Von: mk
Bozen – Seit 2014 wird in Italien jährlich am 5. Februar, dem Nationalen Tag zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung (Giornata nazionale di prevenzione dello spreco alimentare), auf das Ausmaß und die Auswirkungen der Lebensmittelverschwendung aufmerksam gemacht. Die Verbraucherzentrale Südtirol stellt aus diesem Anlass die ersten Ergebnisse der Aktion „Tagebuch der Lebensmittelabfälle“ sowie Initiativen zur Verringerung der Lebensmittelabfälle vor.
Weltweit geht jedes Jahr ein Drittel aller für den menschlichen Konsum erzeugten Lebensmittel verloren oder wird verschwendet: rund 1,3 Milliarden Tonnen sind das laut Schätzungen der FAO. Doch wie viele Lebensmittel enden in den Südtiroler Haushalten als Abfälle, welche Lebensmittel sind das und wieso? Erste Antworten auf diese Fragen liefert die Verbraucherzentrale Südtirol am heutigen Nationalen Tag zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung.
An der VZS-Aktion „Tagebuch der Lebensmittelabfälle“ haben sich 69 Südtiroler Haushalte beteiligt. Die haushaltsführenden Personen haben sieben Tage lang peinlichst genau notiert, welche Lebensmittel in welcher Menge und aus welchem Grund im eigenen Haushalt entsorgt werden. Ausgewertet wurden die Daten vom Institut für Regionalentwicklung von Eurac Research. „Durch das Aufschreiben wird manchen erst bewusst, welche Menge an – häufig noch genießbaren – Lebensmitteln weggeworfen wird“, merkt Silke Raffeiner, die Projektverantwortliche der VZS, an. „Einige der Teilnehmerinnen haben uns rückgemeldet, dass sie seitdem viel achtsamer mit Lebensmitteln umgehen.“
Ein Kilo pro Woche für die Tonne
In den 69 teilnehmenden Haushalten fielen insgesamt 68,4 kg an Lebensmittelabfällen an, das entspricht im Durchschnitt einer Menge von ein Kilo pro Haushalt in der Woche der Aufzeichnung. Dabei handelt es sich fast vollständig um vermeidbare Lebensmittelabfälle: das sind solche, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch uneingeschränkt genießbar sind oder die bei rechtzeitiger Verwendung genießbar gewesen wären. Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle – also solche, die nicht essbar sind (z.B. Eierschalen, Kaffeesatz, Bananenschalen) oder üblicherweise für die Speisenzubereitung entfernt werden – wurden gar nicht erhoben. In rund zehn Prozent der teilnehmenden Haushalte fielen in der Woche der Aufzeichnung keine Lebensmittelabfälle an.
Für die Haushalte, von denen die Anzahl der dort lebenden Familienmitglieder bekannt ist, konnte die Menge der Lebensmittelabfälle pro Kopf berechnet werden, diese beträgt in der Woche der Aufzeichnung im Durchschnitt 422 g.
Häufig: Obst, Gemüse, Speisereste
Die am häufigsten entsorgten Lebensmittel in den teilnehmenden Haushalten sind Brot (33 Mal), Äpfel (24 Mal), Käse (17 Mal), Salat (16 Mal) und Milch (15 Mal). Nach der Menge gereiht wurde am meisten Milch entsorgt (5,1 kg), gefolgt von Suppe (4,4 kg), Birnen (4,2 kg), Äpfeln (3,7 kg) und Brot (3,3 kg).
Die entsorgten Lebensmittel bzw. Speisen wurden jeweils einer von elf Kategorien zugeordnet. Die Kategorien Obst roh (23 Prozent) und Gemüse roh (18 Prozent) machen zusammen 41 Prozent (bezogen auf das Gewicht) der entsorgten Produkte aus. Die Kategorie Zubereitete Speisen macht 18 Prozent, die Kategorie Milchprodukte 15 Prozent und die Kategorie Brot und Backwaren acht Prozent aus. 38 Prozent der Lebensmittelabfälle nach Gewicht wurden als Biomüll/ organische Abfälle entsorgt, 18 Prozent landeten im eigenen Komposthaufen. Doch immerhin 14 kg (20 Prozent der Gesamtmenge) landeten in der Toilette oder im Ausguss und acht Kilogramm (zwölf Prozent) im Restmüll.
Der Kühlschrank wird zum „Grab“
Trotz (oder wegen?) der Aufbewahrung im Kühlschrank verderben viele Lebensmittel: weil sie nicht rechtzeitig verwendet werden. Darauf weist auch der Gründer der Slow-Food-Bewegung Carlo Petrini bei seinen Auftritten hin, wenn er sagt, der Kühlschrank werde zum „Vorhof der Mülltonne“, ja sogar zum „Familiengrab“.
