"Wir wollen keine Zeltlager am Flussufer mehr"

Kältenotfall endet: Hunderte Obdachlose droht Rückkehr auf die Straße

Montag, 14. April 2025 | 09:08 Uhr

Von: luk

Bozen – Der 30. April rückt näher und mit ihm das Ende der sogenannten „Kälte-Notfallmaßnahmen“, die in Südtirol über die Wintermonate eine temporäre Unterkunft für rund 200 obdachlose Menschen geboten haben. Was dann kommt, ist derzeit ungewiss. Klar ist nur: Die Türen der Notunterkünfte schließen, aber für viele öffnet sich keine neue.

Betroffen ist vor allem die Unterkunft im ehemaligen INPDAP-Gebäude in der Bozner Industriezone, wo Männer derzeit in Mehrbettzimmern mit Etagenbetten, Gemeinschaftsduschen und -toiletten untergebracht sind. Auch das ehemalige Alimarket-Gebäude, das derzeit etwa 50 weitere Personen beherbergt, wird laut Alto Adige Ende April endgültig geschlossen.

„Wenn nichts passiert, landen sie alle auf der Straße“, warnt Juri Andriollo, Sozialstadtrat der Stadt Bozen. Die Stadt, so Andriollo, sei am Limit – auch das Comini-Zentrum in Bozen Süd, das ganzjährig rund 90 Plätze bietet, sei vollständig belegt.

„Keine Zelte am Flussufer“

Der Stadtrat befürchtet, dass mit dem Wegfall der Unterkünfte in Meran, Brixen, Leifers und Bozen viele Menschen aus der Peripherie in die Landeshauptstadt strömen werden. „Bozen kann die Situation nicht allein schultern“, sagt Andriollo. „Wir wollen keine Zeltlager am Flussufer mehr.“

Der Appell richtet sich deutlich an die Landesregierung: Es brauche abgestimmte Lösungen mit den betroffenen Gemeinden, um eine neue Verlagerung der Not nicht einfach an den Stadtrand oder in informelle Schlafplätze zu verschieben.

Auch arbeitende Obdachlose betroffen

Besonders heikel: Etwa 30 Prozent der Betroffenen seien laut Gemeindeangaben berufstätig. Für sie plant die Stadt Bozen kurzfristig ein Pilotprojekt im ehemaligen INPDAP-Gebäude, mit dem Ziel, arbeitenden Obdachlosen und gesundheitlich besonders vulnerablen Personen eine stabilere Unterkunft zu bieten.

Zahlen zur Winterhilfe

Seit Beginn der Wintermaßnahme wurden im ehemaligen Alimarket-Gebäude 329 Männer aufgenommen, darunter neun italienische Staatsbürger und 18 als besonders schutzbedürftig eingestufte Personen. Im INPDAP wurden 387 Männer untergebracht (14 Italiener, 26 vulnerabel). In Meran fanden 78 Frauen und 43 Männer Zuflucht, in Brixen 52 Männer, in Leifers 20.

Ganze Strukturen schließen

Neben Bozen betrifft das Ende der Winterhilfe auch Meran, Brixen und Leifers, die zusammen über knapp 100 zusätzliche Schlafplätze verfügten. Diese fallen ab Mai ebenfalls weg. Eine ursprünglich geplante Unterkunft in Bruneck wurde nie umgesetzt.

Kritik von der Opposition

Die Linke äußert sich empört: „Jedes Jahr das gleiche Spiel: Die Kältehilfe endet, Menschen landen wieder auf der Straße und gleichzeitig inszenieren sich Politiker mit Selfies vor Schlaflagern“, heißt es in einer Mitteilung der Sinistra–Die Linke. „Während man über ‚städtisches Erscheinungsbild‘ debattiert, fehlt es an echten Lösungen. Der Rechtsruck in der Politik bedeutet leider auch: weniger soziale Verantwortung.“

Team K Bozen greift die Landesregierung und vor allem die SVP an: “Am 30. April sollen in Bozen die Kälteschutzzentren für Obdachlose schließen – ohne dass das Land eine Folgelösung beschlossen hat. Hunderte Menschen drohen erneut auf der Straße zu landen. Auch in Meran und Leifers enden die Hilfsangebote. Die Folge: Ein massiver Zuzug nach Bozen ist absehbar. Ohne Schlafplatz, ohne sanitäre Einrichtungen, ohne Perspektive – die Stadt wird diese Belastung kaum allein tragen können. Dass das Land nicht vorsorgt, ist gewolltes politisches Versagen. Die SVP mit ihren italienischen rechten Ehepartnern sorgt dafür, dass auf dem Land Ruhe herrscht – und soziale Problemfälle auf Bozen konzentriert bleiben. Dabei stehen rund 30% der Betroffenen in einem Arbeitsverhältnis – sie brauchen Chancen, nicht nur Notschlafstellen. Doch die SVP weigert sich seit Jahren, ein landesweites Netz an Aufnahmezentren zu schaffen. Stattdessen wird das Thema pünktlich vor Wahlen politisch ausgeschlachtet, ganz im Stil populistischer Parteien: Mehr Sicherheit fordern, ohne Lösungen zu bieten. Im Gegenteil, am besten die Probleme noch zuspitzen lassen, damit man dann dagegen wettern kann. Das Team K Bozen fordert das Thema aus der parteipolitischen Ecke zu holen und echte Maßnahmen umzusetzen: „Housing First“, Weiterbildung, Eingliederung. Ein menschenwürdiger Umgang senkt nicht nur soziale Not, sondern auch Kriminalität und Konflikte im urbanen Raum. Natürlich müssen gefährliche und straffällige Personen dem Strafvollzug zugeführt und – wenn möglich – abgeschoben werden. Aber: Keine Propaganda auf dem Rücken der Schwächsten!”

Bezirk: Bozen

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