Von: APA/dpa/Reuters
Bei der Kollision eines Passagierfliegers mit einem Militärhubschrauber in der US-Hauptstadt Washington sind nach Einschätzung der Behörden alle 67 Menschen an Bord der beiden Maschinen ums Leben gekommen. US-Präsident Donald Trump bestätigte am Vormittag (Ortszeit), dass es keine Überlebenden gibt. Über Nacht hatten Rettungskräfte mit Booten und Tauchern im eiskalten Wasser des Potomac-Flusses fieberhaft nach Überlebenden gesucht – doch ohne Erfolg.
“Zum jetzigen Zeitpunkt glauben wir nicht, dass es Überlebende gibt”, sagte Feuerwehrchef John Donnelly bereits zuvor. Bis in der Früh wurden laut Donnelly 27 Leichen aus dem Passagierflugzeug geborgen und eine Leiche aus dem Helikopter. Man arbeite daran, alle Leichen zu finden, versprach er. Doch das werde angesichts schwieriger Bedingungen bei der Bergungsaktion eine Zeit lang dauern.
Das Unglück geschah am Mittwochabend nahe dem Hauptstadtflughafen Ronald-Reagan-Airport (DCA), der direkt am Potomac liegt. Dort kollidierte eine Passagiermaschine mit 64 Menschen an Bord beim Landeanflug mit einem Militärhubschrauber. Beide stürzten ins Wasser. An Bord des Helikopters waren drei Menschen, wie US-Medien berichteten. In dem Flugzeug waren 60 Passagiere und vier Crew-Mitglieder.
Absturz in eiskaltes Wasser
Nach dem Zusammenstoß spielten sich hektische Szenen ab. Entlang des Flussufers heulten Sirenen, rund um den Flughafen rasten Fahrzeuge mit blinkenden Lichtern in alle Richtungen. Über dem Fluss flogen Hubschrauber. Hunderte Rettungskräfte eilten zum Unglücksort und kämpften gegen widrige Bedingungen – und gegen die Zeit.
Denn von Anfang an war klar, dass die Überlebenschancen in dem eiskalten Wasser gering waren. In Washington lagen die Temperaturen in den vergangenen Tagen weit unter dem Gefrierpunkt, erst zu Wochenbeginn wurde es merklich wärmer. Das Wasser des Flusses ist immer noch klirrend kalt und an einigen Stellen gefroren. Außerdem hatten die Einsatzkräfte mit starkem Wind zu tun, der die Trümmer weiter den Fluss entlang trieb.
Suche nach Ursache
Den bisherigen Ermittlungen zufolge zerbrach der Rumpf der Passagiermaschine in drei Teile. Wie es zu der Kollision kam, ist völlig unklar. Hinweise auf Kriminalität oder Terrorismus gibt es bisher nicht.
Laut Luftfahrtbehörde FAA handelte es sich bei dem Passagierflugzeug um eine Maschine des Typs Bombardier CRJ700 von American Airlines, die in der Stadt Wichita im Bundesstaat Kansas gestartet war. Der Hubschrauber war nach Angaben des Pentagons ein UH-60-Hubschrauber, ein Modell aus einer Familie militärischer Mehrzweckhubschrauber. Dem Pentagon zufolge war der Hubschrauber auf einem Übungsflug.
Häufig Militärmaschinen unterwegs
Der Luftraum über Washington ist stark frequentiert – neben dem zivilen Flugverkehr sind hier häufig Militärmaschinen und Regierungsflugzeuge unterwegs. Wer in Washington lebe, sehe regelmäßig, “wie Militärhubschrauber den Fluss auf und ab fliegen”, sagte US-Verkehrsminister Sean Duffy. “Das ist eine Standardroute, die sie fliegen.” Es gebe ein standardmäßiges Verfahren für das Nebeneinander von Passagiermaschinen und Helikoptern. Doch in diesem Fall sei “etwas schiefgelaufen”. Was genau, werde noch untersucht.
Duffy betonte, vor dem Unglück habe es keinerlei Auffälligkeiten gegeben. “Alles war ganz normal vor dem Absturz.” Es sei eine klare Nacht mit guten Sichtbedingungen gewesen. Und die Piloten des Hubschraubers seien sich bewusst gewesen, dass die Passagiermaschine in der Nähe gewesen sei. Das Unglück wäre vermeidbar gewesen, so der Verkehrsminister. Ähnlich hatte sich Trump zuvor geäußert.
Eiskunstläufer unter Opfern
An Bord der Passagiermaschine waren mehrere Eiskunstläufer, Trainer sowie deren Angehörige. Sie seien auf der Rückreise von einem Trainingslager gewesen, das im Rahmen der nationalen Meisterschaften in Wichita in Kansas stattgefunden habe, hieß es in einer Erklärung des amerikanischen Eiskunstlaufverbandes. “Wir sind erschüttert über diese unsägliche Tragödie und schließen die Familien der Opfer in unser Herz”, erklärte der Verband.
