Von: mk
Bozen – Wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Körperverletzung laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft infolge des tragischen Zugunglücks auf der Bahnstrecke bei Brixen. Parallel dazu ermittelt auch die Agentur für Sicherheit auf dem Schienennetz (ANSF). Dabei wird versucht, zu rekonstruieren, wie es zu dem Unfall kam. Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe, eventuelle Schuldige identifizieren, berichtet das Tagblatt Dolomiten.
Bekanntlich sind bei dem Arbeitsunfall zwei Arbeiter aus Mondragone bei Caserta in der süditalienischen Region Kampanien ums Leben gekommen. Der 52-jährige Achille De Lisa und der 42-jährige Salvatore Verrolla haben es nicht geschafft. Schwer verletzt wurden zudem der Lokführer und zwei weitere Arbeiter. Zwei stammen aus Kampanien, einer aus Rumänien.
Den Einsatzkräften bot sich bei ihrem Eintreffen ein Bild des Grauens: brennende Loks, Waggons, geborstene Schienen und mehrere Meter in die Höhe ragende Eisen- und Betonteile. Dazwischen befanden sich die Verletzten und die Toten. Da die Unfallstelle mit Fahrzeugen nicht zu erreichen war, musste die Feuerwehr die schweren Bergegeräte zum Unfallort tragen und auch eine Löschleitung dorthin legen, um überhaupt mit der Bergung beginnen zu können.
Den ganzen Tag über war die Brennerbahnlinie bei Brixen gesperrt, am heutigen Donnerstag soll ein Gleis wieder geöffnet werden, am morgigen Freitag dann auch das zweite.
Die Mitarbeiter der Spezialfirma Generale Costruzioni Ferroviarie AG aus Rom arbeiteten bis zu dem Unglück seit rund zwei Wochen im Auftrag der RFI an der Modernisierung des Gleisbettes.
Derzeit gelten nur einzelne Details als gesichert. Auch Experten konnten nur erahnen, was in den Minuten vor ihrem Eintreffen auf der Bahnstrecke passiert war. Die Zeugen standen unter Schock, während Waggons, Arbeitsgeräte und Materialien ineinander verkeilt waren.
Eine Begleit-Lokomotive von RFI hatte sich bei Vahrn abgekoppelt und war allein weiter in Richtung Norden gefahren. Die Sanierungsmaschine sollte nun autonom arbeiten und Material nach Süden bringen. Um 23.46 Uhr donnerte der tonnenschwere Zug plötzlich los und fuhr 4,8 Kilometer weit. Allein die Betonschwellen wogen 1.500 Tonnen.
Der Zug erfasste den Bauzug, der auf den Schienen stand, mit voller Wucht. Baggerführer Verrolla wurde aus seinem Bagger geschleudert und verstarb wenig später an der Unfallstelle. De Lisa wurde in seinem Schweißgerät zu Tode gedrückt.
Der Lokführer hat später erklärt, dass ihm ein Anhalten nicht gelungen sei. Ihm war keine Zeit geblieben, seine Kollegen zu informieren, dass der Zug ungebremst in Richtung Brixen raste. Offiziell angehört wird er erst am heutigen Donnerstag. Am Mittwoch erlaubten es die Ärzte nicht.
Warum konnte die Sanierungsmaschine nicht gestoppt werden? Das wird wohl die Schlüsselfrage sein, die die beauftragten Experten von ANSF und der Staatsanwaltschaft zu beantworten haben.
Dazu gibt es mehrere Hypothesen: Entweder der Zug war überladen oder es ist ein Defekt des Bremssystems vorgelegen. Auch ein menschlicher Fehler wurde in Betracht gezogen. Laut der Staatsanwaltschaft Bozen könnte das Unglück durch ein technisches Versagen der Bremsanlage ausgelöst worden sein.
Das Zugunglück in der Nacht auf Mittwoch in Brixen ist eines der schwersten, das sich in Südtirol bisher ereignet hat.
Damit die Gutachter ihre Arbeit machen können, ließ der stellvertretende Leitende Oberstaatsanwalt Markus Mayr das Rollmaterial beschlagnahmen. Bislang steht kein Name im Ermittlungsregister. Das Unglück wird als Arbeitsunfall und nicht als Bahnkatastrophe eingestuft.
Die Brennerstrecke blieb auch am Donnerstag bei Brixen gesperrt. Erst ab Freitag 5.00 Uhr soll zunächst ein eingleisiger Betrieb in Richtung Süden wieder aufgenommen werden, sagte ein Sprecher der ÖBB. Ab Freitag 15.00 Uhr sollen schließlich wieder beide Gleise für den Verkehr frei gegeben werden. Für den regionalen Bahnverkehr wurde ein Busersatzdienst zwischen Brixen und Franzensfeste installiert. Die ÖBB richteten ebenfalls einen Schienenersatzverkehr zwischen Innsbruck und Bozen ein. Der Güterverkehr wurde über Umleitungsstrecken abgewickelt.