Von: mk
Innsbruck – Jod aus den Weltmeeren hat erheblichen Einfluss auf die Bildung von Wolken und damit auf das Klima. Das berichtet ein internationales Forschungsteam um Armin Hansel von der Universität Innsbruck und Paul Winkler von der Universität Wien in der Fachzeitschrift Science. Die steigenden globalen Jod-Emissionen könnten demnach in der Arktis das Abschmelzen des Meereises weiter beschleunigen.
Das Großexperiment CLOUD am Kernforschungszentrum CERN untersucht, wie sich unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen aus reaktiven Gasen Aerosolpartikel bilden und wachsen. Diese Partikel können Wolken und Klima verändern oder zu städtischem Smog beitragen. „Im Labor können wir beobachten, wie die Partikel gebildet werden, die in der Atmosphäre Wolken entstehen lassen“, sagt Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Er gehört gemeinsam mit Paul Winkler von der Universität Wien einem internationalen Forschungsteam an, das in der Fachzeitschrift Science über eine bisher wenig beachtete Quelle für die Wolkenbildung berichtet: jodhaltige Verbindungen, die von Meeresalgen emittiert werden.
„In den Experimenten haben wir die Keimbildung und Wachstumsraten sowie die Zusammensetzung von frisch gebildeten Partikeln aus Jodsauerstoffsäuren gemessen“, erläutert Paul Winkler. Diese Säuren entstehen durch Photolyse und Oxidation von molekularem Jod. „Wir haben festgestellt, dass sich Jodsäurepartikel extrem rasch bilden, rascher sogar als die für die Wolkenbildung sehr wichtigen Partikel aus Schwefelsäure und Ammoniak“, so Winkler weiter. Die Partikel bilden sich besonders rasch an negativ geladenen Ionen, die über die kosmische Strahlung in der Atmosphäre entstehen.
„Wir konnten auch zeigen, dass frisch gebildete Partikel fast vollständig aus Jodsäure bestehen. Jodige Säure, eine verwandte Spezies, spielt jedoch in den ersten Schritten der neutralen Partikelbildung eine wichtige stabilisierende Rolle. Nach unseren Untersuchungen bieten küstennahe Regionen in mittleren Breiten und die Polarregionen die besten Bedingungen für die Bildung und das rasche Wachstum dieser jodhaltigen Partikel“, fasst Armin Hansel die Ergebnisse der Studie zusammen. Für die CLOUD-Experimente hat die Forschungsgruppe um Hansel in enger Zusammenarbeit mit dem Tiroler Spin-Off-Unternehmen Ionicon Analytik spezielle Messverfahren entwickelt, die in Echtzeit Daten mit extrem hoher Nachweiswahrscheinlichkeit liefern.
Mit Folgen für das Klima
Die Bildung von Jodsäurepartikeln ist in marinen Regionen wahrscheinlich besonders von Bedeutung, dort wo die Schwefelsäure- und Ammoniakkonzentrationen extrem niedrig sind. Die Folgen für die Zukunft sind beachtlich: Die globalen Jod-Emissionen sind in den letzten 70 Jahren um das Dreifache gestiegen und könnten in Zukunft weiter zunehmen, da das Meereis dünner wird. Die daraus resultierende Zunahme von Wolkenkondensationskeimen aus Jodsäure könnte den Anteil der Wärmestrahlung, die von Wolken zurück auf die Erde reflektiert wird, zusätzlich erhöhen und so eine Rückkopplung erzeugen, die den Verlust von Meereis in der Arktis noch beschleunigt.
Aerosolpartikel kühlen im Allgemeinen das Klima, indem sie das Sonnenlicht direkt zurückreflektieren und indirekt zahlreichere, aber kleinere Wassertröpfchen bilden, wodurch die Wolken heller und langlebiger werden. In den Polarregionen jedoch haben insbesondere niedrig liegende Wolken eine erwärmende Wirkung, da sie die langwellige Strahlung daran hindern in den Weltraum zu gelangen. Die Ungewissheit, wie stark Aerosole und Wolken seit der vorindustriellen Zeit zugenommen haben und wie sie sich in Zukunft weiter verändern können, wenn die vom Menschen verursachten Emissionen reduziert werden, erschweren genaue Vorhersagen zum Klimawandel.
„Wie sich marine Partikel bilden, wurde bisher nur schlecht verstanden, ist aber wichtig für das Klima, da die Ozeane riesig sind und die Konzentration von Kondensationskeimen über den Meeren eigentlich gering ist“, betonen Armin Hansel und Paul Winkler abschließend.
Das CLOUD-Forschungsteam besteht aus zahlreichen Arbeitsgruppen aus ganz Europa und Nordamerika und wird unter anderem von der Europäischen Union und zahlreichen nationalen Fördergebern – darunter dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF – finanziell unterstützt.