Ansteckungen können auch heute noch zu Langzeitfolgen führen

Post Covid auch 5 Jahre nach Pandemiestart ein Problem

Sonntag, 16. Februar 2025 | 15:48 Uhr

Von: apa

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie sind die gesundheitlichen Folgen des SARS-CoV-2-Virus weiter präsent. Schwere akute Verläufe sind zwar für die meisten kein Thema mehr. Problematisch sind aber Langzeitschäden, auch nach milden Verläufen und Reinfektionen, betonten die Leiterinnen des Referenzzentrums für postvirale Syndrome an der MedUni Wien im APA-Interview. Für Long bzw. Post-Covid bis hin zu ME/CFS brauche es mehr Forschung, Budget und Behandlungsstellen.

Die Co-Leiterinnen des im Vorjahr eingerichteten Referenzzentrums, Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr-Elsenhuber, betonten gegenüber der APA, dass die Covid-Erkrankungen nach wie vor gesundheitliche, aber auch soziale Folgen haben können. Schwere akute Verläufe seien “zum Glück nicht mehr das Thema für den Großteil der Bevölkerung”, sagte Hoffmann. Freilich dürfe auch hier nicht übersehen werden, “dass Menschen mit Immundefekten, Immunsuppression oder anderen schweren Erkrankungen – zum Beispiel im Krankenhaus, aber auch mitten unter uns – durch eine akute Infektion weiterhin gefährdet sind”.

Hauptproblem: Langzeitschäden

Das Hauptproblem in der Bevölkerung seien aber “schon seit längerer Zeit die langfristigen Folgeschäden, vor allem auch nach milden oder moderaten akuten Infektionen, die SARS-CoV-2 im menschlichen Körper anrichten kann”. Dies gehe von einer deutlichen Risikoerhöhung unter anderem für Herzinfarkte, Thrombosen, Schlaganfälle, Diabetes, Autoimmunerkrankungen, demenziellen Erkrankungen bis hin zu postakuten Infektionssyndromen (PAIS).

Unter letztere fällt etwa das posturale Tachykardiesyndrom POTS (Fehlfunktion des autonomen Nervensystems mit starkem Pulsanstieg in sitzender oder stehender Position) – oder etwa die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatiguesyndrom (ME/CFS) als schwerste Form. Diese zeichnet sich durch das Leitsymptom PEM (postexertionelle Malaise) aus: Dieses äußert sich durch eine (deutliche) Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. von bestehenden Symptomen oder durch das Auftreten neuer Symptome, jeweils nach Überlastung. Liegt PEM vor, so ist die Überschreitung von individuellen Energiegrenzen tunlichst zu vermeiden, da es sonst zu einem Zusammenbruch von körperlichen Regulationskreisläufen kommt. Den Patienten wird ein entsprechender Umgang mit den Energiereserven, die auch sehr niedrig liegen können, nahegelegt (“Pacing”).

“Leider zeigt Studie um Studie, dass dieses Problem anhält und sich durch Reinfektionen weiter zuspitzt”, so die Expertin. Die gute Nachricht sei, dass das Post-Covid-Syndrom einerseits mit der Impfung bedeutend zurückgegangen ist, und auch die neueren Varianten weniger häufig ein Post Covid-Syndrom induzieren, ergänzte Untersmayr-Elsenhuber. Die negative Nachricht laute: “Es geht nicht gegen Null. Nach wie vor ist es leider so, dass Patienten bei einer SARS-CoV-2-Infektion diese Langzeitfolgen entwickeln können. Es ist leider nicht vorbei.” Unverändert müsse man sagen, “der beste Schutz ist es, die Akutinfektion zu verhindern”.

Prävention und Versorgung gefordert

Hier hakt auch Hoffmann ein, die sowohl beim Thema Prävention als auch Versorgung der Betroffenen von Langzeitschäden Aufholbedarf sieht: “Meiner Meinung nach haben die Medizin, die Politik und die Gesellschaft das Problem trotz einiger Bemühungen und erster wichtiger Schritte in letzter Zeit noch nicht ausreichend erkannt. Denn sonst würde bereits in großem Stil in Prävention bezüglich sauberer Luft in Innenräumen und Behandlung investiert.” Auch die Covid-Auffrischungs-Impfung wird empfohlen, insbesondere Risikogruppen und älteren Personen. Jüngere Personen sollten das Infektionsgeschehen im Hinterkopf behalten – und darauf schauen, ob im Fall von neuen Varianten ein adaptierter Impfstoff zur Verfügung steht.

Auswirkungen auf das Immunsystem

Auch verweisen Hoffmann und Untersmayr-Elsenhuber auf Auswirkungen auf die Krankenstandshäufigkeit und damit auch die wirtschaftliche Bedeutung: Die akuten, ständigen Infektionswellen “mit dem nun bei uns zusätzlichen Virus, welches ständig mutiert”, würden zu ganzjährig höherem Krankenstand als früher führen. “Dazu kommen die steigenden Zahlen chronisch Kranker durch die Langzeitfolgen.” Auch würden die vielen Infektionen Mutationen am Virus begünstigen, was wiederum zu vielen (neuen) akuten Infektionen und dann chronischen Erkrankten führe.

Untersmayr-Elsenhuber und Hoffmann betonten auch, dass laut Studien (etwa auch laut einer an der MedUni Wien durchgeführten Arbeit) die Anzahl der Immunzellen nach einer Covid-Infektion abfallen und zwar über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Das hätten auch internationale Studien gezeigt, so Hoffmann und das betreffe auch milde Infektionen. “Dadurch sind manche Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auch für andere Krankheitserreger anfälliger”. Und auch hier würden Reinfektionen, “vor allem in noch bestehende Problembereiche hinein”, die Situation nicht verbessern – “im Gegenteil”.

