Von: mk
Bozen – Eine 40-jährige Frau aus Bozen muss ihr Leben neu auf die Reihe kriegen. Der Grund dafür ist tragisch: Ihr Lebenspartner war es gewohnt, sie zu verprügeln. „Wenn wir an dem Tag nicht in einem Restaurant, sondern zu Hause gewesen wären, würde ich nicht mehr leben. Niemand hätte mir helfen können und er hätte mich umgebracht“, erklärt die Frau laut einem Bericht des Alto Adige.
Auslöser des Streits war der Anruf einer Freundin. Ihr Partner hatte den Verdacht, es handle sich um einen anderen Mann.
Noch immer hat sie Angst, sie könnte ihrem Peiniger wieder begegnen. Erst vor wenigen Monaten noch hat er ihr seine Liebe geschworen. Doch schon bald kontrollierte er ihr gesamtes Leben und gab vor, jeden einzelnen ihrer Gedanken interpretieren zu können.
Gerade anlässlich des Laufs gegen Gewalt an Frauen am Sonntag, den 25. November in Bozen soll die Geschichte dieser Frau erschüttern und wachrütteln. Denn sie ist nicht die einzige, deren Freund, Verlobter oder Ehemann sie beschimpft, demütigt und anschließend schlägt. Meist werfen die Täter den Frauen Untreue vor, um im nächsten Moment um Vergebung zu bitten und erneut ihre Liebe zu bekunden. Dass das alles mit Liebe überhaupt nichts zu tun hat, müssen viele betroffene Frauen erst lernen.
Die 40-jährige Boznerin hat ihren Partner vor eineinhalb Jahren in sozialen Netzwerken im Internet kennengelernt. Nach dem Online-Flirt kam es zu den ersten Treffen. Der Mann zeigte sich galant, aufmerksam und zuvorkommend, sodass sie immer mehr zu Überzeugung kam, er könnte der richtige sein.
Doch nach und nach veränderte sich sein Verhalten. „Er war nicht mehr dieselbe Person, die ich noch vor ein paar Monaten kennengelernt habe. Er war eifersüchtig – immer mehr. Er kontrollierte alles, was ich machte. Er wollte wissen, wohin ich ging, mit wem ich telefonierte und wer mir Nachrichten auf WhatsApp schickt“, erklärt die Frau. Die Besessenheit ihres Freundes verwandelte die Beziehung rasch in ein Gefängnis.
„Er schickte mir Dutzende SMS-Nachrichten am Tag und er rief mich an. War das Telefon besetzt, ging es sofort mit Anschuldigungen und Drohungen los“, erklärt die Boznerin. Doch damit nicht genug: Sie isolierte sich auch zunehmend von Freunden und ihren Eltern. Alle warnten sie vor diesem Mann: Die Beziehung sei krankhaft, sie solle es beenden, bevor es zu spät sei.
Während sie einerseits hoffte, aus ihrem Alptraum zu erwachen, hatte sie andererseits jedoch auch Angst, ihren Freund zu verlieren. „Immerhin beteuerte er immer wieder, dass er mich liebt und nicht ohne mich leben kann“, erzählt die Frau.
Unterdessen fürchteten ihre Eltern, dass auch ihre Tochter einst Opfer eines Frauenmords wird. Irgendwann sprach ihr Vater nicht mehr mit ihr – in der Hoffnung, dass dies seine Tochter aufrütteln würde. Doch die Mutter gab nicht auf. „Falls ich nicht am Telefon antwortete, suchte sie mich auf, sie hielt mich auf der Straße an und versuchte verzweifelt, mich zu überreden, den Mann zu verlassen“, berichtet die Boznerin. Doch es kam immer nur zum Streit zwischen den beiden Frauen. „Es ist mir gelungen, mich zu überzeugen, dass es alle – und vor allem meine Eltern – auf mich abgesehen haben“, so die 40-Jährige.
Doch ihre Beziehung zu dem Mann verschlimmerte sich weiter. „Er zog mich an den Haaren, er drückte seine Hände gegen meinen Hals und drohte damit, mich umzubringen.“
Nach so einem Streit ließ sie oft ein oder zwei Wochen nichts von sich hören. Obwohl sie sich zunächst befreit fühlte, begann sie nach einer Weile, diese „Stille“ doch wieder zu stören. „Es klingt verrückt, doch er fehlte mir“, erzählt die Boznerin.
Trotz unzähliger Zweifel und Ängste wagte sie es doch irgendwann, sich bei der Kontaktstelle gegen Gewalt GEA in Bozen professionelle Hilfe zu holen. Dort erzählte sie ihre Geschichte. Einmal pro Woche suchte sie das Zentrum auf, um mit den Mitarbeiterinnen und der Psychologin zu sprechen. Sie fühlte sich wohl, man hörte ihr zu und niemand urteilte über sie.
Trotzdem verschlechterte sich die Situation zu Hause. Ihr Freund weckte sie mitten in der Nacht, indem er sie ständig anrief. Antwortete sie nicht, tauchte er vor ihrer Tür auf und klingelte sie aus dem Schlaf. Schließlich wurde ihr klar, dass es so nicht weitergehen kann. Sie erstattete bei der Quästur Anzeige wegen Stalkings.
Noch bevor der Richter ein Kontaktverbot erlassen hatte, bat sie ihr Freund um ein Treffen, um die Angelegenheit zu klären. Sie wusste zwar, dass die Beziehung zu Ende war und dass es nichts mehr zu klären gab. Trotzdem willigte sie ein, um einen Schlussstrich zu ziehen. Das Treffen sei ein großer Fehler gewesen, meint die Frau laut Alto Adige. „Ich habe wirklich riskiert, umgebracht zu werden.“
Nun ist alles vorbei und in Kürze wird es einen Prozess geben. Einen Rat für Frauen, die eine ähnliche Hölle durchleben, hat sie: Sie sollen sich helfen lassen. „Alleine schaffen wir es nicht, aus diesem Tunnel an physischen, aber vor allem auch psychologischen Verfolgungen zu entkommen“, erklärt die Boznerin.