Von: mk
Bozen – 2.900 Südtirolerinnen und Südtiroler erkranken jährlich an Krebs. Was kann jede und jeder tun, um einer Krebserkrankung vorzubeugen? Welche neuesten Entwicklungen gibt es hinsichtlich Vorsorge und Therapie? Primarin Sonia Prader und Primar Guido Mazzoleni informieren auf Einladung der Südtiroler Krebshilfe anlässlich des internationalen Weltkrebstages.
Alljährlich findet am 4. Februar der internationale Weltkrebstag statt. Auch die Südtiroler Krebshilfe nützt stets diesen Anlass, um erneut über die Krebsvorsorge und neueste medizinische Entwicklungen zu berichten. „In diesem Jahr lautet das Motto des Weltkrebstages ,Ich bin und ich werde´. Jeder Einzelne wird damit aufgerufen darüber nachzudenken, was er selbst zur persönlichen Krebsvorsorge beitragen kann“, erläutert Ida Schacher, Präsidentin der Südtiroler Krebshilfe. Die Vereinigung lud Primarin Dr. Sonia Prader von der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Brixen und Primar Dr. Guido Mazzoleni von der Abteilung Pathologische Anatomie und Histologie am Krankenhaus Bozen ein, um über die neuesten Erkenntnisse in der Krebsmedizin, der Wichtigkeit der HPV-Impfung und den aktuellen Zahlen bezüglich Krebserkrankungen in Südtirol zu informieren.
Die Rolle der Molekularbiologie
Primaria Dr. Sonia Prader informierte über die personalisierte Krebsmedizin und schilderte die Rolle der Molekularbiologie in der individuellen Krebsvorsorge und Therapieplanung. „Mensch, Immunsystem und Tumor sind eine dynamische Einheit, die sich gegenseitig bedingt. Das Verständnis zur Entstehung von Krebs nimmt in den letzten Jahren in rasendem Tempo zu. Neben den klassischen Kriterien der Tumorklassifikation werden große Fortschritte in der Charakterisierung auf molekularer Ebene erzielt. Dies bedeutet, dass auf der Grundlage von panelbasierten DNA-Analysen zusätzliche Informationen erhoben werden, die gemeinsam mit den etablierten Parametern zu einem Vormarsch von zielgerichteten Immuntherapie führen“, erläutert Primaria Sonia Prader. Auch in der Vorsorge kann das Wissen um molekulargenetische Marker wie z.B. Veränderungen in DNA- Reparaturgenen wie BRCA 1 und 2 helfen, das Lebenszeitrisiko von Frauen für Brustkrebs und Eierstockkrebs einzuschätzen. Bei Frauen mit bekannten Veränderungen dieser Gene kann gezielt auf Beratung, Vorsorgeuntersuchungen und Therapien eingegangen werden.
HPV-Impfung schützt massiv vor Krebs
Im Jahr 2008 hat Harald zur Hausen den Nobelpreis dafür erhalten, dass er den Zusammenhang zwischen HPV-Viren und Krebserkrankungen herstellte. So werden beinahe 100% der Zervixkarzinome (Gebärmutterhalskrebs) von den HPV-Viren hervorgerufen. Im Mai 2018 hat die WHO dazu aufgerufen, das Zervixkarzinom durch konsequente Impfung auszurotten. Und auch andere HPV-assoziierten Krebsarten können deutlich reduziert werden. „Niemand sollte einen Krebs bekommen, gegen den man sich impfen kann“, unterstreicht Doktorin Sonia Prader. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb bietet allen Mädchen von 11 bis 17 Jahren die HPV-Impfung kostenlos an. Dabei ist es ratsam, die Impfung bei Jugendlichen vor Aufnahme der sexuellen Aktivität durchzuführen. Im Alter von 18 bis 45 Jahren können sich Frauen zu einem vergünstigten Preis impfen lassen, ebenso Männer zwischen elf und 26 Jahren.
Risikofaktoren und Vorsorgeprogramme in Südtirol
Die Hauptursachen für das Auftreten einer Krebserkrankung liegen im Lebensstil, also Ernährung und Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum und das Rauchen, das bei zwei von drei Krebsarten einen Risikofaktor darstellt. „Die Teilnahme an den Screening-Programmen ist ein effektiver Weg, um neoplastische Krankheiten zu verhindern und frühzeitig zu diagnostizieren“, erläutert Primar Dr. Guido Mazzoleni von der Pathologische Anatomie und Histologie, die auch das Südtiroler Tumorregister betreut. In Südtirol werden drei Krebsfrüherkennungsprogramme durchgeführt: für die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs mittels Pap-Abstrich oder HPV-Test, für Brustkrebs mittels Mammographie und für Darmkrebs mittels fäkal-okkultem Bluttest. Diese Screening-Programme werden von den Südtirolerinnen und Südtirolern im unterschiedlichen Ausmaß wahrgenommen: am Pap-Abstrich bzw. HPV-Test nahmen im Jahr 2020 27,2 Prozent der eingeladenen Frauen teil (Pap-Test, 23,6 Prozent; HPV-Test 32,1 Prozent), zur Mammografie gingen 65,3 Prozent der Frauen und an der Darmkrebsfrüherkennung beteiligten sich 31,6 Prozent der Südtiroler Bevölkerung.
Häufigkeit und Arten von Krebserkrankungen in Südtirol
Im Zeitraum 2014-2019 wurden in Südtirol durchschnittlich 2.900 neue Krebsfälle pro Jahr registriert, davon 1.593 in der männlichen und 1.307 in der weiblichen Bevölkerung (ohne Berücksichtigung der nichtmalignen Hautkrebse). Der Prostatakrebs war die häufigste Krebserkrankung bei den Männern (23,4 Prozent aller Fälle), gefolgt von Darmkrebs (12,2 Prozent), Blasenkrebs (10,2 Prozent), Lungenkrebs (9,7 Prozent) und Melanomen der Haut (4,5 Prozent). Frauen erkrankten hauptsächlich an Brustkrebs (27,5 Prozent), gefolgt von Darmkrebs (10,8 Prozent), Lungenkrebs (7,4 Prozent), Hautmelanom (5,2 Prozent) und Bauchspeicheldrüsenkrebs (4,6 Prozent). Die letzten verfügbaren Sterbedaten (2015-2019) zeigen, dass durchschnittlich 1.150 Südtirolerinnen und Südtiroler pro Jahr an einer Krebserkrankung verstarben, wobei der Anteil der Männer (634) höher war als jener der Frauen (516). Im Allgemeinen bestätigt der zeitliche Vergleich einen Rückgang des Inzidenztrends für Krebserkrankungen insgesamt bei Männern und einen im Wesentlichen stabilen Trend für Krebserkrankungen bei Frauen.
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie
„Die Pandemie der letzten zwei Jahre hat sich sicherlich auf die Krebsdiagnostik ausgewirkt. Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen ist zurückgegangen und damit auch die Zahl der Früherkennungen. Dies wird sich bestätigen, sobald die Inzidenzdaten für 2020 und 2021 verarbeitet sind“, informiert Guido Mazzoleni, „wir haben eine Studie über Brust- und Darmkrebs koordiniert, die 19 pathologische Anatomien, die sich bei den beiden Krebsarten unterscheiden, umfasst und in “I numeri del cancro 2021” veröffentlicht wurde. Die Studie zeigt, dass die Zahl der Tumoroperationen, während der Covid-19-Pandemie in Italien deutlich zurückgegangen ist, während die betriebliche Gesundheitsversorgung in Südtirol weitgehend stabil blieb.“