Von: luk
Bozen – Das öffentliche Gesundheitswesen in Südtirol scheint am Anschlag zu sein. Das zumindest legen die Aussagen der Basismediziner in der heutigen Ausgabe der Zeitung Alto Adige nahe. Die drei Hausärzte Domenico Bossio von der Gewerkschaft Fimmg, Gianni Pontarelli von der Gewerkschaft Smi und Giuliano Piccoliori, wissenschaftlicher Leiter am Institut für Allgemeinmedizin der Claudiana, schildern, dass die langen Wartezeiten für gewisse Visiten und diagnostische Untersuchungen nicht mehr tragbar seien. Das sei kein neues Problem, doch ein Problem, dass sich zusehends verschlimmern würde.
Patienten suchen in ihrer Verzweiflung andere Wege
Die Patienten würden daher verstärkt Druck ausüben, um eine dringende Visite verschrieben zu bekommen. Andere weichen mit ihren Beschwerden auf die Notfallaufnahme der Krankenhäuser aus, um untersucht zu werden. Auch das könne keine Lösung sein, so die Allgemeinmediziner. Jene, die es sich leisten können, brechen irgendwann aus diesem Kreislauf aus und zahlen aus eigener Tasche Privatvisiten oder lassen sogar auf eigene Kosten einen Eingriff vornehmen, um endlich beschwerdefrei leben zu können. Eine Folge dieser Entwicklung sind die vielen Privatkliniken in Südtirol, die vor allem in den vergangenen zehn Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Für nicht wenige Südtirol stellt sich die Frage, ob Südtirol auf dem Weg zur Zwei-Klassen-Medizin oder vielleicht sogar schon dort angekommen ist. Erst im Juli hat Südtirol News darüber berichtet, dass die Nachfrage nach privaten Krankenversicherung in Südtirol nach oben geht.
Wartezeiten stellen Geduld auf harte Probe
Dr. Piccoliori schildert an einem konkreten Beispiel die momentane Situation im öffentlichen Gesundheitsdienst: Kürzlich habe er einem Patienten mit starken Hüftschmerzen eine Magnetresonanztomografie verschrieben. Trotz prioritärer Einstufung muss der Patient drei bis vier Monate Wartezeiten hinnehmen. Am Ende sei er in die Notaufnahme gegangen. Das könne nicht der Sinn der Sache sein, da so die Notfallaufnahme mit Patienten verstopft wird, die eigentlich über andere Kanäle Zugang zu medizinischen Leistungen haben sollten.
Auch Dr. Bossio meint, dass man auf gewisse Visiten und Untersuchungen nicht 1,5 Jahre warten könne. Seine Patienten lassen sich privat untersuchen oder gehen ins Trentino.
Vorschlag, um Situation zu verbessern: Hausärzte besser ausstatten
Wie aber aus dem Dilemma ausbrechen, wenn Ärzte- und Pflegepersonalmangel herrscht? Für Dr. Piccoliori müssten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und die Fakten objektiv analysieren. “Wir Hausärzte könnten definitiv mehr leisten, wenn wir in der Praxis mehr Personal und auch geeignete Gerätschaften hätten.”
Auch sei es so, dass Hausärzte in Südtirol vielleicht zu locker mit der Verschreibung von radiologischen Visiten umgehen. Das sei aber ein heikles Thema. Man müsse bedenken, dass die Bevölkerung älter wird und daher auch mehr medizinische Dienstleistungen benötige. Außerdem hätten junge Menschen ein anderes Gesundheitsbewusstsein als frühere Generationen. Sie gehen demnach früher zum Arzt und wollen geheilt werden. Auch deshalb gebe es mehr Nachfrage nach Visiten und radiologischen Untersuchungen.