Tatsächlich war in den teilnehmenden Haushalten der Verderb von Lebensmitteln der häufigste Grund für deren Entsorgung. In 52 Prozent der (begründeten) Fälle wurden die Lebensmittel entsorgt, weil sie verdorben, also schimmelig, faul, sauer, ranzig o.ä. waren. In weiteren 26 Prozent der Fälle waren die Lebensmittel alt bzw. nicht mehr frisch. In beiden Fällen gilt: wären die Produkte rechtzeitig konsumiert worden, wären sie meist noch genießbar bzw. frisch gewesen. Rohes Gemüse, rohes Obst, Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte und Fertigprodukte wurden überwiegend deshalb entsorgt, weil sie bereits verdorben waren, Brot und Backwaren mehrheitlich deswegen, weil sie nicht mehr frisch waren. Die Reste von zubereiteten Speisen landeten hauptsächlich deswegen in der Tonne, weil zu viel gekocht wurde und die überschüssige Menge bzw. die Reste nicht rechtzeitig wiederverwendet wurden. Im Vergleich dazu spielt die Überschreitung des Verbrauchsdatums (23 Mal) bzw. des Mindesthaltbarkeitsdatums (10 Mal) als Entsorgungsgrund nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist hier noch mehr Aufklärung nötig. Denn obwohl 77 Prozent der Befragten wissen, dass es zwei verschiedene Haltbarkeitsangaben gibt, kennen nur 55 Prozent der Befragten die exakte Bedeutung des Verbrauchsdatums.
Lebensmittel sachgerecht lagern und Reste verwerten
An den Erkenntnissen der Tagebuch-Aktion wird die Verbraucherzentrale Südtirol konkret ansetzen und im Rahmen des Projekts „Una Buona Occasione – Eine gute Gelegenheit“ weitere Initiativen für Verbraucher und Verbraucherinnen starten. Eine Mobile App mit Informationen und Tipps für die sachgerechte Lagerung von über 500 Lebensmitteln und mit Rezeptvorschlägen für die Verwertung von Lebensmittel- und Speiseresten ist bereits in Vorbereitung.
Eine „Geschichte über Lebensmittelabfälle“ an den Schulen
Für die Schulen der Oberstufe bietet die Verbraucherzentrale Südtirol zwei Unterrichtsmodule rund um das Thema der Lebensmittelverschwendung an. Eine zentrale Rolle spielt dabei der kanadische Dokumentarfilm „Just Eat It – A Food Waste Story“: der Regisseur und seine Partnerin haben sich sechs Monate lang von Lebensmitteln ernährt, die beinahe oder bereits abgelaufen oder für die Entsorgung bestimmt waren oder die wegen optischer und anderer Mängel nicht verkauft wurden. Dabei haben sie auch das „Containern“, die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern, nicht gescheut – Stoff für spannende Diskussionen in den Klassen.
Ein Netz von Freiwilligen sammelt und verteilt Lebensmittel
Auch wenn ihre Tätigkeit häufig im Verborgenen bleibt: in Südtirol existiert bereits ein sehr gut funktionierendes Netz an Lebensmitteltafeln, welche überschüssige und gespendete Lebensmittel an bedürftige Menschen weitergeben. Der Banco Alimentare der Region Trentino-Südtirol organisiert jedes Jahr Ende November die Lebensmittelsammlung „Colletta alimentare“. Darüber hinaus holen der Banco Alimentare und die „Bröseljäger“ ganzjährig überschüssige Lebensmittel und solche, die bald ablaufen, von Produzenten und Handelseinrichtungen ab und geben diese an karitative Organisationen wie die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft, die Caritas, den Verein Volontarius oder die Aktion „Ja zum Leben“ weiter. An deren Ausgabestellen können bedürftige Menschen kostenlos Lebensmittelpakete abholen, mit einem Punktesystem kostenlos einkaufen (z.B. VinziMarkt) oder werden regelmäßig verpflegt (z.B. VinziBus).
Zur Vermeidung von Lebensmittelüberschüssen, die dann später vielleicht entsorgt werden, empfiehlt die Verbraucherzentrale Südtirol, Lebensmittel bedarfsgerecht und anhand einer Einkaufsliste einzukaufen, dabei nicht benötigte Aktionsangebote zu ignorieren, zu Hause die eingekauften Produkte sachgerecht und mit System in Kühl-, Gefrierschrank und Vorratskammer einzuräumen und vor allem alle Produkte rechtzeitig zu essen bzw. zu trinken.