Benko-Ermittlungen in Südtirol schlagen hohe Wellen

Luxusessen, private Chats und Mafiamethoden

Donnerstag, 05. Dezember 2024 | 09:24 Uhr

Von: luk

Bozen – Zwei Tage nach dem Bekanntwerden der umfassenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Trient gegen Baumogul Rene Benko, dem Geschäftsführer von Signa Italia, Heinz Peter Hager, und zahlreichen anderen Personen kommen immer weitere Details an Licht der Öffentlichkeit. Die Vorwürfe wiegen schwer: Von Mafiamethoden und Einflussnahme und dem Verdacht auf systematische Manipulation ist die Rede.

Wie berichtet, hat eine weitreichende Untersuchung der Staatsanwaltschaft Trient die engen Verflechtungen zwischen Bauwirtschaft, Behörden und Politik in der Region aufgedeckt. Bereits seit fünf Jahren laufen die Ermittlungen. Im Fokus steht Heinz Peter Hager, Geschäftsführer von Signa Italia, sowie eine mutmaßliche „kriminelle Vereinigung“, die laut Ermittlungen bei bedeutenden Bauprojekten wie dem Waltherpark und dem Gries Village in Bozen Einfluss genommen haben soll. Insgesamt wurden acht Personen verhaftet, darunter Hager, und 77 weitere Personen stehen unter Verdacht. Dazu gehören Beamte von Land und Gemeinde, Architekten, Unternehmer und Immobilienmakler.

Gegen Benko wird unterdessen bereits in vier Staaten im Zusammenhang mit der Insolvenz seines Immobilienimperiums Signa ermittelt. Er bleibt auf freiem Fuß.

Mafiamethoden und Einflussnahme

Die Ermittler werfen den Beschuldigten vor, mit korrumpierenden, aber auch einschüchternden Mitteln gearbeitet zu haben. Unter den Vorwürfen: systematische Einflussnahme auf Behörden und Bedienstete, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen oder zu umgehen. Eine zentrale Rolle sollen dabei private Kontakte auf höchster Ebene gespielt haben – von WhatsApp-Chats mit Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher bis hin zu Abendessen mit Bozens Bürgermeister Renzo Caramaschi auf Hagers Ansitz in Eppan.

Hager selbst wird in den Ermittlungsakten als „Influencer von allen“ bezeichnet, der ein weitreichendes Netzwerk in Politik, Verwaltung und Medien gespannt habe. Widerstand gegen seine Projekte sei konsequent unterdrückt worden. So habe er unter anderem geäußert, dass die Verwaltung nicht den Mut habe, seine Projekte zu kontrollieren.

Verdacht auf systematische Manipulation

Die Ermittlungen maßgeblich ausgelöst hatte ein Hinweis aus der Bozner Stadtverwaltung. Bereits 2018 hatte ein Mitarbeiter gemeldet, dass Unterlagen zu Bauprojekten – insbesondere zum Waltherpark – in unzulässiger Weise behandelt wurden. Statt eines standardisierten Verfahrens sei das Projekt von einer kleinen Gruppe bevorzugt bearbeitet worden.

Im Verlauf der Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht, dass technische Funktionäre, darunter die jetzt festgenommene Daniela Eisenstecken, aktiv an der Umgehung formaler Verfahren mitgewirkt hätten. Eisenstecken soll Genehmigungen erteilt haben, ohne die erforderlichen Schritte einzuhalten.

Politische Verbindungen

Aus abgehörten Gesprächen und Chatverläufen ergibt sich ein Bild von Hagers Einfluss auf politische Entscheidungsträger.  Der Landeshauptmann betonte in einer Stellungnahme, er habe zu Hager „keine anderen Beziehungen als zu jedem anderen Unternehmer“. Dennoch zeigen die Ermittlungen, dass es regelmäßige Kontakte, darunter ein gemeinsamer WhatsApp-Chat, gegeben habe.

Auch Medienvertreter sollen Teil des Netzwerks gewesen sein. Ein 27-jähriger Mitarbeiter von Signa Italia, Lorenzo Barzon, wurde als „rechte Hand“ Hagers bezeichnet und spielte offenbar eine zentrale Rolle bei der Informationsbeschaffung und Einflussnahme.

Lorenzo Barzon: Netzwerker und Strippenzieher im Umfeld Hagers

Der Publizist mit eigener Agentur wird von den Ermittlern als “Brückenbauer” beschrieben. Mit seinem Gespür für soziale Dynamiken und politisches Networking soll er Informationen aus der Südtiroler Polit- und Wirtschaftswelt beschafft und weitergeleitet haben. Sein besonderes Talent bestand darin, ein dichtes Netz aus Beziehungen zu knüpfen, sei es zu Lokalpolitikern, Unternehmern oder Medienschaffenden. Barzon war regelmäßig bei politischen Veranstaltungen, Kaffeetreffen und gesellschaftlichen Events präsent. Dabei sammelte er wichtige Details zu Entscheidungsprozessen und Projekten, die er laut Ermittlungsakten konsequent an Hager weitergab.

Alto Adige

Einen besonderen Höhepunkt seiner Rolle markierte ein Vorfall, bei dem Barzon angeblich erfolgreich die Verschiebung einer kritischen Debatte im Südtiroler Landtag erwirkt haben soll. Dies betraf ein Dokument des Team K zum umstrittenen Projekt auf dem Virgl in Bozen, wo Hager die Errichtung eines Museums für den Ötzi plante. Für diesen Einsatz lobte Hager seinen Vertrauten nicht nur, sondern stellte auch eine finanzielle Anerkennung in Aussicht, berichtet die Zeitung Alto Adige. Barzon wurde zudem als „persönlicher Berater“ des Bozner Bürgermeisters Renzo Caramaschi bezeichnet – eine Rolle, die dieser jedoch entschieden zurückweist und auf eine einmalige Zusammenarbeit im Rahmen seiner Social-Media-Kampagne im Jahr 2020 beschränkt.

Großrazzia und weitere Schritte

Die Dimension des Falls ist beachtlich: Über 100 Durchsuchungen wurden durchgeführt, acht Haftbefehle erlassen. Die Ermittlungen, die bereits 2019 begonnen hatten, sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Neben Südtirol könnten auch andere Regionen Italiens betroffen sein, da sich das Netzwerk möglicherweise auf weitere Projekte erstreckte.

Die Vorwürfe gegen Hager und sein Umfeld wiegen schwer: Der Einsatz „mafiamäßiger Methoden“ wird als erschwerender Umstand gewertet. Ob und in welchem Ausmaß politische Verantwortungsträger involviert waren, bleibt abzuwarten. Die Aufarbeitung könnte Südtirol nachhaltig erschüttern. Vorerst gilt für alle involvierten Personen die Unschuldsvermutung.

Ermittlungen dürften noch Monate andauern

Die Korruptionsermittlungen rund um die Unternehmer Heinz Peter Hager und Rene Benko dürften noch Monate andauern. Der Anwalt von Heinz Peter Hager hat indes angekündigt, für seinen Mandanten die Aufhebung des Hausarrests zu beantragen. Und das Landgericht Innsbruck hat Rene Benko dazu aufgefordert, zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung zu nehmen. An Italien ausgeliefert wird Benko aber nicht.

Bezirk: Bozen

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