Von: APA/dpa
Die Polizei hat im vergangenen Jahr in Deutschland so viele Straftaten registriert wie seit 2016 nicht. Der Anteil ausländischer Tatverdächtiger ist hoch. All das wirft auch politische Fragen auf. Laut der am Dienstag veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2023 hat unter anderem die Gewaltkriminalität zugenommen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte dennoch: “Deutschland ist weiterhin eines der sichersten Länder der Welt.”
Drei Faktoren könnten 2023 nach Einschätzung des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) eine Rolle gespielt haben: Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die hohe Inflation und starke Zuwanderung innerhalb eines kurzen Zeitraums, die für den Einzelnen zu schwierigen Lebensbedingungen und schlechteren Integrationschancen führen kann.
Im Jahr 2023 wurden bundesweit rund 5,94 Millionen Straftaten statistisch erfasst. Das sind 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr. 2022 war der Anstieg der Kriminalität sogar noch höher gewesen: Damals hatte die Polizei rund 5,63 Millionen Straftaten registriert, was einem Plus von 11,5 Prozent entsprach. Allerdings hatte hier noch der Corona-Effekt eine starke Rolle gespielt. Denn aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 hatte es in den Vorjahren weniger Tatgelegenheiten gegeben.
Die Gewaltkriminalität nahm 2023 laut Statistik um 8,6 Prozent auf knapp 214.100 Fälle zu. Sie erreichte damit den höchsten Stand seit 2007. Der Anstieg ausländischer Tatverdächtiger fiel mit 14,5 Prozent höher aus als bei den deutschen Tatverdächtigen mit einem Plus von 2,2 Prozent. Studien zeigen allerdings, dass Menschen eine Tat eher zur Anzeige bringen, wenn sie vermuten, dass der mutmaßliche Täter ein Ausländer ist.
Die Folgen der Corona-Pandemie wirken nach Einschätzung des BKA bis heute nach. Erstens vermuten die Experten Nachholeffekte – also dass Straftaten mangels Gelegenheit später verübt wurden. Zweitens verweisen sie auf Studien, die zeigen, dass die psychischen Belastungen aus der Zeit, als Schulen und Universitäten geschlossen waren, bei jungen Menschen teils auch nach Beendigung der staatlichen Maßnahmen noch wirkten.
Das erklärt vielleicht zum Teil auch einen weiteren besorgniserregenden Befund: Die Zahl der minderjährigen Straftäter nimmt zu. Gehörten im Jahr 2022 bundesweit 13,4 Prozent aller Tatverdächtigen zur Gruppe der Kinder und Jugendlichen, so stieg ihr Anteil im vergangenen Jahr auf 13,8 Prozent. Besonders hoch war der Zuwachs den Angaben zufolge bei ausländischen Minderjährigen. Allerdings stieg auch der Anteil nicht deutscher Kinder und Jugendlicher an der Bevölkerung, vor allem durch Zuwanderung.
Der Zahl der Wohnungseinbrüche stieg 2023 um rund 18 Prozent im Vergleich zu 2022. Das BKA betont aber, dass damit das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 nicht erreicht ist. Bei den Gewalttaten war der Anstieg bei Raubdelikten mit 17,4 Prozent am größten. Die Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe im besonders schweren Fall nahmen um 2,4 Prozent zu, Körperverletzungsdelikte um rund sieben Prozent.
Auch die Inflation und ihre Folgen könnten nach Ansicht von Kriminalitätsforschern zu mehr Straftaten geführt haben. “Die Zunahme der Gewaltkriminalität mit mehr jungen Tatverdächtigen, einem gestiegenen Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger und erheblich mehr Wohnungseinbruchdiebstählen verdeutlicht, dass der Kampf um Wohlstand begonnen hat und das Recht des Stärkeren populärer wird”, sagt der Vorsitzende der deutschen Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke.
Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen hat um 2,5 Prozentpunkte zugenommen und lag 2023 bei 34,4 Prozent, wenn man die ausländerrechtlichen Verstöße nicht berücksichtigt. Allerdings hat, wie schon im Jahr zuvor, auch der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung zugenommen. Das BKA weist darauf hin, dass man die Zahl der nicht deutschen Tatverdächtigen nicht einfach ins Verhältnis zur Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer setzen könne. Denn in der Kriminalstatistik tauchen als Tatverdächtige auch Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, Touristen, Durchreisende, Besucher, Grenzpendler sowie Stationierungsstreitkräfte auf, die nicht Teil der Bevölkerung sind.
Stark angestiegen ist im vergangenen Jahr auch die Zahl der nicht deutschen Opfer von Straftaten. Ihre Zahl nahm im vergangenen Jahr um 15,2 Prozent auf knapp 270.000 Opfer zu – und damit mehr als doppelt so stark wie die Zahl der deutschen Opfer, bei denen die Statistik einen Anstieg um 6,4 Prozent auf rund 883.000 Opfer ausweist.
Das BKA verweist auf die schwierige Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und kommt zu dem Schluss, dass der Anstieg von Kriminalität “nicht primär mit dem Verbleib von Migrantinnen und Migranten verknüpft sei, sondern mit den Bedingungen eines akut sehr umfangreichen Wanderungsgeschehens”. Bei Asylbewerbern und Flüchtlingen träten Risikofaktoren wie wirtschaftliche Unsicherheit und Gewalterfahrungen gehäuft auf, sagt BKA-Präsident Holger Münch. Faeser betont: “Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen.”
Mit Sorge beobachten Experten etwa den brutalen Bandenkrieg im Raum Stuttgart. Dort haben junge Angehörige zweier verfeindeter Gruppen aufeinander geschossen. Einer warf eine Granate auf eine Trauergemeinde. Zustände wie in Schweden will die deutsche Polizei unbedingt vermeiden. Das skandinavische Land ringt mit kriminellen Gangs, die sich vor allem durch Drogenhandel und Betrug finanzieren. Wegen der Bandenkonflikte kommt es immer wieder zu tödlichen Schüssen sowie Sprengstoffanschlägen. Nicht selten werden auch Unbeteiligte erschossen.
Der Vorsitzende der deutschen Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), fordert, es müsse klare Signale geben von der Politik, dass eine Zukunft in Deutschland davon abhängt, ob jemand bereit sei, sich an Recht und Ordnung zu halten. “Wir dürfen nicht die falschen Schlüsse ziehen und tollwütig nach Gesetzesverschärfungen rufen”, mahnt der Grünen-Obmann im Innenausschuss, Marcel Emmerich. “Zur Wahrheit gehört auch, dass gerade an Bahnhöfen und Flughäfen oft das Personal fehlt und wir bei der Prävention mehr tun können.”