Von: apa
Bei Erwachsenen sind die Auswirkungen und die möglichen Nebeneffekte der Verwendung oraler Kontrazeptiva gut erforscht. Innsbrucker Wissenschafter haben jetzt für Herz und Kreislauf wichtige Parameter in Verbindung mit dem Gebrauch der “Pille” bei Jugendlichen untersucht. Ein wesentliches Ergebnis: Die jungen Frauen weisen deutlich höhere Cholesterinwerte als Nicht-Benutzerinnen der oralen Kontrazeptiva auf.
Anna Staudt von der Innsbrucker Universitäts-Kinderklinik (Pädiatrie II) und ihre Co-Autoren haben den potenziellen Einfluss der hormonellen Empfängnisverhütung auf den Fettstoffwechsel – in vielfacher Weise langfristig entscheidend für Atherosklerose und somit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – im Rahmen der großen “Early Vascular Ageing-Tyrol Study” (EVA-Tyrol; Nord-, Ost- und Südtirol) untersucht. “Orale Kontrazeptiva gehören zu den am weitesten verbreiteten Verhütungsmaßnahmen bei Erwachsenen und bei Jugendlichen. Trotzdem wurden die Effekte der oralen Kontrazeptiva auf die Blutfettwerte bei Jugendlichen noch nicht gut untersucht”, schrieben die Wissenschafter jetzt im “Journal of Adolescent Health” (DOI:https://doi.org/10.1016/j.jadohealth.2024.04.017).
Die Wissenslücken klingen erstaunlich. Immerhin, so die Wissenschafter: “In Österreich berichten 52 Prozent der weiblichen Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren von oralen Kontrazeptiva als ihre Methode der Empfängnisverhütung.” Bei erwachsenen Frauen ist der Gebrauch der “Pille” mit erhöhten Triglyceridkonzentrationen im Blut in Verbindung gebracht worden. Die Erkenntnisse zum Einfluss der hormonellen Kontrazeption auf das “böse” LDL-Cholesterin waren zum Teil widersprüchlich.
Im Rahmen der jetzt publizierten Untersuchung wurden jedenfalls die Blutfettwerte (Cholesterin, Triglyceride) und die Verwendung der “Pille” bei 14- bis 19-jährigen Teilnehmerinnen an der EVA-Studie in den Jahren 2015 bis 2018 zweimal im mittleren Abstand von 22 Monaten bestimmt bzw. erhoben. Es handelte sich insgesamt um 828 junge Frauen im mittleren Alter von 17 Jahren. 317 (38 Prozent) gaben an, orale Kontrazeptiva (OCs) zu verwenden. “OC-Benutzerinnen hatten geringfügig höhere systolische und diastolische Blutdruckwerte (…) und rauchten öfter als Nicht-Benutzerinnen der oralen Kontrazeptiva”, schrieben die Wissenschafter.
Signifikante Unterschiede gab es bei den Blutfettwerten: Die jungen Frauen, welche die “Pille” verwendeten, wiesen mit im Mittel 179,6 Milligramm Gesamtcholesterin pro Deziliter Blut deutlich höhere Werte als Probandinnen ohne Verwendung hormoneller Kontrazeptiva auf (162,4 Milligramm pro Deziliter Blut). Auch beim “bösen” LDL-Cholesterin zeigten sich mit 106,4 Milligramm pro Deziliter (“Pille”-Benutzerinnen) bzw. 94,6 Milligramm pro Deziliter (ohne hormonelle Empfängnisverhütung) deutliche Unterschiede. In etwa gleich waren hingegen die “guten” HDL-Blutfettwerte.
Im Rahmen der zwei Untersuchungen bzw. Erhebungen waren schließlich Daten von 558 Probandinnen im Vergleich vorhanden und wurden ausgewertet. Dabei machten die Wissenschafter eine interessante Beobachtung: “Jene Teilnehmerinnen, die (dazwischen; Anm.) mit der Verwendung oraler Kontrazeptiva begannen, hatten zwischen Beginn und Nachfolgeuntersuchung im Durchschnitt um 15,4 Milligramm pro Deziliter höhere LDL-Werte und um durchschnittlich 36,2 Milligramm pro Deziliter Blut höhere Triglyceridwerte als Nicht-Benutzerinnen von OCs.” Die Dauer der Einnahme der “Pille” veränderte die Blutfettwerte offenbar nicht mehr.
Jedenfalls sollten diese Erkenntnisse in Beratung und Aufklärung von jungen Frauen einfließen, welche die Verwendung der “Pille” in Betracht ziehen. Die Innsbrucker Wissenschafter: “Wir haben eine (von anderen Faktoren; Anm.) unabhängige Assoziation zwischen dem Gebrauch hormoneller Kontrazeption und Blutfettwerten und deren Veränderung über die Zeit hinweg in einer großen Gruppe von gesunden weiblichen Jugendlichen gezeigt. Diese Veränderungen sind besonders relevant für Jugendliche mit noch weiteren Risikofaktoren für Blutfett-Stoffwechselstörungen oder anderen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren.”
Herz-Kreislauferkrankungen auf der Basis von Gefäßverkalkung etc. entwickeln sich im Laufe von Jahren und beruhen zumeist auf einer Kombination mehrerer Gefährdungsmomente wie zu hohe Blutfettwerte, Bluthochdruck, Mangel an körperlicher Bewegung, Adipositas und Diabetes. Laut wissenschaftlichen Studien weisen in Europa, den USA und Afrika zwischen acht und 17 Prozent der Jugendlichen erhöhte Blutfett- und/oder Blutdruckwerte auf.