Von: ka
Bozen/Innsbruck/München – Jeder der unter der Woche die Brennerautobahn befährt, kennt das Bild: Lkw an Lkw reihen sich auf einer Spur und rollen im Gänsemarsch gen Süden oder Norden. Um der Lkw-Flut Herr zu werden und den Umwegverkehr einzuschränken, will nun die Tiroler Landesregierung die Korridormaut einführen. Der Plan der Österreicher, die gesamte Strecke München-Verona zu bemauten, stößt in Italien und Deutschland auf heftigen Widerstand. Beide Länder bereiten die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen Verstoßes gegen EU-Recht und Behinderung des freien Warenverkehrs vor.
Aber ganz gleich wie der „Bruderzwist“ ausgeht, so ist doch sicher, dass auf beiden Seiten die Heuchelei unendlich ist. Angesichts des steigenden Schwerverkehrs sind die Nordtiroler vollkommen im Recht, wenn sie ihre Nachbarn in Nord und Süd endlich zu gemeinsamen Maßnahmen auffordern und mit „Dosierungen“, Blockabfertigungen und zeitweisen Sperren im Alleingang für Einschränkungen des Lkw-Verkehrs sorgen wollen. Andererseits sind es – und hier beginnt die Heuchelei – gerade die niedrigen Spritpreise in Österreich, die Pkws und Lkws magisch anziehen. Dort will LH Platter mit Blick auf die eigenen Wähler den Hebel natürlich nicht ansetzen. Zudem sind die Nordtiroler selbst Profiteure des Verkehrs und werden kaum Maßnahmen setzen, die Touristen davon abhalten, Tiroler Skigebiete aufzusuchen.
Auf der anderen Seite ist die Heuchelei ebenfalls gewaltig. In Bayern wie der gesamten italienischen Brennerstrecke entlang klagen die Anwohner über den pausenlosen Verkehr. Erst seit die Österreicher Ernst machen, bewegt sich in Nord wie Süd jenseits von Treffen und Konferenzen etwas. Erst dank der Initiative der Tiroler besteht nun die Chance, die Lebensqualität aller Nachbarn der Autobahn zu verbessern.
Die bittere Wahrheit aber ist, dass erst eine schnelle Bahnstrecke – sprich Brennerbasistunnel mit Zulaufstrecken – mit attraktiven und schnellen Zu- und Ablademöglichkeiten Abhilfe schaffen wird. Das wird noch viele Jahre dauern. Bis dahin wird das Hin und Her zwischen den drei Anrainerstaaten weitergehen, wobei jede Seite weiß, wo sie die Daumenschrauben ansetzen muss, um dem Gegner zu schaden. Weil „Dosieren“ können die anderen, wenn es sein muss, eben auch.
Also besser sich an einen Tisch setzen, als zu klagen und einseitige Maßnahmen zu verabschieden.