Ein 39-Jähriger steht wegen Listerienfällen vor Gericht

Prozess um Listerienfälle: Mann bekannte sich nicht schuldig

Dienstag, 26. September 2023 | 15:42 Uhr

Von: apa

Ein Prozess um Listerien-Todesfälle und -Erkrankungen hat am Dienstag in Wiener Neustadt begonnen. Dem früheren Chef der inzwischen geschlossenen Käserei Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) wird grob fahrlässige Tötung in fünf Fällen und grob fahrlässige schwere Körperverletzung bzw. grob fahrlässige Körperverletzung in je drei Fällen angelastet. Der 39-Jährige bekannte sich nicht schuldig. Der Prozess wurde auf 23. November vertagt.

Staatsanwältin Silke Pernsteiner sprach von einem “ganz besonders tragischen Fall”. Der ehemalige Firmenchef soll Hygienebestimmungen missachtet, vom Lebensmittelinspektor aufgetragene Mängelbehebungen u. a. aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt und Gerätschaften nicht in Stand gehalten haben.

Verteidiger Elmar Kresbach bezeichnete die Listerienfälle als “emotionale und furchtbare Geschichte”, erklärte aber: “Die Brücke zwischen dem unbescholtenen Angeklagten und den traurigen Ereignissen ist nicht nachvollziehbar.” Es handle sich um ein “wackliges Konstrukt”.

Es habe nie Hygieneprobleme gegeben, meinte der aus Serbien stammende Angeklagte laut Dolmetscher – im Gegensatz zu den Kontrollergebnissen, die im Laufe der Einzelrichterverhandlung Thema waren. Im Dezember 2021 wurde Schwarzschimmelbildung an Wänden festgestellt, zudem wurde ein “muffiger, dumpfer Geruch” wahrgenommen. Beanstandet wurde weiters das Fehlen von Insektenschutzgitter und ein Eindringen von Ungeziefer wie Mäusen und Ratten in den Produktionsbereich sei “sofort durch geeignete Maßnahmen zu verhindern”, hieß es in dem entsprechenden Bericht. Dabei handle es sich schon um ein Hygieneproblem, hielt Richterin Birgit Borns fest. Fünf Wochen danach seien die Mängel noch immer nicht behoben gewesen.

Bereits 2018 und auch in den beiden folgenden Jahren waren Listerien in Gullyproben in dem Betrieb nachgewiesen worden. “Sie machen nicht den Eindruck, als hätte Sie das beunruhigt”, sagte die Richterin zum Angeklagten. Im Gully seien Listerien nicht problematisch, meinte der 39-Jährige sinngemäß. Im September 2022 wurde laut der Staatsanwältin ein konkreter Bakterienstamm u. a. im Reiferaum der Betriebs nachgewiesen, die Produktion wurde per Bescheid untersagt. Das Unternehmen rief Kajmak, Trinkjoghurt und Frischkäse zurück. Zuvor hatten routinemäßig durchgeführte Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ergeben, dass mehrere Erkrankungen in Wien auf einen identen Listerienstamm zurückzuführen sind.

Fünf Menschen starben nach dem Verzehr kontaminierter Produkte. Zwei Personen erlitten eine dauerhafte Hirnschädigung, drei weitere eine chronische Nierenschwäche, Lungenentzündungen oder ausgeprägte Schwächezustände. Eine Frau soll wegen einer Listeriose eine Frühgeburt erlitten haben. Das Baby musste künstlich beatmet werden und erlitt eine lebensbedrohende Sepsis.

Als Zeuge wurde am Dienstag ein 44-Jähriger befragt, der im September 2020 erkrankt war. Der frühere Bauarbeiter wird nun über eine Sonde ernährt, weil er nicht mehr schlucken kann. Sein Mandant sei ein “Pflegefall, sitzt im Rollstuhl und musste neu sprechen lernen”, sagte ein Privatbeteiligtenvertreter. Eine 73-Jährige, die ebenfalls als Zeugin befragt wurde, lag 2021 nach dem Verzehr einer Semmel mit Käse neun Tage lang im Krankenhaus. Für den 44-Jährigen wurden 15.000 Euro an Schmerzengeld beantragt, für die Frau 5.000 Euro. Ein 54-Jähriger starb Ende 2021 an einer Listerien-Erkrankung, seine Witwe wurde ebenfalls befragt. In den Zeugenaussagen wurde zwar kein direkter Zusammenhang mit Produkten der Käserei hergestellt. Aufgrund des Gutachtens sei aber “eindeutig”, dass der entsprechende Listerienstamm aus der Käserei Gloggnitz kam, betonte die Staatsanwältin.

Eine ehemalige Büromitarbeiterin, die rund zwei Jahre in dem Unternehmen beschäftigt war, hatte laut ihrer Aussage 2019 je eine tote Ratte im Lagerraum und im Kaffeeautomaten gesehen. Die 42-Jährige verwies – ebenso wie ein ehemaliger Kollege – auf Finanzprobleme des Betriebs. Reinigungsmittel habe der Firmenchef etwa teilweise selbst mitgebracht, Käsekulturen seien aus Serbien gekommen. Die 42-Jährige berichtete auch über Beschwerden vor allem betreffend Kajmak, etwa wegen gewölbter Deckel.

Das Unternehmen meldete Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz an. Ein Konkursverfahren war die Folge. Mit Beschluss vom 12. April wurde die Schließung der Käserei angeordnet.

Der Prozess wird am 23. November fortgesetzt. Bei diesem Termin sollen weitere Zeugen sowie ein Sachverständiger zu Wort kommen.