Von: mk
Bozen – Die südtirolweite Kampagne „Gesunde Psyche, gesundes Land” hat mit dem Abend „Gewalt oder nicht?“ kürzlich in Meran ihren erfolgreichen Abschluss gefunden. Sabine Cagol, Präsidentin der IARTS Sozialgenossenschaft und Psychotherapeutin, ging es darum, Tabus rund um erschütternde Erfahrungen zu brechen.
Sie waren federführend an der Ausarbeitung des Konzepts für die Veranstaltungsreihe „Gesunde Psyche, gesundes Land“ beteiligt, was war Ihnen in diesem Zusammenhang besonders wichtig?
Psychische Erkrankungen und Symptome versteh- und besprechbar zu machen. Diese sind heute immer noch mit einem Tabu behaftet, nicht zuletzt, weil ein gebrochenes Bein zum Beispiel selbsterklärend ist, eine psychische Erkrankung nicht. Für viele sind sie deshalb immer noch etwas „exotisch“, obwohl sich klinisch relevante Problematiken zu Beginn meist aus einem Spektrum von Bedürfnissen, Gefühls- und Lebenslagen ergeben, die wir alle kennen. Gerade deshalb ist es wesentlich, die eigene psychische Gesundheit gut im Blick zu haben und zu merken, wenn es kritisch wird. Wichtig war und ist uns dies nicht nur durch das Fachwissen von Experten, sondern vor allem über Erzählungen von Betroffenen und Angehörigen zu vermitteln. Die Wortmeldungen und interessierten Fragen aus dem Publikum trugen außerdem zu den gelungenen Abenden maßgebend bei. Zuletzt sollte ein kritischer Blick auf den Optimierungsbedarf in der Versorgungslandschaft in Südtirol nicht fehlen.
„Berühren wollen“ – das haben Sie mehrmals als Ziel der Veranstaltungsreihe unterstrichen. Wie berührt man Menschen im Hinblick auf solche herausfordernden Themen?
Ich denke, dass es für Menschen, die nicht betroffen sind oder waren eine große Herausforderung bleibt zu verstehen, wie es Menschen mit einer psychischen Erkrankung wirklich geht. Um dies bestmöglich nachvollziehen zu können, sind betroffene Personen, die bereit sind, über Ihre persönlichen Erfahrungen und Krankengeschichten zu Berichten, oft hilfreicher als Zahlen, Daten und Fakten und die klinische Sprache von Fachleuten.
Was wünschen Sie sich für Menschen in schwierigen Lebenssituationen in Südtirol? Wo müssen Politik aber auch Gesellschaft ansetzen, damit diese Menschen bessere Chancen haben, Krisen und Herausforderungen zu überwinden?
Ich denke das Bewusstsein um die Wichtigkeit der Psychischen Gesundheit ist in den letzten Jahren gestiegen. Auch die Auswirkungen der Pandemie haben uns gezeigt, welche beträchtlichen Folgen es für Menschen hat, wenn die Psyche leidet. Trotzdem bleibt viel Luft nach oben. Es kann noch an der Niederschwelligkeit der Dienste sowie an der zeit- und ortsnahen Versorgung gearbeitet werden. Aktuell haben wir es ähnlich wie im medizinischen Bereich mit einem erheblichen Personalmangel im Bereich Psychologie und Psychotherapie zu tun. Neue Kolleginnen und Kollegen sind durch attraktive Fortbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in Südtirol zu gewinnen. Die IARTS Sozialgenossenschaft setzt sich mit dem „Institut für Systemische Forschung und Therapie – Südtirol“ in Bozen für die postuniversitäre Aus- und Weiterbildung von soziosanitärem Fachpersonal ein. Eine Fakultät für Psychologie an der Universität Bozen und die Implementierung eines Dienstes für Basispsychologie bzw. Gemeindepsychologie wären weitere Meilensteine einer erfolgreichen Weiterentwicklung.