Vater war mit Vierjähriger in Auto auf Vorfeld vorgedrungen

Geiselnahme am Hamburger Flughafen unblutig beendet

Sonntag, 05. November 2023 | 16:02 Uhr

Von: APA/dpa

Die Geiselnahme eines vierjährigen Mädchens auf dem Vorfeld des Hamburger Flughafens hat nach mehr als 18-stündigem Nervenkrieg ein gutes Ende genommen. Die Polizei nahm den bewaffneten Geiselnehmer, der seine Tochter seit Samstag in seiner Gewalt hatte, am Sonntagnachmittag widerstandslos fest. “Der Tatverdächtige hatte zusammen mit seiner Tochter das Auto verlassen”, schrieb die Polizei auf X, früher Twitter. “Das Kind scheint unverletzt zu sein.”

Damit ging eine Geiselnahme zu Ende, die am Samstag im nahe gelegenen Stade begonnen hatte. Von dort war der 35-Jährige zum Hamburger Airport gefahren. Am Flughafen durchbrach er gegen 20.00 Uhr mit seinem Auto, in dem auch seine Tochter saß, eine Absperrung am Tor zum Vorfeld des Airports. Er schoss auf dem Gelände in die Luft und warf Brandsätze aus dem Wagen. Mehr als 18 Stunden lang stand sein Auto danach neben einer Maschine der Turkish Airlines. Über Stunden versuchte die Polizei, die Geiselnahme unblutig zu beenden – am frühen Sonntagnachmittag schließlich mit Erfolg.

Während des nervenzehrenden Einsatzes der Polizei ruhte der Flugbetrieb in Hamburg, die Sperrung des Airports dauerte am Sonntagnachmittag noch an. Für die Polizei Hamburg war es laut Innensenator Andy Grote “einer der längsten und herausforderndsten Einsätze der jüngeren Geschichte”. Er danke allen Kolleginnen und Kollegen der Polizei für ihre starke Leistung.

Vorausgegangen war laut Polizei wohl ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter. Die Ehefrau des Geiselnehmers, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich nach Angaben eines Sprechers wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet. Bereits die ganze Nacht wurde verhandelt. Es wurde auf Türkisch gesprochen, sagte Levgrün, die während des Einsatzes betonte: “Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung.”

Der Flughafen war am Sonntag weiter weiträumig gesperrt. Die Zahl der wegen der Geiselnahme am Hamburger Flughafen gestrichenen Flüge stieg stetig. Nach Angaben des Flughafens vom Sonntagvormittag waren seit dem eigentlichen Betriebsbeginn um 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr bereits 126 Flüge gestrichen worden. Fünf Ankünfte seien zu anderen Flughäfen umgeleitet worden. Für den gesamten Tag waren eigentlich 286 Flüge – 139 Abflüge und 147 Ankünfte – mit rund 34.500 Passagieren geplant. Bereits am Samstag waren 27 Flüge mit rund 3.200 Passagieren betroffen.

Auf der Homepage des Wiener Flughafens etwa wurde ein Austrian-Flug aus Hamburg, der am Samstagabend um 21.40 Uhr hätte eintreffen sollen als “verspätet” geführt. Drei Flüge der Austrian bzw. von Eurowings mit regulärer Ankunftszeit in Wien um 11.15 Uhr und 16.40 Uhr bzw. um 20.15 Uhr fanden am Sonntag nicht statt. Auch die Abflüge von Schwechat nach Hamburg um 7.20 Uhr mit der AUA und einer um 20.55 Uhr mit Eurowings wurden gestrichen.

Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg. Im Juli hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt. Damals hatte es Forderungen nach einer Verstärkung der Sicherheit gegeben. Der Flughafen Hamburg sieht aber trotz Geiselnahme keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. “Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils”, sagte eine Flughafensprecherin.

Gleichwohl gab es aber auch Kritik an den Sicherheitsstandards an deutschen Flughäfen. Der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) etwa reicht das bisherige Vorgehen nicht mehr. “Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt”, sagte DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz.

Im “Spiegel” sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: “Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – und andere Airports in Deutschland auch nicht.” Flughäfen seien seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stünden Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord.” Großbongardt bezeichnete daher die Flughafenbetreiber und Behörden als “unfassbar naiv”.