Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberleiter ist am Mittwochabend an den Folgen eines Verkehrsunfalls in Deutschland verstorben. Der 81-Jährige ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Vor rund einem Jahr war er von Staatspräsident Sergio Mattarella begnadigt worden.
Am 13. Jänner wäre Oberleiter 82 Jahre alt geworden. Im vergangenen Juli ist er in sein Heimatdorf St. Johann im Ahrntal zurückgekehrt.
Damals erklärte er, er sei glücklich wieder in sein Tal zu kommen. Er bedankte sich beim Staatspräsidenten für das angenommene Gnadengesuch.
In Sand in Taufers sprach der zuletzt in Bayern Lebende bei einem Medientermin von damals “schwierigen und rechtlosen Zeiten”. Er war einer von vier “Pusterer Buam”, die in den 1960 er Jahren für mehrere Anschläge in Südtirol verantwortlich waren.
Die drei Kinder Oberleiters hatten sich 2018 an Mattarella gewandt und die Begnadigung beantragt. Er war wegen verschiedener Sprengstoffanschläge in den 1960-er Jahren von den Schwurgerichten Bologna und Florenz zu lebenslanger Haft verurteilt worden. 1968 flüchtete er ins Ausland, wo er seither laut seinem Anwalt ein vorbildliches Leben führte. Bei der Annahme des Begnadigungsantrags berücksichtigte der italienische Präsident, dass Oberleiters Handlungen keine Todesopfer zur Folge hatten und er seine Taten bedauerte.
Oberleiter war der erste der “Pusterer Buam”, der in seine Heimat zurückkehren durfte. Eine Begnadigung für einige Südtirolaktivisten ist schwierig, da sie oftmals keinen Tag im Gefängnis verbracht haben. Zudem muss ein Gnadengesuch eingereicht werden, im Fall von Oberleiter geschah dies durch seine drei Kinder. Für eine Begnadigung der Südtirolaktivisten hatten sich seit Jahren zahlreiche Politiker aus Südtirol und Österreich eingesetzt. Zuletzt, wie bereits seine Vorgänger, auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Oberleiter war einer der vier „Puschtra Buibm“, die Anschläge wegen der unzureichenden Umsetzung des Gruber-De-Gasperi-Abkommens aus dem Jahr 1946 verübt hatten. Im Abkommen waren der deutschen Sprachgruppe Südtirols seitens der italienischen Zentralregierung autonome Grundrechte und weitgehende Selbstverwaltung zugestanden worden.
1964 wurde der Carabiniere Vittorio Tiralongo in Mühlwald bei Taufers erschossen. Die Tat wurde den vier „Puschtra Buibm“ Siegfried Steger, Josef Forer, Heinrich Oberleiter und Heinrich Oberlechner zugeschrieben, die später in Abwesenheit wegen anderer Vergehen zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Die Aussage eines ehemaligen Kollegen des Opfers entlastete später die „Puschtra Buibm“.
Der neue Zeuge behauptet allerdings, dies schon 1964 zu Protokoll gegeben zu haben, ohne dass dies von den ermittelnden Behörden berücksichtigt wurde. Infolge dieser Erkenntnisse hat die Staatsanwaltschaft Bozen im Jahr 2009 neue Ermittlungen aufgenommen, bislang ohne Ergebnis. Auch von Seiten der Politik werden eine lückenlose Aufklärung und eine Neuaufnahme des Verfahrens gefordert.
Es gibt Spekulationen, der Mord an Tiralongo soll dem damals kommandierenden General der Carabinieri, Giovanni De Lorenzo, als Vorwand gedient haben, um ein oder zwei Südtirol-Aktivisten zu eliminieren. Drei Tage nach dem Mord an Tiralongo wurde der Aktivist Luis Amplatz von dem mutmaßlichen Geheimagenten Christian Kerbler erschossen und Georg Klotz dabei schwer verletzt.
Betroffen reagierte die Oppositionspartei “Süd-Tiroler Freiheit” über den Tod des “Freiheitskämpfers Oberleiter. “Danke Heinrich für alles, was du für unsere Heimat getan hast”, hieß es in einer Aussendung. Als Jugendlicher habe Oberleiter die “täglichen Demütigungen durch Italien” erlebt. Der Staat habe auch nach dem Ende des Faschismus das Ziel verfolgt, “aus den Süd-Tirolern Italiener zu machen und das Land zu majorisieren.” Nachdem Jahre des Verhandelns keine Lösung brachten, habe sich Oberleiter zum “Freiheitskampf” entschlossen, blickte die Oppositionspartei zurück. Haft und Folter sei der Verstorbene durch Flucht entgangen.