Langjähriger ÖVP-Politiker wurde 95 Jahre alt - in Südtiroler Heimat verstorben

Ex-Bundesratspräsident Helmut Kritzinger gestorben

Sonntag, 29. Oktober 2023 | 23:45 Uhr
Update

Von: apa

Der ehemalige Bundesratspräsident und langjährige Tiroler ÖVP-Politiker Helmut Kritzinger ist am Samstag im Alter von 95 Jahren verstorben. Der Gründer des Tiroler Seniorenbundes starb in seiner Südtiroler Heimat Sarnthein, teilte seine Partei der APA mit. Kritzinger war Abgeordneter zum Bundesrat, wo er im ersten Halbjahr 2008 die Präsidentschaft innehatte. Auch saß er Jahrzehnte im Innsbrucker Gemeinderat. Den Tiroler Seniorenbund führte Kritzinger lange Zeit als Obmann.

“Helmut Kritzinger setzte sich unermüdlich für die Anliegen der Seniorinnen und Senioren ein”, drückte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) seine Anteilnahme aus: “Ein besonderes Anliegen waren ihm Zeit seines Lebens die engen Beziehungen zwischen Tirol und Südtirol sowie die gelebte Europaregion.” Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verwies darauf, dass Kritzinger bis zuletzt politisch aktiv gewesen war: “Mein tief empfundenes Beileid gilt in diesen schweren Stunden seinen Hinterbliebenen.”

Im Zuge des Südtiroler Freiheitskampfes, der sich 1961 in der sogenannten “Feuernacht” entlud, war Kritzinger wegen angeblicher “antinationaler Propaganda” von italienischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Er saß acht Monate im Gefängnis und floh 1962 aus Angst vor einer erneuten Verhaftung zu Fuß nach Nordtirol. Dort gründete er später im Auftrag des damaligen Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer (ÖVP) den Tiroler Seniorenbund. Dieser zählt heute 23.000 Mitglieder, hieß es in einer Aussendung der Organisation.

“Mit Helmut Kritzinger verlieren wir einen ganz großen Tiroler, der ein zutiefst politischer Mensch war und dem die Anliegen der Senioren sowie die enge Kooperation des Bundeslandes Tirol mit Südtirol in der Euregio Tirol eine Lebensaufgabe war”, wurde Seniorenbund-Landesobfrau Patrizia Zoller-Frischauf (ÖVP) in einer Aussendung zitiert. Kritzinger werde vor allem wegen dessen “unermüdlichen selbstlosen Einsatzes und seiner Bescheidenheit” in Erinnerung bleiben.

Auch VP-Klubobmann LAbg. Jakob Wolf nahm Anteil: “Mit Helmut Kritzinger verliere ich einen langjährigen guten persönlichen Freund und Mentor, von dem ich in meiner politischen Arbeit unglaublich viel lernen konnte und der mich tief geprägt hat”, fand Wolf persönliche Worte. Kritzinger habe die ÖVP über viele Jahre organisatorisch und ideell entscheidend geprägt.

Stadtparteiobmann LAbg. Christoph Appler (ÖVP) zollte Kritzinger, der zwischen 1983 und 2018 im Innsbrucker Gemeinderat saß, Respekt: “Seine Verdienste für die Stadt Innsbruck im sozialen Wohnbau, bei der Bauoffensive für Seniorenheime, bei der Gründung der Seniorenstuben und beim Öffi-Seniorentickets sind beachtlich. Sein Lebensweg spiegelt einen Menschen wider, der trotz Herausforderungen und Verfolgung unbeirrt seinen Weg gegangen ist”, teilte Appler mit.

Kondolenzen kamen am Sonntag auch seitens der Tiroler Freiheitlichen. Landesparteichef Markus Abwerzger erinnerte daran, dass der Verstorbene immer ein offenes Ohr hatte “und sich immer für die Interessen der Innsbrucker Bevölkerung eingesetzt hat.” Kritzinger sei als Politiker und Mensch weit über alle Parteigrenzen geschätzt worden und sein politisches Erbe habe nachhaltige Spuren in der Tiroler Landeshauptstadt, dem Bundesland Tirol und Südtirol hinterlassen, teilte die FPÖ mit.

