Leiter der Kampagne gegen Umweltverschmutzung von Greenpeace in Italien. Die Beseitigung sei ein unaufschiebbares Gebot.
Greenpeace hat bereits in der Vergangenheit eine Petition gegen PFAS in Italien gestartet und plädiert für einen Ersatz durch Alternativen, die als sicherer gelten. Unterdessen arbeitet auch die Wissenschaft an einer Lösung. Wie berichtet, hat das Forschungsinstitut Irriv in Vicenza ein innovatives Verfahren entwickelt, mit dem man PFAS aus dem Blut entfernen kann.
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