Von: luk
Bozen – Der Bericht über Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche in Südtirol, der am Montag offengelegt wurde, offenbart erschütternde Vorwürfe und systemisches Versagen. Die 619 Seiten umfassende Untersuchung, die der Diözese Bozen-Brixen von einer Münchner Kanzlei vorgelegt wurde, dokumentiert 67 Fälle sexuellen Missbrauchs in den letzten 50 Jahren. 59 Opfer konnten identifiziert werden, und 41 Priester stehen im Zentrum der Anschuldigungen. In 29 Fällen sind die Vorwürfe als nachweisbar belegt eingestuft worden.
Der Bericht wirft nicht nur Licht auf das Leid der Opfer, sondern auch auf unzureichende Maßnahmen seitens der kirchlichen Verantwortlichen, wie am Donnerstag der Corriere della Sera berichtet.
Schwere Vorwürfe und lasche Konsequenzen
Einer der dokumentierten Fälle betrifft einen Priester, der Ende der 2000er-Jahre wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material untersucht wurde. Nach einer Verurteilung auf Bewährung wurde er von seinen Funktionen entbunden, allerdings blieb eine Meldung an die zuständige kirchliche Instanz aus. Ein Jahr später wurde vereinbart, dass der Priester keine Taufen mehr durchführen und jeglichen Kontakt zu Kindern meiden sollte. Ob diese Auflagen tatsächlich überwacht wurden, bleibt unklar.
Missbrauch im bäuerlichen Umfeld
Ein besonders erschütternder Fall aus den 1960er-Jahren beschreibt die wiederholten sexuellen Übergriffe eines Priesters auf einen 13-jährigen Jungen, den er regelmäßig auf dessen Bauernhof besuchte. Trotz der späteren Offenlegung der Vorfälle blieb eine Reaktion der Kirche aus. Die Dorfgemeinschaft schien bereits damals von den Neigungen des Priesters gewusst zu haben. Jahre später forderte das Opfer eine offizielle Entschuldigung der Kirche, doch der zuständige Vikar verstarb kurz vor dem geplanten Gespräch.
Vorwürfe gegen Caritas-Priester
Ein weiterer Fall betrifft einen Priester, der im Rahmen seiner Tätigkeit für die Caritas beschuldigt wurde, in den Duschen für Minderjährige unangemessenes Verhalten gezeigt und Kinder kompromittierend umarmt zu haben. Diese Vorfälle sollen bereits Jahre vor der offiziellen Meldung in den 2010er-Jahren stattgefunden haben. Der Priester bestritt die Anschuldigungen, und es wurde lediglich angeordnet, ihn zu beobachten. Ob es zu weiteren Maßnahmen kam, bleibt unklar.
Körperliche Gewalt und besorgte Eltern
Auch körperliche Gewalt wurde dokumentiert. Bereits in den 1960er-Jahren hielten Eltern fest, dass ein Priester Mädchen stundenlang in der Nähe der Kirche festhielt und nicht nach Hause ließ. Jahre später fiel derselbe Priester durch physische Gewalt gegen Schüler auf. Obwohl er ermahnt wurde, keine Prügelstrafen mehr anzuwenden, reagierte er lediglich mit dem Versprechen, „sich so gut wie möglich zu beherrschen“.
Ein erschütternder Befund
Der Bericht zeigt auf, wie über Jahrzehnte hinweg Opfer ignoriert und Täter geschützt wurden. Die Diözese Bozen-Brixen steht nun vor der Aufgabe, nicht nur die Verantwortung für vergangene Versäumnisse zu übernehmen, sondern auch sicherzustellen, dass solche Vergehen in Zukunft konsequent aufgeklärt und verhindert werden. Die Enthüllungen sind ein weiterer Weckruf für die katholische Kirche, systemische Reformen und eine klare Haltung gegenüber Missbrauch einzuführen.
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