Von: mk
Bozen/Brenner/Brixen – Der 38-jährige Iraker Firas Fadel, der am Brenner für den Freiwilligen-Verein Volontarius tätig war und der wegen Begünstigung der illegalen Einwanderung mit Gewinnabsicht festgenommen wurde, bestreitet die Vorwürfe.
Laut Anschuldigungen soll er gemeinsam mit zwei libanesischen Staatsbürgern in Berlin Flüchtlinge um 500 bis 700 Euro pro Kopf über die Grenze geschleppt haben.
Fadel wird vorgeworfen, einige Summen persönlich einkassiert zu haben, um dann einen Teil davon den Schleppern abzugeben. Zu den Zahlungen soll es in den Räumlichkeiten des Hilfsvereins Volontarius am Brenner gekommen sein.
Obwohl der 38-Jährige die Vorwürfe bestreitet, belasten ihn Aussagen von Flüchtlingen, die in Deutschland aufgegriffen wurden. Am späten Montagvormittag soll die Anhörung durch den Haft- und Ermittlungsrichter Walter Pelino stattfinden. Der 38-Jährige lebt mit seiner Familie in Brixen.
Ein Mitarbeiter der Stiftung „Fondazione progetto Arca“ aus Mailand, der ebenfalls ins Ermittlungsregister eingetragen wurde, soll laut Abhörprotokollen am Telefon damit geprahlt haben, innerhalb von zwei Jahren mindestens 4.000 illegale Überfahrten nach Österreich und Deutschland organisiert zu haben. Fadel stand mit der Stiftung fast täglich in Kontakt. Medienberichten zufolge soll Fadel selbst mindestens 30 Personen über den Brenner in Richtung Norden geschleust haben – laut den Ermittlern auch Minderjährige.
Die Untersuchung des Falls macht deutlich, dass es auch unter den Flüchtlingen eine eigene Hierarchie gibt: Wer mehr Geld in der Tasche hat, verfügt auch über bessere Chancen auf eine „privilegierte“ Behandlung.
Fadel wird unterdessen von Anwalt Nicola Nettis vertreten. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.
Auch die Politik reagiert auf die laufende Untersuchung. „Wir haben klare Regeln, und wer die Gesetze bricht, muss bestraft werden“, äußerte sich Soziallandesrätin Martha Stocker gegenüber der Sonntagszeitung Zett zu dem Vorfall. Dabei erwähnte sie sich die gekauften Zugtickets. Davor sei 2015 bereits gewarnt worden, weil dies eine Straftat darstelle. Damals sei dieser Appell als unmenschlich abgetan worden. Hilfsbereitschaft dürfe nur im Rahmen geltender Gesetze erfolgen, betonte Stocker laut Zett.
Die Lega Nord in Südtirol verlangte sich in einer Stellungnahme, dass die mutmaßlichen Täter, sofern sie schuldig gesprochen werden, sofort ausgewiesen oder bestraft werden. Außerdem fordert die Lega maximale Transparenz, da das Projekt am Brenner von öffentlichen Geldern gestützt wird.
Schlepper in Flüchtlingsorganisation: Für Grüne untragbar
„Die Schlepper-Organisation, die Volontarius-Mitarbeiter Firas Fadel seit geraumer Zeit aufgezogen hat, ist von der Polizei erfreulicherweise aufgedeckt worden. Es ist untragbar und mit voller Härte des Gesetzes zu verfolgen, wenn Akteure den Deckmantel humanitärer Organisationen nutzen, um daraus für sich hohen Profit zu schlagen – der Ausdruck ‚Menschenhandel‘ ist hier durchaus angebracht. Wir hoffen, dass Fadel ein Einzelfall ist, seine Enttarnung und Verfolgung sollte aber Anlass zu weiter reichenden Überlegungen und gezieltem Vorgehen bieten“, erklären die Landtagsabgeordneten der Grünen, Hans Heiss, Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba, hingegen in einer Aussendung.
„Volontarius“ habe viele Verdienste, die Organisation könne sich aber nun nicht darauf hinausreden, dass sie selbst Opfer der Machenschaften Fadels wäre. Offenbar habe es seit geraumer Zeit Hinweise darauf gegeben, daher sei mit Nachdruck danach zu fragen, warum die Position und Arbeitsweise Fadels nicht längst überprüft wurde, verlangen die Grünen.
Die prekären Arbeitsverhältnisse mancher Mitarbeiter in Hilfsorganisationen, seien laut den Grünen gleichfalls eine Quelle der Demotivation, aber auch der Versuchung. Landesrätin Martha Stocker und ihr Ressort müssten die Hilfsorganisationen verstärkt Qualitätskontrollen unterziehen: Eine systematische Bewertung der Tätigkeit und ihrer Ergebnisse, eine Überprüfung von Mitarbeitern und der Abrechnungen seien mehr denn je notwendig. „Auch hier stellt sich die Frage, warum Hinweisen nicht nachgegangen wurde – absolute Transparenz ist mehr denn je notwendig“, fordern die Grünen.
Der Aufbau einer eigenen, vom Land selbst getragenen Organisation nach dem Vorbild der „Tiroler Soziale Dienste GmbH“ erscheint laut den Grünen zielführend. „Südtirol, das z. B. über eine Agentur für Bevölkerungsschutz verfügt, sollte nun daran gehen, die rechtlichen Voraussetzungen für eigene Einrichtungen zu überprüfen und diese ins Werk zu setzen.“
Tatsache sei schließlich, dass die elend langen Bearbeitungszeiten von Asylanträgen, die hohe Zahl an Abweisungen und die polizeiliche Härte an Bahnhöfen zur Folge hat, dass sich Flüchtlinge auch auf illegale Wege verlegen – einerlei, ob im Versuch, in Güterzügen über die Grenze zu kommen oder mithilfe von Schleppern.
„Mit Nachdruck lehnen wir gleichzeitig die pauschale Diffamierung von Hilfsorganisationen wie Caritas und Volontarius ab, zumal sie gesellschaftliche Aufgaben übernehmen, die die öffentliche Hand vielfach nicht schultern will. Dass in Südtirol jedoch ein grundlegender Kurswechsel erforderlich ist, liegt auf der Hand; das unterstreicht auch der jüngste, vor wenigen Tagen veröffentlichte Appell der Freiwilligenorganisationen“, erklären Heiss, Foppa und Dello Sbarba abschließend.