Von: luk
Bozen – Die Krise im Bereich der Hausärzte in Südtirol spitzt sich zu. Mehr als 70 Stellen sind unbesetzt, und viele Ausschreibungen konnten bislang nur teilweise besetzt werden. Besonders in Bozen fehlen derzeit rund zehn Hausärzte. Innerhalb weniger Tage haben drei junge, geschätzte Ärzte ihre Stellen aufgegeben, was rund 3.500 Patienten überraschend zum Wechsel ihres Hausarztes zwingt.
Probleme bei der Neuverteilung
Viele Betroffene berichten von Schwierigkeiten, einen neuen Arzt zu finden. Die Liste der verfügbaren Ärzte war gestern nahezu leer, berichtet die Zeitung Alto Adige. Vor allem ältere Menschen sind auf Hilfe angewiesen, da sie mit der Online-Registrierung per SPID (italienische digitale Identität) nicht zurechtkommen. „Für uns ist es unmöglich, online einen Arzt zu suchen“, klagen viele Senioren, die ihre Kinder um Unterstützung bitten müssen.
Der Südtiroler Sanitätsdienst betont, dass die Versorgung gewährleistet sei. „Es gibt Ersatzärzte, wenn auch oft nur vorübergehend oder nicht im Wohnbezirk der Patienten. Doch diese schwierigen Zeiten betreffen nicht nur Südtirol, sondern auch andere Teile Italiens sowie Österreich und Deutschland. Ab Montag stehen in Bozen 1.000 neue Plätze zur Verfügung, und bis Ende Januar sollen weitere 1.500 folgen. Wir bitten um etwas Geduld“, erklärt ein Behördensprecher.
Ein Strukturproblem mit Folgen
Laut dem Sanitätsdienst gibt es in Südtirol 257 aktive Hausärzte, während 75 Stellen unbesetzt sind. Im Gesundheitsbezirk Bozen arbeiten derzeit 128 Ärzte, 25 Stellen sind nur vorläufig besetzt. Die jüngsten Abgänge in Bozen verschärfen die Lage: So hat etwa Sara Brunelleschi ihre Praxis in der Telser-Galerie aufgegeben. Ihre Nachfolgerin, Marianna Zatelli, beginnt Mitte Dezember und nimmt Anmeldungen per SPID oder persönlich im Gesundheitsbezirk an. Auch Giulia Comuzzo, tätig in Oberau, beendet ihre Tätigkeit Ende des Monats. Der Wechsel zu ihrer Nachfolge kann ebenfalls online oder direkt im Gesundheitsbezirk erfolgen. Ein weiterer Abgang betrifft Gunter Claus Albert, dessen Stelle ab 1. Dezember von Maria Elisa Bigarelli in der Turinstraße übernommen wurde.
Unzufriedenheit und Forderungen
Die Patienten sind zunehmend frustriert. Renzo Ceraula, einer der Betroffenen, schildert seine Erfahrungen: „Nachdem mein Arzt in den Ruhestand ging, wählte ich einen neuen, deutschsprachigen Arzt. Doch nach fünf Monaten wurde mir ohne Vorwarnung ein anderer Arzt zugewiesen. Seitdem ist es unmöglich, ihn zu erreichen. Diese Missstände dürfen nicht länger ignoriert werden.“
Warum junge Ärzte Südtirol verlassen
Ein Teil der Problematik liegt in den Arbeitsbedingungen. Giuliano Piccoliori, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health in Bozen, erläutert: „In Bozen ist der Druck höher als anderswo. Patienten erwarten schnelle Ergebnisse, und der Beruf hat sich verändert. Junge Ärzte fordern mehr Zeit für ihr Privatleben, bessere Technologie in den Praxen, die Möglichkeit zur Zusammenarbeit in Gruppen und weniger Bürokratie. Auch eine engere Kooperation mit den Krankenhäusern ist notwendig, um eine kontinuierliche Versorgung zu gewährleisten.“
Maßnahmen der Politik
Landesrat Hubert Messner betont, dass die Landesregierung intensiv an Lösungen arbeitet: „Wir haben zusätzliche 30 Ausbildungsplätze für den Zeitraum 2025-2028 geschaffen, die von der Claudiana organisiert werden. Zudem unterstützen wir junge Ärzte mit Stipendien von bis zu 3.500 Euro monatlich. Nach dem Abschluss bieten wir Förderprogramme für Praxen und zusätzliches Personal an. Wir wissen, dass die Situation ernst ist, und tun unser Möglichstes, um die lokale Versorgung zu sichern.“
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