Von: luk
Bozen – Geschlechtsspezifische Gewalt bleibt ein drängendes gesellschaftliches Problem, wie die Quästur in Bozen berichtet. Täglich wenden sich zahlreiche Frauen an die Polizeidienststellen in Südtirol, um Übergriffe anzuzeigen, die in vielen Fällen innerhalb der eigenen vier Wände geschehen. Um dieser Gewalt effektiv zu begegnen, setzt die Polizei auf präventive Maßnahmen, technische Innovationen und umfassende Unterstützung für die Betroffenen.
Quästor-Ermahnung als schnelle Reaktion
Eine der zentralen Maßnahmen im Bereich der Prävention ist die sogenannte Ermahnung des Quästors (Ammonimento del Questore). Dieses Verfahren erlaubt es den Behörden, rasch und ohne ein laufendes Strafverfahren einzugreifen. Die Ermahnung wird auf Antrag der Opfer – beispielsweise bei Stalking oder Revenge Porn – ausgesprochen und verpflichtet die Täter, jegliche weitere Gewalt oder Belästigung zu unterlassen. Bei Fällen von häuslicher Gewalt kann diese Maßnahme sogar ohne Antrag der Betroffenen ergriffen werden.
Die Quästur hebt hervor, dass die Ermahnung ein wirksames Mittel darstellt, um das Gewaltmuster zu durchbrechen und weitere Übergriffe zu verhindern. Opfer oder Zeugen können diese Maßnahmen in jeder Polizeidienststelle oder bei der Carabinieri beantragen.
„Protokoll Zeus“: Täterarbeit
Neben präventiven Maßnahmen für die Opfer hat die Quästur in Bozen auch Programme zur Täterarbeit etabliert. Mit dem Protokoll Zeus wird Männern, die Gewalt anwenden, bevor diese in schwerwiegendere Straftaten ausartet, ein Weg zur Reflexion und Verhaltensänderung aufgezeigt. Ziel ist es, die Täter für den Schaden ihres Handelns zu sensibilisieren und ihnen zu helfen, ihre Aggressionen zu kontrollieren.
In Bozen hat die Quästur dazu Kooperationen mit der Caritas und dem Centro Italiano per la Mediazione (CIPM) im Triveneto geschlossen. Diese Programme ergänzen die strafrechtliche Dimension durch therapeutische Ansätze und schaffen ein breiteres Netzwerk der Gewaltprävention.
Technologie zur Unterstützung der Opfer: Die App YouPol
Die Digitalisierung eröffnet auch neue Möglichkeiten im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die App YouPol, die von der Polizei entwickelt wurde, ermöglicht es Opfern und Zeugen, Vorfälle von häuslicher Gewalt direkt und anonym zu melden. Diese technische Innovation ergänzt bestehende Notrufmöglichkeiten, ersetzt jedoch in akuten Gefahrensituationen nicht den europäischen Notruf 112, der rund um die Uhr erreichbar ist.
Unterstützungsnetzwerke und geschützte Räume
Die Quästur betont, dass der Weg aus der Gewalt oft mit einem ersten, schweren Schritt beginnt: der Überwindung von Angst, Scham und dem Gefühl der Isolation. Um diesen Schritt zu erleichtern, bietet die Quästur in Bozen speziell geschulte Mitarbeiter und eine einladende Umgebung für Opfer von Gewalt.
Besonders hervorzuheben ist die Einrichtung eines geschützten Raumes, der in Zusammenarbeit mit der Organisation Soroptimist Bolzano geschaffen wurde. Dieser Raum ist speziell für Frauen konzipiert, die Gewalt erfahren haben, und dient als sicherer Ort für vertrauliche Gespräche. Er wurde nach dem verstorbenen Inspektor Mario Morgavi benannt, der sich während seiner Karriere intensiv für die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt engagiert hatte.
Ein gemeinsamer Einsatz gegen Gewalt
Die Polizei in Bozen arbeitet eng mit lokalen Institutionen, Anti-Gewalt-Zentren und Freiwilligenorganisationen zusammen, um eine echte Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und gegen Stereotype und Vorurteile vorzugehen. Dieser ganzheitliche Ansatz zielt darauf ab, nicht nur Gewalt zu bekämpfen, sondern auch präventiv gesellschaftliche Strukturen zu verändern, die geschlechtsspezifische Gewalt begünstigen.
Die Quästur appelliert an alle, die von Gewalt betroffen sind oder Gewalt beobachten: Der Mut, den ersten Schritt zu machen und Hilfe zu suchen, kann der Beginn eines neuen, sicheren Lebens sein.
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7 Kommentare auf "Geschlechtsspezifische Gewalt bleibt ein drängendes Problem"
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Gewalt an Frauen und umgekehrt ist eine Schande und unterste Schublade. Warum nimmt Gewalt von Jahr zu Jahr zu, ist es der Stress, die Unzufriedenheit oder der Wohlstand? Gewalt sollte auf keinen Fall hingenommen werden, auch wenn Angst und Scham oft die alarmierebde Situation übertrumpfen. Es gibt in unserem Land genügend Hilfe und die sollte ohne lang nachzudenken in Anspruch genommen werden, da Gewalt ohne etwas zu unternehmen meist nur zu und nicht rückläufig wird.