Das Argument, dass die Kontaktbeschränkungen, die nun schon Jahre her sind, nach wie vor negative Auswirkungen auch auf das Immunsystem hätten, kann Untersmayr-Elsenhuber nicht nachvollziehen. “Die Lockdowns sind schon sehr lang vorbei”, gab sie zu bedenken. Auswirkungen hätten die Kontaktbeschränkungen aber jedenfalls auf die Allergieneigung bei kleinen Kindern gehabt, das habe man in direkt nach den Lockdowns durchgeführten Studien gesehen.

Rund 80.000 ME/CFS-Betroffene in Österreich

Wie viele Betroffene von Langzeitschäden es in Österreich gibt, sei aufgrund einer unzureichenden Datenlage nicht konkret zu sagen. Bezüglich ME/CFS – der schwersten Form postviraler Erkrankungen – würden internationale Daten bestätigen, dass die Annahme von rund 80.000 Betroffenen in Österreich gut hinkomme. 20 bis 25 Prozent dieser Betroffenen sind laut internationalen Studien sogar haus- bzw. bettgebunden, so Hoffmann.

Es gebe “Gott sei Dank” auch ME/CFS-Patienten, die (vergleichsweise) leichter betroffen sind, so Untersmayr-Elsenhuber. Diese würden oft nicht gesehen bzw. “unsichtbar” bleiben, wie Hoffmann es formulierte, gleichzeitig aber ebenso unter gravierenden Einschnitten leiden. Viele könnten oft nur noch deshalb arbeiten, weil sie ihr Sozialleben und ihre Hobbys der Erholung geopfert und die Arbeitsstunden reduziert haben – “und dadurch ihre Karriere verloren haben”. Andere müssten den Arbeitsplatz wechseln, weil der bisherige zu anstrengend war. Betroffene können wegen der Erkrankung keine Freunde mehr treffen, Beziehungen gingen kaputt “durch weniger Teilhabemöglichkeiten”. Auch verwies die Expertin auf soziale und finanzielle Probleme: Betroffene müssten sich etwa beim Partner mitversichern oder ihre Einzelwohnung aufgeben.

Auch könne es gut sein, dass sich Post Covid- bzw. PAIS-Betroffene generell des möglichen Grundes ihrer Beschwerden gar nicht bewusst sind, da sie keinen Konnex zwischen ihren Symptomen und vorangegangenen Infektionen herstellen. Ärzte und Ärztinnen müssten “diesbezüglich jetzt noch einmal aufmerksamer sein”, wenn sie mit Beschwerden wie etwa Schwindel oder ständigem Kranksein konfrontiert werden, so Hoffmann. “Aber mit den Berichterstattungen, mit dem steigenden Bewusstsein, durch Schulungen, durch Aufnahme des Themas in Symposien und in Tagungen steigt natürlich auch die Information unter den Kolleginnen und Kollegen. Und damit dann auch die Möglichkeit für die Patienten, eine Diagnose zu erhalten”, ergänzte Untersmayr-Elsenhuber.

Aus -und Weiterbildung nötig

Deshalb sei es auch wichtig, bei der Aus- und Weiterbildung von Gesundheitspersonal anzusetzen, “was wir ja vom Referenzzentrum ganz intensiv machen”, so die Immunologin. Sie sehe eine “sehr große Bereitschaft” für den Wissenserwerb. Auch im Medizinstudium müsse das Thema PAIS Niederschlag finden. Die Ausbildung in diesem Bereich sei aber nicht nur für Mediziner und Medizinerinnen wichtig, sondern für alle Gesundheitsberufe.

Auch Fehldiagnosen seien leider weiterhin ein Problem. Beispiel sei etwa die Vermischung von chronischer Fatigue (ein Symptom bei vielen Erkrankungen) mit ME/CFS oder dem Nichterkennen von PEM, so Hoffmann. “Klassische Fehldiagnosen sind auch weiterhin noch oft die Verwechslung von POTS und Mastzellenüberaktivität mit Panikattacken oder einer Angststörung.” Daher sei die Wissensvermittlung der neuesten Erkenntnisse von zentraler Bedeutung.

Wünsche an die Politik

Von einer künftigen Bundesregierung wünschen sich die Expertinnen, dass die Versorgung der Patienten, “so wie es jetzt in der vorigen Periode bereits initiiert wurde, weiterverfolgt und ernst genommen wird”, sagte Untersmayr-Elsenhuber. Natürlich gehe es dabei immer auch ums Geld, “weil Anlaufstellen werden etwas kosten, wenn man versucht, das bestmöglich umzusetzen”. Auch vermehrte Forschungsförderung ist den Referenzzentrums-Leiterinnen ein Anliegen.

Untersmayr-Elsenhuber betonte auch die Folgen, wenn diese Felder nicht angegangen werden: “Es kostet auch etwas, wenn man die Patienten nicht versorgt oder wenn die Patienten im Gesundheitssystem immer wieder verschiedensten Stellen anlaufen und dann eben nicht adäquat versorgt sind.” Und man müsse auch überlegen, was es volkswirtschaftlich bedeutet, wenn man diese Patienten im Arbeitssystem verliert. “Es betrifft eine junge Patientengruppe, es betrifft Patienten, die eigentlich im Arbeitsalltag gebraucht werden. Es ist nicht nur immer eine Frage, was investiert man, sondern was erhält man auch dadurch, wenn man frühzeitig die Erkrankung erkennt und bestmöglichst behandelt.”

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