„Zu brav, zu nachgiebig und zu blass“ – ein Kommentar

Italienisches Debakel

Donnerstag, 26. Oktober 2023 | 01:07 Uhr

Von: ka

Bozen – Nach dem Wahlsieg von Giorgia Meloni im vergangenen Jahr rieben sich die heimischen Vertreter der Fratelli d’Italia und der Lega bereits die Hände. Sie waren sich sicher, den Erfolg von 2018, als vier Lega-Vertreter in den Landtag einzogen und fünf Jahre lang mit dem Edelweiß regieren konnten, wiederholen zu können. Insbesondere die Brüder Italiens, die auf Rückenwind aus Rom hofften, waren felsenfest davon überzeugt, ihre Kollegen der Lega weitgehend ablösen und mit der SVP eine Koalition bilden zu können. Auch in der Brennerstraße rechnete man fest damit, dass die rechten Italiener die Wahlen gewinnen und mit mehreren Mandataren in das Hohe Haus einziehen werden. Wäre die eigene Niederlage nicht allzu herb – wurde unter dem Edelweiß kalkuliert –, würden die Fratelli samt der Lega genügen, um erneut fünf Jahre lang regieren zu können.

lpa

Aber es kam ganz anders. Die hohen Verluste der SVP, die im neuen Landtag nur mehr 13 Abgeordnete stellen wird, und die Wahlmüdigkeit der Italiener, die den Wahlurnen in Scharen fernblieben, ließen diese hochtrabenden politischen Pläne zu Staub zerfallen. Der erhoffte Rückenwind aus Rom blieb aus. Die heimischen „Brüder“ müssen sich mit zwei mageren Mandaten begnügen. Noch schlechter erging es den Leghisti. Es ist bezeichnend, dass keiner der amtierenden italienischen Landesräte den Wiedereinzug in den Landtag schaffte. Ohne den unabhängigen Leiferer Bürgermeister Christian Bianchi wären sie sogar ganz ohne Mandat geblieben.

Warum kam es zu diesem italienischen Debakel? Hört man in den „Bauch“ der Bozner Italiener hinein, meinen viele von ihnen, dass die Lega-Räte „zu brav, zu nachgiebig und zu blass“ gewesen seien. Viele Italiener Südtirols hätten sich zu wenig vertreten gefühlt und sich bei vielen Themen – allen voran Schule, Wohnen, aber auch beim ureigenen Lega-Thema Sicherheit – viel mehr Biss gewünscht.

Landtag/Werth

Aber auch beim PD und bei den Grünen kann man sich nicht richtig freuen. Die immer kleiner und älter werdende Stammwählerschaft, die den Demokraten noch die Stange hält, verhilft dem PD – noch – zu einem Mandat für das Urgestein Sandro Repetto. Das ist aber auch schon alles.

Bei den Grünen hingegen konnte Sabine Giunta trotz ihres Achtungserfolgs nicht einen Landtagssitz erobern. Der freundlich formuliert sehr sanfte Oppositionskurs – insbesondere das lautstarke Schweigen der Grünen zur mehrsprachigen Schule – stieß vielen italienischen Wählern offenbar sauer auf. Nicht umsonst werden die Grünen von vielen Italienern Südtirols nicht mehr als interethnisches Projekt, sondern nur mehr als deutsche Umwelt- und Klimapartei wahrgenommen.

LPA/Landesamt für institutionelle Angelegenheiten

Von den Italienern kann sich neben Bianchi eigentlich nur der Bürgerlistler Angelo Gennaccaro freuen. Dank beherzter Gemeindepolitik gelang ihm der Sprung vom Bozner Gemeinderat direkt in den Landtag. Vielleicht führt ihn sein Weg sogar auf die Regierungsbank.

Nicht wenige Südtiroler mögen sich vielleicht darüber freuen, dass von 35 Abgeordneten nur mehr fünf Italiener sind, aber für eine demokratisch gesunde Gesellschaft und für das friedliche Zusammenleben ist es schlecht, wenn ein guter Teil einer Sprachgruppe immer seltener an Wahlen teilnimmt. Die Koalitionsverhandlungen werden wahrscheinlich die schwierigsten seit dem Bestehen des Landtags werden. Wohlwissend, dass „zu Brave“ von den Wählern abgestraft wurden, werden die übrig gebliebenen Italiener sehr hohe Forderungen stellen. Es kommen wahrlich spannende Zeiten auf Südtirol zu.

Bezirk: Bozen