Von: ka
Bozen – Jahrelang schienen nur stundenlanges Autofahren und Sitzen im Flugzeug urlaubswillige Südtiroler glücklich zu machen.
In diesem Sommer ist aber alles anders. Das Virus warf das komfortable, aber störanfällige Leben der Südtiroler gehörig durcheinander. Nie hätten die Südtiroler gedacht, dass ein Winzling, der streng genommen nicht einmal zu den echten Lebewesen gehört, unseren streng getakteten Tages- und Jahresablauf – Kinder in der Schule, Erwachsene am Arbeitsplatz und im Sommer alle weit weg – so abrupt beenden würde.
SARS-CoV-2, das über viele Menschen so viel Leid brachte und unsere Welt in ihren Grundfesten erschütterte, hat aber auch etwas Gutes. Das Virus, das die Menschen in ihre eigenen vier Wände zurückdrängte, gab den Südtirolern jene „Entschleunigung“, die sie sich selbst nie zu gönnen wagten. Die langen Wochen des „Eingesperrtseins“ wurden von vielen Landsleuten dazu genutzt, das eigene Dasein einer gehörigen Überholung zu unterziehen.
Im Covid-19-Sommer tragen diese Bemühungen erste Früchte. Der Ferne ziehen nicht wenige Südtiroler die Nähe vor. Anstatt exotische Strände unter Palmen sind heuer Hüttenwanderungen, das Erklimmen einsamer Berggipfel, das Schwimmen in heimischen Seen und das Rasten auf grünen Almmatten angesagt. Dabei lernen die Südtiroler nicht nur ihre Heimat besser kennen, sondern begeben sich auch auf eine Art „Reise zu sich selbst“.
Die Erfahrung des Verlustes vieler sicher geglaubter Gewissheiten, des Todes lieber Angehöriger und Freunde oder der eigenen Genesung von Covid-19 machte uns alle bescheidener. Was und wer sind wichtig in meinem Leben und was ist nur Firlefanz, auf den ich verzichten kann, sind die Fragen, die sich viele von uns stellen.
Nichts tut uns heuer so gut, als uns selbst und unsere Heimat zu bereisen.