Der Kreml bestätigte außerdem laut Staatsmedien in Moskau den Tod von zwei Eiskunstläufern russischer Herkunft: Jewgenia Schischkowa und Wadim Naumow, zwei Ex-Weltmeister im Paarlaufen, die zuletzt in den USA als Trainer gearbeitet hätten. Es seien auch noch “andere unserer Mitbürger” an Bord gewesen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
“Schrecklicher Unfall”
US-Präsident Trump erklärte in einer schriftlichen Mitteilung, er sei über den “schrecklichen Unfall” informiert worden und beobachte die Lage. Der Republikaner dankte den Rettungskräften für ihren Einsatz. Er legte nahe, dass das Flugunglück in Washington auf einen Pilotenfehler in dem beteiligten Militärhubschrauber zurückgehen könnte. Es habe ein “Pilotenproblem” bei dem Helikopter gegeben, sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington, ohne Belege zu nennen. Der Hubschrauber hätte stoppen können, behauptete der 78-Jährige. “Ich habe Hubschrauber, man kann einen Hubschrauber sehr schnell stoppen.”
Mit Blick auf den Militärhubschrauber, der mit einem Passagierflugzeug kollidiert war, sagte er: “Man hätte den Hubschrauber erheblich verlangsamen können. Man hätte den Hubschrauber stoppen können. Man hätte hochfliegen können, man hätte runterfliegen können. (…) Man hätte drehen können. Man hätte eine Million verschiedene Manöver machen können, aber aus irgendeinem Grund flog er einfach weiter.” Trump beklagte, die Besatzungsmitglieder in dem Helikopter hätten “sehen müssen, wohin sie fliegen”.
Trump: Warnung der Flugsicherung “sehr spät”
Trump beklagte auch, die Flugsicherung am Hauptstadt-Airport habe zu spät eine Warnung ausgesprochen. “Diese Warnungen wurden sehr spät gegeben”, kritisierte er. “Ich gebe nicht dem Fluglotsen die Schuld”, schob er später nach. Er sage lediglich, dass es Dinge gebe, die man in Frage stellen könne – wie die Tatsache, dass das Passagierflugzeug und der Militärhubschrauber auf gleicher Höhe geflogen seien.
Trump nutzte das Unglück auch für politische Attacken: So machte er Diversitätsprogramme bei der Flugsicherung für den Unfall verantwortlich. Die Programme bei der Bundesluftfahrtbehörde FAA zielten darauf ab, “Menschen mit schweren geistigen und psychischen Behinderungen einzustellen”, sagte der Republikaner im Weißen Haus. Er griff die Politik seiner demokratischen Vorgänger Barack Obama und Joe Biden an. “Für mich steht die Sicherheit an erster Stelle. Für Obama, Biden und die Demokraten steht die Politik an erster Stelle.”
Webcam zeigte Explosion über dem Potomac
Eine Webcam des Kennedy Centers in Washington zeigte um 21.47 Uhr (Ortszeit) eine Explosion in der Luft über dem Fluss. Anschließend war ein brennendes und schnell sinkendes Flugzeug zu sehen. Aus dem Funkverkehr zwischen dem Tower und dem Hubschrauber geht hervor, dass dessen Besatzung wusste, dass sich das Flugzeug in der Nähe befand.
Der Flughafen stellte nach dem Absturz zunächst zeitweise den Betrieb ein, sollte aber am Donnerstag wieder öffnen. “Es ist sicher”, sagte Jack Potter von der Flughafenbehörde der Metropolregion Washington. Die Bergungsarbeiten fänden im Wasser statt. Daher werde der Flugverkehr wieder aufgenommen. Der stark frequentierte Flughafen DCA befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum und bedient hauptsächlich Inlandsflüge.
Düstere Erinnerungen
Zuletzt war in den USA im Jahr 2009 ein Passagierflugzeug mit einer vergleichbaren Anzahl an Menschen an Bord abgestürzt – in der Nähe von Buffalo im Bundesstaat New York. Damals kamen alle 49 Insassen sowie ein Mensch am Boden ums Leben.
Nach dem Unglück in der Hauptstadt wurden auch Erinnerungen an 1982 wach: Ebenfalls nahe dem damaligen Washington National Airport, heute Reagan National Airport, stürzte damals, am 13. Jänner 1982, eine Boeing 737 der Air Florida kurz nach dem Start ab. Die Maschine streifte dabei erst eine Brücke und fiel in den eisbedeckten Potomac. 78 Menschen starben, davon vier am Boden. Fünf Menschen überlebten das Unglück. Als Ursachen gelten Vereisung der Tragflächen und Triebwerke.
Zu den tödlichsten Flugzeugunglücken in den USA zählt der Fall des American-Airlines-Fluges 191 vom 25. Mai 1979. Am Chicago O’Hare International Airport fiel während des Starts ein Triebwerk ab, 271 Menschen an Bord und zwei am Boden starben bei dem Crash.
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