STF: “Trauer um Helmut Kritzinger”

Die Süd-Tiroler Freiheit trauert um Helmut Kritzinger, der es als gebürtiger Südtiroler bis an die Spitze des österreichischen Bundesrates geschafft hat und der sein ganzes Leben in den Dienst der Tiroler Heimat gestellt hat. “Er war bis zuletzt politisch interessiert und hat sich noch im hohen Alter für die Rechte der Südtiroler und für die doppelte Staatsbürgerschaft eingesetzt.” Der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll, würdigt Helmut Kritzinger “als persönlichen Freund, als politischen Weggefährten und als einen der ganz großen Söhne Tirols.”

“Helmut Kritzinger wurde 1928 in Sarnthein geboren. Da er die verbrecherische Unterdrückung der Südtiroler durch Italien öffentlich anprangerte, wurde er 1961 von italienischen Sicherheitskräften verhaftet und wegen ‘antinationaler Propaganda’ 18 Monate eingesperrt. Ihm gelang die Flucht nach Nordtirol, wo er durch die aktive Unterstützung des Tiroler Landeshauptmannes eine neue Existenz gründen konnte. Er baute dort den Tiroler Seniorenbund auf, war viele Jahre Gemeinderat in der Landeshauptstadt Innsbruck und schaffte 2008 sogar den Aufstieg zum Präsidenten des österreichischen Bundesrates. Helmut Kritzinger förderte durch seine politische Tätigkeit und seine Arbeit im Seniorenbund stets das Zusammenwachsen der Tiroler Landesteile und war ein unermüdlicher Fürsprecher Südtirols in der österreichischen Bundespolitik.” Die Süd-Tiroler Freiheit dankt Helmut Kritzinger für seine lebenslangen Leistungen und drückt seinen Familienangehörigen die tief empfundene Anteilnahme aus.

SHB: “Ein treuer Sohn der Heimat hat uns verlassen”

Auch der Südtiroler Heimatbund trauert um Helmut Kritzinger. “Im Alter von 95 Jahren ist Helmut Kritzinger, ein Mann der ersten Stunde im Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre, in seinem Heimatort Sarnthein verstorben.”

Der am 15. August 1928 in Sarnthein in Südtirol geborene Helmut Kritzinger war Lehrer und Journalist, SVP-Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP) im Sarntal und Mitglied des SVP-Parteiausschusses und Gemeinderat in Sarnthein.

Er gehörte zu dem Freundeskreis der Südtiroler Freiheitskämpfer Jörg Pircher aus Lana und Luis Amplatz aus Bozen und war aktiv an der Errichtung des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) beteiligt. Im Frühjahr 1961 fanden in Südtirol erste Anschläge des BAS statt. Kritzinger wurde im April 1961 verhaftet und konnte daher an den Aktionen der „Herz-Jesu-Nacht“ vom Juni 1961 nicht teilnehmen.

Er musste Mangels an Beweisen im November 1961 wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Als 1962 eine neuerliche Verhaftung drohte, floh er nach Österreich. Dort wurde er von dem Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP) freundlich aufgenommen und als Journalist bei dem ÖVP-Organ „Tiroler Nachrichten“ angestellt.

Was er in den Kerkern von Bozen und Trient gehört und gesehen hatte, ließ Kritzinger keine Ruhe. Er musste etwas gegen die Folterungen in Südtirol tun. Am 5. Dezember 1962 verfasste Helmut Kritzinger für das Amt der Tiroler Landesregierung sechs Seiten langen erschütternden Bericht unter dem Titel „Wie Südtiroler von den Karabinieri gefoltert wurden“.

Als Landesobmann des Tiroler Pensionistenbundes machte Kritzinger in der Folge politische Karriere, wurde Innsbrucker Gemeinderat, dann Bundesrat und schließlich Präsident des Österreichischen Bundesrates. 1975 erhielt Kritzinger das Verdienstkreuz des Landes Tirol und 1981 das Goldene Ehrenzeichen und 2009 das Große Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen.

Zeit seines Lebens blieb er seiner heimatverbundenen Einstellung treu und trat auf allen politischen Ebenen für die Belange Südtirols ein.

Ehre seinem Andenken!

Roland Lang

Obmann des Südtiroler Heimatbundes

Bezirk: Salten/Schlern