Von: APA/dpa
Nach tagelangen Dauerregenfällen hat sich die Hochwassersituation in Teilen Deutschlands am Donnerstag nicht entschärft. Besonders betroffen waren die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo Einsatzkräfte auch Menschenleben retten mussten. In Hannover war ein 75-jähriger Radfahrer auf einer überfluteten Straße zu Sturz gekommen und in einen angrenzenden Wald abgetrieben worden.
Der Mann war vom Wasser der über die Ufer getretenen Leine erfasst worden, nachdem er eine Absperrung ignoriert hatte. Er vermochte sich an einem Ast festzuhalten, wo er mit seinem Mobiltelefon den Notruf wählte. Weil Einsatzkräfte ihn zunächst nicht lokalisieren konnten, wurde das Gebiet im Stadtteil Döhren mit zwei Drohnen abgesucht. Spezialkräfte der Wasserrettung mit Schutzanzügen und Sicherheitsleinen bargen am Ende den 75-Jährigen.
Im niedersächsischen Lauenbrück geriet ein 84-jähriger Autofahrer mit seinem Wagen ins Hochwasser der Wümme und blieb dort stecken. Ein Augenzeuge kam dem Senior gemeinsam mit alarmierten Polizisten zu Hilfe, der bereits stark unterkühlte Mann wurde befreit.
In einigen Regionen Niedersachsens blieb die Lage wegen der weiterhin sehr hohen Pegelstände entlang von Flüssen angespannt. In Winsen an der Aller wurden rund 300 Personen evakuiert, weil das Wasser teilweise bis zu einem halben Meter hoch auf den Straßen stand. In Hodenhagen wurden im Serengeti-Park Tiere evakuiert, nachdem in einigen Stallungen der Dschungel-Safari mit mehr als 200 Affen Wasser eingedrungen war. Lemuren, Varis, Präriehunde und Erdmännchen mussten ihre Gehege verlassen und seien nun woanders auf dem Gelände nördlich von Hannover untergebracht, sagte eine Sprecherin. Weite Teile des Geländes sind nach Parkangaben überflutet und teilweise gar nicht oder nur noch mit Unimogs oder Traktoren zu erreichen. Im Nordosten des Geländes sind unter anderem Verwaltungs- und Versorgungsgebäude, Restaurants, Shops und ein Teil der Lodges von Wassermassen umschlossen.
Neben Niedersachsen waren auch Teile Bremens, Nordrhein-Westfalens sowie Thüringens, Sachsens und Sachsen-Anhalts von Hochwassern betroffen. Feuerwehren und andere Organisationen wie das Technischen Hilfswerk (THW) waren im Einsatz, um Deiche zu sichern und Wasser abzupumpen. Nach einem Deichriss in Lilienthal bei Bremen mussten angrenzende Straßen evakuiert worden. “Die Maßnahmen verliefen verhältnismäßig ruhig”, teilte die Gemeinde in der Nacht auf Donnerstag mit. Nach einer ersten Evakuierung am Mittwochabend wurden in der Nacht weitere Straßen “aus dringenden Sicherheitsgründen” geräumt, wie die Feuerwehr mitteilte.
An der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie an der Weser in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen blieb die Lage angespannt. Für die Elbe rechneten die Hydrologen nach der jüngsten Prognose erst am Freitag mit einem Rückgang des Hochwassers, wie ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt sagte. Am Pegel Dresden wurden zuletzt 5,91 Meter registriert, dort werde voraussichtlich am Abend die Sechs-Meter-Marke knapp erreicht. Normal sind zwei Meter.
Um Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg sowie die Stadt Schönebeck vor Überschwemmungen zu schützen, wurde das Pretziener Wehr geöffnet und etwa ein Drittel des Elbe-Wassers an den beiden Städten vorbei durch einen Kanal geleitet. Das etwa 135 Meter lange Wehr war zuletzt im Juni 2013 geöffnet worden.
In Thüringen konnten indes die Bewohner des wegen Hochwassers evakuierten Ortes Windehausen in ihre Häuser zurückkehren. Er habe die Anordnung zur Evakuierung am Vormittag aufgehoben, sagte Bürgermeister Matthias Marquardt am Donnerstag. Nachdem Stromversorgung und Abwasserentsorgung wieder funktionierten, seien die Gründe für die Evakuierung weggefallen. Windehausen war zu Weihnachten von Schmelzwasser aus dem Fluss Zorge und nach oben gedrücktem Grundwasser überflutet worden. Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte das Wasser dem Bürgermeister zufolge um die 70 Zentimeter hoch auf den Straßen gestanden. Inzwischen sei es wieder abgeflossen. Der Ort war geräumt worden, 400 der 500 Einwohner folgten der Aufforderung zur freiwilligen Evakuierung.
Am Donnerstag soll es nach der Prognose des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Deutschland weitgehend trocken bleiben. Dadurch könnte sich die Hochwasserlage an manchen Flüssen etwas entspannen. Allerdings steigt die Gefahr kräftigerer Niederschläge laut DWD dann wieder.
Während der laufenden Hochwasser-Einsätze haben die Feuerwehren in einigen betroffenen Gebieten mit dem Verschwinden von Sandsäcken zu kämpfen. “Sandsäcke, die an Deichen verbaut sind, werden von Anwohnern weggeholt, weil sie selber keine Sandsäcke haben, um ihre Häuser zu schützen”, sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse, am Donnerstag in Berlin. Er sprach von vielen Problemen bei den Einsätzen.
“Es gibt Beleidigungen, es gibt Diskussionen mit Betroffenen, warum wird erst in der Straße A begonnen und nicht in der Straße B das Wasser abzupumpen. Warum hat mein Nachbar vorher die Feuerwehr im Keller als ich”, sagte Banse. “Da gibt es viel, viel Streitereien.” Zudem würden die Einsatzkräfte immer wieder von Schaulustigen behindert.
Nach Banses Angaben sind seit vergangenem Sonntag tausende Feuerwehrleute in verschiedenen Teilen Deutschlands im Einsatz. “Wir haben eine Hochwasserlage, wie wir sie seit vielen Jahren nicht erlebt haben”, stellte Banse fest.